Der Titel dieses Newsletters ist natürlich provokativ. Der richtige Titel des am 5. März in die erste Lesung im Bundestag eingebrachten Gesetzes heißt: „Entwurf eines Gesetzes zur Reduzierung und zur Beendigung der Kohleverstromung und zur Änderung weiterer Gesetze (Kohleausstiegsgesetz)“
(http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/173/1917342.pdf)
Doch der Titel Kohleausstiegsgesetz täuscht. Inhalt des Gesetzentwurfes ist der Bestandsschutz der Betriebsdauern der letzten Kohlekraftwerke bis 2038. Damit dies auch ökonomisch gelingen kann, werden den Betreibern der Kohlekraftwerke nochmal 4,35 Milliarden an neuen steuerlichen Subventionen, genannt Entschädigungszahlungen, gewährt. Eine unglaublich hohe Summe, die besser in Bildung, Forschung und Klimaschutz angelegt wäre.
Dass Kohlekraftwerke heute schon ökonomisch unter Druck sind, ist offensichtlich. Insbesondere in den USA ist die ökonomische Konkurrenz der inzwischen billigsten Art der Stromerzeugung aus Solar- und Windkraft so groß, dass reihenweise Kohlekraftwerke abgeschaltet werden und dies obwohl die Regierung von Präsident Trump, genauso wie die Bundesregierung in Deutschland mit neuen staatlichen Subventionen die Laufzeit der Kohlekraftwerke zu verlängern versucht. (https://edition.cnn.com/
2019/11/26/business/renewable-energy-coal/index.html)
Doch anders als in den USA, wo viele Investor, gewinngetrieben einfach die ökonomischen Vorteile der Erneuerbaren Energien ausnutzen, wird in Deutschland gesetzlich verordnet der Ausbau der Erneuerbaren Energien, Stück für Stück seit Jahren gesetzlich verordnet, immer stärker eingeschränkt. So ist deshalb der Ausbau der Windenergie gerade im letzten Jahr um über 80 Prozent eingebrochen.
Doch die GroKo geht weiter unbeirrt den Weg der weiteren Verschärfung der Ausbaubehinderungen der Erneuerbaren Energien. So ist anders als angekündigt der Wegfall des 52 Gigawatt Photovoltaik-Deckels nicht im vorgelegten Kohleausstiegsgesetz enthalten. Zudem droht weiterhin die Ausweitung des Windkraftabstandes zur Wohnbebauung auf 1000 Meter. (https://background.tagesspiegel.de/energie-klima/
union-blockiert-altmaiers-abstandsloesung)
Die Absicht der Bundesregierung ist klar: neben den neuen hohen milliardenschweren Subventionen für die Kohlekraftwerksbetreiber brauchen diese die Ausbaubehinderung der erneuerbaren Energien, damit die billige Konkurrenz durch Ökostrom nicht den ökonomischen Betrieb der Kohlekraftwerke gefährdet. Nur mit beiden Maßnahmen zusammen lässt sich die Laufzeit der letzten Kohlekraftwerke bis 2038 ausdehnen. Damit wird der eingebrachte Gesetzesentwurf in seiner Wirkung klar zu einem Kohlelaufzeitverlängerungsgesetz.
Zudem führt der unzulängliche Ausbau der Erneuerbaren Energien dazu, dass allmählich immer mehr Kohlestrom durch Strom aus Erdgaskraftwerken ersetzt wird. Aufgrund des hohen Methanemissionen in der Vorkette der Erdgasbereitstellung ist dies aber kein Beitrag zum Klimaschutz, wie das Morgenmagazin von ZDF und ARD klar aufzeigte. (https://www.daserste.de/
information/politik-weltgeschehen/morgenmagazin/videos/wirtschaft-erdgas-100.html)
Eine Mitschuld an dieser Fehlentwicklung tragen viele Umweltverbände, die in den letzten Jahren ausschließlich ein Kohleausstiegsgesetz gefordert haben, aber eben keine EEG-Novellen, die eine Verzehnfachung des jährlichen Ökostromausbaus ermöglichen würden.
Mit einer Verzehnfachung des Ökostromausbaus würden die letzten Kohlekraftwerke womöglich noch vor 2030 abgeschaltet werden, weil sie ökonomisch gar nicht konkurrenzfähig zu den wesentlich günstigeren Erneuerbaren Energien wären. Kein Gericht könnte ihnen dann Entschädigungszahlungen zusprechen, wie sie die Bundesregierung mit dem vorliegenden Gesetz freiwillig gewährt, denn sie hätten ja gar keine Gewinnerwartung mehr.
Es wird Zeit, dass auch weite Teile der Umweltbewegung erkennen, dass eine gute und offensive Förderpolitik für Ökostrom schneller zum Ziel von 100 Prozent erneuerbaren Energien führt als eine verbotsorientierte Politik mit Abschaltgesetzen für die klimaschädlichen fossilen Energien.
Denn Stand jetzt münden jetzt die Forderungen nach einem Kohleausstiegsgesetz eines großen Teils der Umweltbewegung im Ergebnis in einem hochsubventionierten Kohlelaufzeitverlängerungsgesetz. Das Ganze geht zu Lasten des Klimaschutzes, denn um 1,5°C Erderwärmung nicht zu überschreiten, wären Nullemissionen bis 2030 erforderlich und damit 100% Erneuerbare Energien bis 2030. Mit dem Betrieb von Kohlekraftwerken bis 2038 verstößt die Bundesregierung eindeutig gegen die Unterzeichnung des Klimaschutzabkommens von Paris.
— Der Autor Hans-Josef Fell saß für die Grünen von 1998 bis 2013 im Deutschen Bundestag. Der Energieexperte war im Jahr 2000 Mitautor des EEG. Nun ist er Präsident der Energy Watch Group (EWG). Mehr zu seiner Arbeit finden Sie unter www.hans-josef-fell.de. —
Die Blogbeiträge und Kommentare auf www.pv-magazine.de geben nicht zwangsläufig die Meinung und Haltung der Redaktion und der pv magazine group wieder. Unsere Webseite ist eine offene Plattform für den Austausch der Industrie und Politik. Wenn Sie auch in eigenen Beiträgen Kommentare einreichen wollen, schreiben Sie bitte an redaktion(at)pv-magazine.com
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Das ist ein sehr interessanter Aspekt, dass die Umweltverbände durch ihre Fixierung auf den KohleAUSSTIEG den Ausbau der Erneuerbaren selbst behindert haben. War mir bisher gar nicht so klar.
Vielen Dank für die Erweiterung meiner Sichtweise.
Da kann man zustimmen:
Es wurde in Deutschland (auch) schon sehr viel Geld fuer unsinnige (und widersinnige) Arbeitsplaetze und Arbeitsmassnahmen ausgegeben.
„Damit dies auch ökonomisch gelingen kann, werden den Betreibern der Kohlekraftwerke nochmal 4,35 Milliarden an neuen steuerlichen Subventionen, genannt Entschädigungszahlungen, gewährt. Eine unglaublich hohe Summe, die besser in Bildung, Forschung und Klimaschutz angelegt wäre.“
Wohin mit den vielen Arbeitslosen, dann?
Zudem muessen Umweltverbaende Fragen der Systemintegration/-bildung, Backup-Strategien und insgesamt moderaten Kosten fuer StromverbraucherInnen (auf Normalverdienerniveau) beantworten und proaktiv anbieten, denn wer ausser diesen Profigremien sollte sonst, im Sinne des Verbraucherschutzes und Zukunftsgestaltung, neue Antworten auf die draengenden Anforderungen geben?
Die Novellierer des EEG-Gesetzes haben klare Grenzen gezogen, wo die akzeptable Linie fuer foerderungswuerdige „buergerliche PV-Anlagengroessen“ zu sehen sind: 10kWp und 10000kWh Einspeisemenge
Schon die polemische Überschrift zeigt weshalb Herrn Fell in den großen Medien und bei den politisch Verantwortlichen in Berlin kaum noch jemand ernst nimmt . Da es anders als bei Merkels Lauzeitverlängerung für AKW am Beginn der Schwarz-Gelben Koalition im Jahr 2009 kein Ausstiegsgesetz für Kohlekraftwerke gibt, werden die Laufzeiten der Kohlekraftwerke im Kohleausstiegsgesetz auch nicht verlängert. Oder möchte Herr Fell lieber die derzeitige Gesetzeslage behalten und den Kohleausstieg den Marktkräften überlassen ?
PS: 4,35 Mrd. Euro bis 2038 sind nicht sehr viel , wenn man bedenkt dass die Föderung von EE von den „nicht privilegierten Endverbrauchern“ aktuell mit 24 Mrd. Euro im Jahr über die EEG-Unterlage gestützt wird.
Es kommt auf den Blickwinckel an:
Kohleausstiegsgesetz hat das Klientel der Kohleverstromung mit allen Nebenaspekten wie Regionalentwicklung der sekundär Beteiligten im Visier; super und teilweise sozial!
Zukunft gestalten würde etwas anderes bedeuten……
Und warum soll jetzt den einzelnen Unternehmen jetzt noch ein Benefit für einen terminierten Abschalttermin bezahlt werden? Hebel für Marktwirtschaft wurden doch schon in Form der C02-Bepreisung definiert! Warum sollten wir das Vorgehen jetzt mit einem extra Bonus versehen, anstatt es den Kräften des Marktes zu überlassen? Abgabenverschwendung, denn letztendlich werden diese Kosten wiederum auf den Strompreis umgelegt!
Liebe Politiker: Steuern heißt steuern. (aktiv)
Es wird offensichtlich Zeit, dem Ministerium eine Dienstaufsichbeschwerde an zu drohen.
@Tomas:
Dann tun sie das doch und drohen dem Ministerium eine Dienstaufsichtsbeschwerde an.
Mal davon angesehen dass in Deutschland der Bundestag Gesetze beschließt, gibt es keine seriöse Grundanlage für solche Dienstaufsichtsbeschwerden.
PS: das Bundesverfassungsgericht hat im Jahr 2016 entschieden dass Merkels Entscheidung im Jahr 2011 nach Fukushima kurzfristig 8 ältere AKW still zu legen zwar recht mäßig war ,den Betreibern dieser Kraftwerke aber eine Entschädigung zu steht
Peter,
warum so aggressiv. Ich weis auch, dass dieses Unterfangen aussichtslos wäre.
Es diente nur der Darstellung, dass die Agierenden offentsichtlich alles andere als den Volkeswillen verfolgen; Bitte lassen Sie uns konstuktiv streiten um die Player zu entlarven !
Carl Rembrand sagt.
PS: 4,35 Mrd. Euro bis 2038 sind nicht sehr viel , wenn man bedenkt dass die Föderung von EE von den „nicht privilegierten Endverbrauchern“ aktuell mit 24 Mrd. Euro im Jahr über die EEG-Unterlage gestützt wird.
@ Carl Rembrand.
Wenn Sie die … „Förderung“… der EE ansprechen, dafür werden gerade mal 42% gleich, 10,08 Mrd benötigt.
Siehe hier, die Grafik Zusammensetzung der EEG Umlage.
https://strom-report.de/eeg-umlage#eeg-umlage-auszahlung
Was da noch alles gefördert wird, oder wo da Geld irgendwo versandet, macht der Ex Chef vom Fraunhofer Institut im folgenden Video deutlich.
Herr Diehl die in der Rechnung aus dem Jahr 2014 in ihrem obigen link erwähnten Industrierabatte führen zwar zu einer etwas höheren EEG-Umlage für „nicht privilegierte Endverbraucher“, aber dadurch werden die Kosten für die Förderung von EE doch nicht niedriger als wenn man die Industrie stärker an den Kosten für die Förderung von EE beteiligen würde.
Diese weitgehende Befreiung der Großverbraucher aus der Industrie wurde auch schon mit der Einführung des EEG im Jahr 2000 von der damaligen Rot-Grünen Koalition unter Kanzler Schröder und Herrn Trittin als Umweltminister beschlossen , das räumt selbst Herr Weber in dem verlinkten Video aus dem Jahr 2014 ein.
Seit 2014 ist die EEG-Umlage auch nur noch unwesentlich gestiegen, und sie war im letzten Jahr mit 6,405 Cent/KWh nur um 0,165 Cent höher als im Jahr 2014, obwohl sich die Einspeisemengen seit 2014 um mehr als 50 % erhöht hatten ( https://www.netztransparenz.de/EEG/EEG-Umlagen-Uebersicht und https://www.erneuerbare-energien.de/EE/Redaktion/DE/Downloads/eeg-in-zahlen-pdf.pdf?__blob=publicationFile&v=12 )
PS : 4,35 Mrd. Euro bis 2038 sind pro Jahr nur knapp 230 Millionen Euro
Carl Rembrand sagt
Herr Diehl die in der Rechnung aus dem Jahr 2014 in ihrem obigen link erwähnten Industrierabatte führen zwar zu einer etwas höheren EEG-Umlage für „nicht privilegierte Endverbraucher“, aber dadurch werden die Kosten für die Förderung von EE doch nicht niedriger als wenn man die Industrie stärker an den Kosten für die Förderung von EE beteiligen würde.
@ Carl Rembrand.
Um die Industrierabatte geht es doch auch gar nicht , das sagt ja auch der Prof. im Video.
Es geht um die Tatsache, dass sich die Vergütungen gerade mal verdoppelt haben, während in dieser Zeit die Umlage sich verfünffacht hat.