Der 52-Gigawatt-Deckel für Photovoltaik muss weg – sofort!

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Die Modulpreise haben sich im vergangenen Monat über alle Technologien hinweg nur geringfügig verändert. Trotz einer zunehmenden Verknappung, insbesondere bei Modulen mit geringeren Leistungen, sind mit Ausnahme der Preise für All-Black-Module alle anderen Werte leicht gesunken. Als Folge der Sommerflaute könnte dieser Abwärtstrend noch viel größer ausfallen, doch der schlechte Euro-Wechselkurs wirkt diesem Trend entgegen. In Asien gefertigte und auf US-Dollarbasis gehandelte Produkte wären bei stabilen Preisen durch die Wechselkursverluste fast fünf Prozent teurer, als noch am Anfang des Jahres. Absolut gesehen kann man im Modulsektor also durchaus von leichten Preissenkungen über die Monate hinweg sprechen, nur haben wir diese hier in Europa bislang nicht mitbekommen. Lange wird diese Seitwärtsbewegung der Preise jedoch nicht mehr anhalten, denn der Markt belebt sich gerade wieder – sowohl in Deutschland als auch international.

Auf die überregionalen Ursachen und Tendenzen, die zu einer Jahresendrallye, dem damit verbundenen Modul- und Wechselrichterengpass und zu einer zwangsläufigen Verteuerung führen werden, hatte ich ja im letzten Marktkommentar bereits hingewiesen. Heute möchte ich mich auf den deutschen Markt fokussieren und aufzeigen, welche Konsequenzen ein unkluges Handeln – oder besser gesagt ein unterlassenes Handeln – der Bundesregierung für den weiteren, dringend benötigten Ausbau der Photovoltaik haben könnte. Wie der Titel schon vermuten lässt geht es mir hier um den im Erneuerbaren Energien Gesetz (EEG) immer noch verankerten 52-Gigawatt-Deckel. Nach Angaben der Bundesnetzagentur lag die Gesamtleistung der in Deutschland installierten Photovoltaikanlagen Ende Juni bereits bei knapp 48 Gigawatt. Rechnet man diese Leistung unter Berücksichtigung der aktuellen Zubaugeschwindigkeit hoch, so ist die Obergrenze für die nach dem EEG förderfähigen Photovoltaik-Anlagen bis 750 Kilowatt Leistung bereits im Sommer 2020 erreicht.

Viele gesellschaftliche Gruppen und Interessensverbände, wie beispielsweise der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar), fordern seit Monaten mit Verweis auf die immer niedrigeren Stromgestehungskosten und damit sinkenden Allgemeinkosten und Umlagen durch Photovoltaik sowie das drohende Verfehlen der Klimaziele von der Bundesregierung, den 52-Gigawatt-Deckel aus dem EEG zu streichen. Kürzlich wurde auch von Professor Volker Quaschning eine tolle Aktion ins Leben gerufen: Nicht ohne eine ordentliche Portion Humor sendete er Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier einen ausgedienten Klodeckel mit der Aufschrift „Der PV Deckel muss weg“. Quaschning, der sich übrigens auch bei den „Scientist for Future“ und den „Parents for Future“ im Rahmen der „Fridays for Future“-Bewegung engagiert, wird dabei von Hans-Josef Fell sprachgewaltig unterstützt und auch  Krannich Solar rief seine Freunde und Kunden zur Unterstützung der Aktion auf. Eigene Statements sollten verfasst und zusammen mit einem Firmenlogo an den Großhändler gesendet werden. Alle eingesendeten Logos wurden auf einen „Pappen-Deckel“ zu einer überdimensionalen Postkarte zusammengefügt, die mit allen individuell verfassten Begründungen zur Abschaffung der EEG-Deckelung an die Regierungsvertreter nach Berlin geschickt wurde.

Alle diese Aktivitäten zeigen langsam, sehr langsam Wirkung. Allerdings ist man sich innerhalb der Regierungskoalition über den einzuschlagenden Weg noch uneinig. Diese hatte sich ja bereits darauf verständigt, den Anteil der erneuerbaren Energien bis 2030 auf 65 Prozent zu erhöhen. Das wird aber ohne eine weitere Förderung von Photovoltaik-Anlagen nicht gehen, erklärte SPD-Politiker Timon Gremmels erst kürzlich pv magazine. Der Koalitionspartner CDU/CSU müsse seine Blockadehaltung beim 52-Gigawatt-Deckel endlich aufgeben. Derzeit laufen in den Gremien hitzige Debatten, wie es mit dem Ausbau von Photovoltaik und Windkraft weitergehen soll. Das Bundeswirtschaftsministerium hält sich dazu bislang noch bedeckt, doch der für die Energiewende zuständige Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium Andreas Feicht hat zumindest den Handlungsbedarf erkannt: „Wir müssen etwas tun!“. Wann jedoch den Worten auch Taten folgen, darüber kann momentan nur spekuliert werden.

Was die Beibehaltung des 52-Gigawatt-Deckels für Konsequenzen hätte, darüber spekuliert man auch bei der gemeinsamen Kabinettsitzung der Landesregierungen von Bayern und Baden-Württemberg, den beiden Photovoltaik-stärksten Ländern der Bundesrepublik. Die festgeschriebene Obergrenze, bei deren Erreichen die Förderung nach aktueller Gesetzeslage abrupt enden würde, wirke sich zunehmend negativ auf Investitionsentscheidungen in Photovoltaik-Anlagen aus. Nach dem Ende der gesetzlich verankerten Einspeisevergütung werde sich die Errichtung von Neuanlagen aus Gründen der Wirtschaftlichkeit nur noch auf die Deckung des Eigenbedarfs beschränken. Eine Vermarktung des Solarstroms über die Börse dürfte aufgrund des niedrigen Börsenstrompreises nicht mehr in Frage kommen. Auch die Vermarktung von Solarstrom an Energieversorger und direkte Kunden werde sich für die kleinteilige Struktur der Dachanlagen kaum rentieren. Der Markt für Dachanlagen würde demzufolge drastisch einbrechen. Der Deckel müsse deshalb schnell abgeschafft werden. Ein konkretes Vorgehen, um dies zu erreichen, benannten die Landespolitiker nach ihrem Treffen jedoch nicht.

Auch ich hatte in einem früheren Marktkommentar bereits bezweifelt, dass EEG-unabhängige Photovoltaik-Anlagen bei den aktuellen Energiemarkt-Strukturen und den vielen gesetzlichen Hürden auf bestehenden Gebäuden, vor allem auf kleineren Einheiten, tatsächlich wirtschaftlich sind. Ohne den Rückhalt einer staatlich garantierten Vergütung ist auch die Finanzierbarkeit mittlerer bis großer Anlagen kaum gegeben. Welche alternativen Sicherheiten können Finanzdienstleister von ihren gewerblichen Kunden erwarten beziehungsweise einfordern, die mit einer gesetzlich verankerten Einspeisezusage und -vergütung mithalten können?  Mir fallen da keine ein. Sollte die Beschränkung also nicht umgehend aufgehoben werden, droht uns ein Run auf die letzten noch geförderten vier Gigawatt  Ausbauleistung mit allen daraus resultierenden Negativeffekten: Torschlusspanik, weitere Beschleunigung des Zubaus bei knappen Ressourcen – Manpower und Material – damit Erhöhung der Preise und Verringerung der Qualität.

Ich kann daher nur alle Akteure innerhalb und außerhalb der Photovoltaik-Branche, die es mit der Energiewende und einem vehementen Vorgehen gegen den fortschreitenden Klimawandel ernst meinen, nachdrücklich dazu aufrufen, sich einer der zahlreichen Aktionen und Petitionen anzuschließen und ebenfalls zu fordern: Der 52-Gigawatt- Deckel für Photovoltaik muss weg!

— Der Autor Martin Schachinger ist studierter Elektroingenieur und seit über 20 Jahren im Bereich Photovoltaik und regenerative Energien aktiv. 2004 machte er sich selbständig und gründete die international bekannte Online-Handelsplattform pvXchange.com, über die Großhändler, Installateure und Servicefirmen neben Standardkomponenten auch Solarmodule und –wechselrichter beziehen können, welche nicht mehr hergestellt werden, aber für die Instandsetzung defekter Photovoltaik-Anlagen dringend benötigt werden. —

Die Blogbeiträge und Kommentare auf www.pv-magazine.de geben nicht zwangsläufig die Meinung und Haltung der Redaktion und der pv magazine group wieder. Unsere Webseite ist eine offene Plattform für den Austausch der Industrie und Politik. Wenn Sie auch in eigenen Beiträgen Kommentare einreichen wollen, schreiben Sie bitte an redaktion(at)pv-magazine.com.

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