Tübingen führt Solarpflicht ein – Tübingen will mit seinen neuen Vorschriften, dass sich möglichst viele Bürgerinnen und Bürger am Erreichen der Klimaschutzziele beteiligen.
Nicht dutzendemal, sondern hundertemal wurde ich in den letzten Jahrzehnten gefragt: „Warum werden bei Neubauten Solaranlagen nicht vorgeschrieben?“
Ja warum wohl? Ein grüner Bürgermeister in Kassel hat es mal mit einer solchen Vorschrift versucht. Er wurde von seiner hessischen Landesregierung ausgebremst mit der Begründung, eine solche Vorschrift sei „Ökodiktatur“.
In Bayern gibt es meines Wissens zwei kleine Kommunen, die solche sinnvollen Vorschriften für Neubaugebiete mit Erfolg erlassen haben. Jetzt aber ist Tübingen die erste größere deutsche Stadt, die mit ihrem grünen Oberbürgermeist Boris Palmer und der Mehrheit des Stadtrats beschlossen hat: Neubauten werden nur noch zusammen mit Solarstromanlagen genehmigt.
Architekten müssen also endlich lernen, wo Süden ist
Die bisherigen Ausreden der Kommunalpolitiker: Die Bauordnung lässt eine solche Vorschrift nicht zu, Denkmalschutz verbiete PV-Anlagen, Solarstrom sei zu teuer, eine PV-Vorschrift wäre „Ökodiktatur“ oder ähnlicher Unsinn. In Deutschland ist noch immer kein Argument zu doof, um nicht gegen die Energiewende ins Feld geführt zu werden.
Photovoltaik-Anlagen rechnen sich seit es das Erneuerbare-Energien-Gesetz im Jahr 2000 gibt. Viele Hausbesitzer und Energiegenossenschaften haben sogar ordentliches Geld damit verdient oder gespart.
Tübingen will mit seinen neuen Vorschriften, dass sich möglichst viele Bürgerinnen und Bürger am Erreichen der Klimaschutzziele beteiligen. Was das Problem von allen ist, muss auch von allen gelöst werden. Die Stadt am Neckar hat sich zum Ziel gesetzt, die CO2-Emissionen bis 2022 um ein Viertel zu senken – gemessen an 2014.
Windräder können in Städten nur in begrenzter Zahl aufgestellt werden, Wasserkraft ist in Tübingen ausgeschöpft und auch Bioenergie natürlich begrenzt. Also bleiben die Dächer und Fassaden für Solaranlagen. Hier liegt das größte bisher ungenutzte Potential.
Die Sonne scheint auf jedes Dach, kostenlos, umweltfreundlich und nahezu für alle Zeit. Aber der Preis für die Anlagen? Es ist ein nahezu unausrottbares Vorurteil der Ignoranten, dass Solarstrom zu teuer sei.
Preiswerte Sonnenenergie
Dabei ist in den meisten Ländern der Welt die Sonnenenergie bereits die preiswerteste Energiequelle und wird immer billiger. Eben weil die Sonne keine Rechnung schickt. Und sie hat so gut wie keine Folgekosten im Gegensatz zur alten, fossil-atomaren Energieversorgung. Die Stadtwerke Tübingen machen Hausbesitzern, die selbst nicht investieren wollen, ein Angebot: Die Dachflächen Anderen zur Verfügung zu stellen. Pachtmodelle sollen ermöglicht werden.
Die Stadtwerke Tübingen bieten auch an, die Anlagen selbst zu finanzieren und zu warten. Ein gutes Geschäft. Oberbürgermeister Palmer rechnet damit, dass seine Bürger mitmachen – schon des Preisvorteils wegen. Das Benutzen eines Elektroautos mit selbst erzeugtem Solarstrom macht den Ökostrom noch preiswerter. Er kostet höchstens ein Drittel dessen, was die Autofahrer bisher an der Tankstelle bezahlt haben.
Tübingen sollte jetzt überall werden. Es gibt keine Ausreden mehr.
— Der Autor Franz Alt ist Journalist, Buchautor und Fernsehmoderator. Er wurde bekannt durch das ARD-Magazin „Report“, das er bis 1992 leitete und moderierte. Bis 2003 leitete er die Zukunftsredaktion „Zeitsprung“ im SWR, seit 1997 das Magazin „Querdenker“ und ab 2000 das Magazin „Grenzenlos“ in 3sat. Die Erstveröffentlichung des Beitrags erfolgte auf www.sonnenseite.com. —
Die Blogbeiträge und Kommentare auf www.pv-magazine.de geben nicht zwangsläufig die Meinung und Haltung der Redaktion und der pv magazine group wieder. Unsere Webseite ist eine offene Plattform für den Austausch der Industrie und Politik. Wenn Sie auch in eigenen Beiträgen Kommentare einreichen wollen, schreiben Sie bitte an redaktion(at)pv-magazine.com.
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„Architekten müssen also endlich lernen, wo Süden ist“
Über diesen Satz bin ich beim lesen gestolpert und fast hingefallen.
Er klingt zwar gut ist aber nicht zutreffend weil:
– Er suggeriert das Architekten bisher die Verhinderer beim Thema PV-Anlagen waren. Architekten handeln im Auftrag des Bauherrn und dessen finanzielle Möglichkeiten geben die Richtung vor. In Deutschland liegt das durchschnittliche Immobilienkäuferalter bei 34 Jahren, oft mit Kindern, da fallen die Kosten für die PV Anlage oft hinten runter. Den die PV kann man immer nochmal nachrüsten. Ein Kinderzimmer muss hingegen sofort gebaut werden. Des weiteren haben Architekten schon immer vor dem Hintergrund des Licht- und Wärmeeintrages Wohnungen und Häuser zur Sonne ausgerichtet. Dies gibt seit Jahren die EnEV (Energieeinsparverordnung) vor
– Süden ist nicht der Allheilsbringer
Südausrichtung war zu Zeiten der Volleinspeisung angesagt. Jetzt ist Selbstverbrauch gefragt und da die Ost/West Ausrichtung zu bevorzugen.
– Man kann sich nicht immer die Himmelsrichtungen bei einer Immobilie aussuchen.
Wenn man die Zersiedelung vorantreiben möchte und immer neue Neubaugebiete ausschreibt, dann ist es in der Tat noch möglich die Ausrichtung des Neubaus optimal auf die Bedürfnisse der PV-Anlage abzustimmen.
Meines Erachtens ist viel wichtiger bestehende Immobilien in Ballungszentren zu sanieren und hier Lösungen für zum Teil nicht optimale Dachflächen zu suchen / anzubieten. Dies schon Ressourcen und beugt der Vergreisung von Wohngebieten in Stadtlagen vor.
Das Tübinger Modell ist sehr zu begrüßen und sollte anderen Kommunen Mut machen den selben Weg zu gehen. Hier jedoch pauschal die Architekten anzuprangern ist nicht redlich.
Übrigens dürfen auch andere Fachleute Bauanträge für Wohngebäude stellen: Bauingenieure, Bauhandwerkmeister und z.T. Bautechniker
Meines Erachtens liegt das Problem hauptsächlich an den allgemein hohen Baukosten welche in Deutschland üblich sind (Deutsche Bauherrn haben hohen Ansprüche an Qualität und Ausstattung).
Eine größere Rolle beim Thema PV sollten Elektriker und Heizungsbauer spielen um hier Aufklärung bei der unwissenden Bauherrschaft zu betreiben und über die Möglichkeiten und Vorteile der Sektorenkopplung zu informieren.
L. Ritzrau sagt:
Architekten müssen also endlich lernen, wo Süden ist“
Über diesen Satz bin ich beim lesen gestolpert und fast hingefallen.
Er klingt zwar gut ist aber nicht zutreffend weil:
– Er suggeriert das Architekten bisher die Verhinderer beim Thema PV-Anlagen waren. Architekten handeln im Auftrag des Bauherrn und dessen finanzielle Möglichkeiten geben die Richtung vor.
L. Ritzrau
Architekten sind aber auch Berater, machen Vorschläge für das was gegenwärtig der Trend ist.
Anfang 2000 galt noch das Süddach als Favorit, man hörte oft von Bauherrn die anderswo die Funktion einer PV Anlage bewunderten, darauf hätte mich mein Architekt auch hinweisen können, und wir hätten die Dachausrichtung anders gestaltet.
Heute ist mehr die Ost/West Ausrichtung gefragt, weil dadurch der Eigenverbrauch mehr genutzt werden kann. Auch ein Trend der den Architekten geläufiger sein sollte, als machen Bauherrn.
Bis dato haben einige Deutsche Städte den KlimaNotstand ausgerufen. Aber leider keine effizienten KlimaNotstandsmassnahmen beschlossen wie zB Aufdachphotovoltaikpflicht für alle geeigneten BESTANDSdächer, nur Neubauten reicht imho nicht um die Kipppunkt-Gefahr abzuwenden. Aufdach ist sinnvoller als PV-Freilandanlagen oder Windräder da Dach Flächen schon Bodenversiegelung sind. Freiflächen aufforsten ist viel sinnvoller da Bäume CO2 aufnehmen. Redoxflow-Stromspeicher ala Fraunhofer Institut Grötzingen sind imho auch sinnvoller als Lithium-basierte…