Technologieneutrale Innovationsausschreibungen: Wird die Chance für wirklich Neues vergeben?

Agro-PV

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Technologieneutrale Innovationsausschreibungen – das klingt erst einmal vielversprechend. Es bleibt allein beim Begriff, der Erwartungen weckt. Was zu den Plänen für die Verordnung bisher aus den Mauern des Bundeswirtschaftsministeriums dringt, klingt eher nach Stagnation. Nach Informationen von pv magazine gibt es derzeit noch keinen konkreten Entwurf für eine Verordnung und auch der Zeitplan ist eher unklar. Dabei ist es nicht mehr so lang hin, dann für den Stichtag 2. September ist die erste Innovationsausschreibung mit einem Gesamtvolumen von 250 Megawatt terminiert.

„Im Rahmen der Innovationsausschreibung sollen neue Preisgestaltungsmechanismen und Ausschreibungsverfahren erprobt werden, die zu mehr Wettbewerb und mehr Netz- und Systemdienlichkeit führen“, erklärt eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums auf Anfrage von pv magazine. Es werde derzeit an dem Verordnungsentwurf gearbeitet, der anschließend noch in die Ressortabstimmung sowie in die Länder- und Verbändeanhörung geschickt wird. Weitere Details will das Ministerium zu diesem Zeitpunkt nicht nennen.

Wenn man sich in der Solar- und Erneuerbaren-Branche umhört, dann klingt doch eher Enttäuschung raus. Da es sich um technologieoffene Ausschreibungen handelt, sammelt der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) derzeit Ideen und entwickelt Vorschläge für die Politik.

Die Pläne des Ministeriums werden hinsichtlich einer besseren Integration erneuerbarer Energien in das Stromnetz oder dem Austesten neuer Modelle auch vom BEE als Rückschritt gewertet. So sei derzeit lediglich geplant, die in den Photovoltaik-Ausschreibungen vergebene Marktprämie zu fixieren. „Die im Energiesammelgesetz vorgeschlagene Erprobung einer fixen Marktprämie im Rahmen der Innovationsausschreibung ist kein innovatives Konzept“, erklärt BEE-Geschäftsführer Wolfram Axthelm.

Mehr Systemverantwortung

„Sie würde weder zu einer stärkeren Systemverantwortung der Erneuerbaren führen, noch die Innovationskraft der Erneuerbaren Energien-Branche freisetzen. Zudem wäre eine fixe Marktprämie keine günstige Maßnahme im Vergleich zur gleitenden Marktprämie“, so Axthelm weiter. Momentan ist es so, dass sich der Marktprämienanspruch aus der Differenz des gebotenen Wertes aus den Ausschreibungen und den am Markt zu erzielenden Erlösen ergibt. „Nur diese Differenz – die gleitende Marktprämie – wird aus dem EEG bezahlt. Steigt der Marktwert von Erneuerbaren Energien, so sinkt die gleitende Marktprämie und damit auch die Zahlung aus dem EEG. Bei einer fixen Marktprämie wäre dies nicht der Fall“, so der BEE-Geschäftsführer.

Auch Jochen Hauff von Baywa re tut sich schwer, der fixen Marktprämie etwas Positives abzugewinnen. „So ein Modell als ‚Innovation‘ zu beschreiben, wäre falsch. Es wäre – wenn das Modell so kommen sollte – ein Rückschritt und zugleich eine vertane Chance“, sagt er. Hauff würde sich wünschen, dass die Ausschreibung genutzt werde, um innovative Techniken für die Systemintegration und die Vermeidung von Flächenkonflikten zu testen. Diese sind unter Solar 2.0 und 3.0 in einem jüngst veröffentlichten Bericht von Solarpower Europe beschrieben worden. Darunter fallen Modelle, die Photovoltaik grundlastfähiger machen. Dabei gehe es primär darum, über eine technische Ausstattung und Hybridisierung der Anlagen – etwa mit Windkraft, Speicher und perspektivisch Power-to-X, den Solarstrom netzdienlicher einzuspeisen.

Genau solche Modelle wünscht sich auch der BEE und empfiehlt eine deutlich ambitionierter ausgestaltete Innovationsausschreibung, als es die derzeitigen Pläne der Politik vorsehen. „Wir haben das deutliche Anheben des Volumens der Innovationsausschreibungen im Energiesammelgesetz als Chance gesehen, um innovative Projekte im großtechnischen Maßstab voranzutreiben“, sagt Axthelm. Netz- und Systemdienlichkeit sollten das Kernelemente der Innnovationsausschreibung sein. Diese könnten von Erneuerbare-Energien-Systemen erreicht werden, etwa durch den Zusammenschluss von mehreren Technologien und deren Kombination mit Speichern sowie Sektorenkopplungsanwendungen. „Derartige Konzepte gehören daher in den Mittelpunkt von Innovationsausschreibung“, sagt Axthelm weiter.

Doppelte Nutzung von Flächen

Innovative Anlagen wie schwimmende Photovoltaik- oder Agrar-Photovoltaik-Anlagen zur doppelten Nutzung knapper Flächen wäre ebenfalls für die Energiewende notwendige Innovationen, die in den bisherigen Ausschreibungen nicht zum Zuge kommen, wie Hauff erklärt. Mit ihnen sind heute noch höhere Kosten verbunden, weshalb sie bei den technologiespezifischen Ausschreibungen bisher kaum zum Zug kommen.

Mit herkömmlichen Freiflächenanlagen sind solche Anlagen zwar meist teurer, bieten dafür aber anderer Stelle einen Mehrwert. Unter anderem ein Testprojekt des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE in Heggelbach zeigt, dass die bestehenden landwirtschaftlichen Flächen mit solchen Anlagen lohnend doppelt genutzt werden können. Die Mehrerträge pro Quadratmeter können dabei durchaus beachtlich sein – denn neben Solarstrom können auch Früchte oder Pflanzen unter den Anlagen angebaut werden.

Fraunhofer-ISE-Leiter Andreas Bett und der für Agro-Photovoltaik (APV) zuständige Mitarbeiter Stephan Schindele hätten sich gewünscht, dass zumindest ein kleines Kontingent der insgesamt vier Gigawatt Photovoltaik in den zusätzlichen Ausschreibungen bis 2021 für solche Projekte vorbehalten worden wären. „Die Innovationsausschreibungen wäre dazu geeignet, das Modell weiterzuentwickeln und zu kommerzialisieren“, sagt Schindele. „Wir wollten 60 Megawatt für die Agro-Photovoltaik-Anlagen, damit etwa 30 Äcker mit Agro-Photovoltaik entwickelt werden können, doch bisher gibt es nur Diskussionen zwischen den Bundesministerien für Landwirtschaft und Wirtschaft, ob eine APV-Kleinserie überhaupt als nächster Innovationsschritt unterstützt werden sollte.“ Damit bleibe Deutschland hinter anderen Ländern zurück. So haben etwa Frankreich, Korea, China, Japan und die USA bereits Fördersysteme für Agro-Photovoltaik-Anlagen verabschiedet, wie Schindele weiter erklärt.

„Angesichts der Mengen neuer Photovoltaik-Anlagen, die Deutschland im Zuge des Atom- und Kohleausstiegs in den kommenden Jahren braucht, werden Flächen die neue Währung sein“, wie Bett sagt. „Um im Sinne der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie den Anstieg der Siedlungsfläche auf 30 Hektar pro Tag zu begrenzen und gleichzeitig die Energiewende kostengünstig und mit Akzeptanz in der Bevölkerung umzusetzen, sollte ein möglichst hoher Anteil an landneutralen Photovoltaik-Kraftwerken entwickelt werden. Das ist mit Agro-Photovoltaik, Floating-Photovoltaik und Photovoltaik-Integration in bereits bebauter Umgebung wie Schallschutzwände oder Überdachungen möglich “, so der Fraunhofer-ISE-Direktor weiter. Das Freiburger Institut will daher eine Methode zur Ermittlung des Flächenwertes entwickeln. Auch um das Potenzial für die Technologieentwicklung der Photovoltaik weiter voranzubringen.

Fraunhofer ISE fordert APV-Kleinserien

Je nachdem, wie die Ergebnisse der APV-Kleinserien ausfallen, halten es die Wissenschaftler für die Agro-Photovoltaik auch für sinnvoll, dass gesonderte Auktionen mit einer Angebotspreisobergrenze in Höhe der Dacheinspeisevergütung für kleine Anlagen bis zehn Kilowatt mit einer Landnutzungsobergrenze von einem Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche je Bundesland durchgeführt werden.

Immerhin hat der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) unlängst in einer Debatte zugesagt, die Einbeziehung von Agro-Photovoltaik zu prüfen. Der Freistaat will das Kontingent von derzeit 30 Zuschlägen auf mindestens 600 Megawatt Photovoltaik-Ausschreibungsanlagen auf landwirtschaftlichen Flächen in benachteiligten Gebieten ausweiten. Noch vor den nächsten Photovoltaik-Ausschreibungen im Herbst soll die Verordnung entsprechend angepasst und in Kraft sein, verspricht Aiwanger.

Die Wissenschaftler des Fraunhofer-ISE halten es durchaus für sinnvoll, dass auf den von einigen Bundesländern freigegebenen landwirtschaftlichen Flächen in benachteiligten Gebieten mit Agro-Photovoltaik-Anlagen verknüpft werden. Neben Bayern haben mit Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland immerhin fünf Bundesländer von der Länderöffnungsklausel im EEG 2017 Gebrauch gemacht. Doch diese Verknüpfung mit Zuschlägen für Agro-Photovoltaik-Anlagen ist bisher in keiner Verordnung enthalten.

Vielleicht ist Bayern dann mit seinem eigenen Spielraum innovativer als das Bundeswirtschaftsministerium. Vielleicht lässt man sich aber auch in Berlin auch noch mal die eigene Wortkreation von technologieneutralen Innovationsausschreibungen auf der Zunge zergehen. Dann gibt es noch Hoffnung, dass nicht einfach nur wieder eine Chance für wirklich Neues vergeben wird.

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