Auch Verbrenner fahren mit Strom!

Teilen

Einleitung – Was hat eine Heizung mit einem Auto zu tun?

Womit heizen Sie? Vielleicht mit Strom? Nein, natürlich nicht, werden Sie sagen. Wer heizt denn noch mit Strom? Sie heizen sicher mit Öl oder Gas oder Holzpellets oder mit Umweltwärme. Und doch… Egal, womit Sie heizen… auch Sie heizen mit Strom! Denn auch Ihre Heizung benötigt Strom, und davon nicht zu knapp. Denn jede Heizung braucht Strom für verschiedene Dinge: sei es die Steuerelektronik in der Heizung direkt (Grundverbrauch bzw. Standby-Verbrauch) oder in der Raumsteuerung, in den elektronischen Heizkörperventilen, in den elektrisch betriebenen Ventilen Ihrer Fußbodenheizung, für den Innen- und/oder Außenthermostat, die Kondensatpumpe, natürlich und in erster Linie für die Umwälzpumpen des Heizwassers oder der Solareinheit bis hin zum Gebläse in Ihrer Brennwerttherme, ohne die die Abgase nicht ins Freie gelangen würden. Selbst die Beleuchtung in Ihrem Heizungsraum gehört irgendwie dazu und der Not-Heizstab in der Wärmepumpe natürlich auch.

Ohne Strom, nix Heizung.

Nach einer Beratung in unserer Umwelt-AG über den Stromverbrauch von Umwälzpumpen wollte ich den Stromverbrauch unserer aktuellen Brennwerttherme ermitteln. Dabei handelt es sich um eine AuroCompact von Vaillant mit integrierter Solareinheit und Solarspeicher für die Brauchwassererwärmung. Dazu musste ich den Festanschluss der Heizung an die Stromversorgung kappen, mit einem Schukostecker verbinden und zwischen einer Steckdose und der Heizung noch ein Bluetooth-Messgerät mit Langzeitspeicher installieren, weil ich nicht nur den Gesamtverbrauch, sondern auch mehr über das Verbrauchsprofil in Erfahrung bringen wollte, also den Momentanverbrauch unter verschiedenen Betriebsbedingungen. Diese Auswertung brachte interessante Fakten zutage, u.a. einen sehr hohen Grund- bzw. Standby-Verbrauch von immerhin 7,5 Watt (365/7/24 = 65 kWh/a), der Leistungsaufnahme der Umwälzpumpe für das Heizungswasser (ca. 35 Watt) bis hin zur maximalen Leistungsaufnahme von knapp 115 Watt bei Vollbetrieb (Heizbetrieb inkl. Solareinspeisung aus den Vakuumkollektoren). Der prognostizierte Jahresstromverbrauch der kleinen Therme mit Hocheffizienzpumpen: mehr als 140 Kilowattstunden pro Jahr. Im Vergleich zum Jahresenergieverbrauch für Heizung und Warmwasser (ca. 6000 kWh, wir heizen mit Erdgas) recht wenig, im Vergleich zum Stromverbrauch unseres Hauses (ca. 1000 Kilowattstunden) aber sehr viel. Und das ist eine recht moderne und sparsame Heizanlage…wie viel Strom ziehen da alte Geräte mit völlig veralteten Pumpen und dem Ganzen Drum und Dran?

Und das geht noch weiter, denn noch viel mehr Strom wird verbraucht, um Ihren Energieträger (Öl, Gas oder Holz) zu Ihnen nach Hause zu bringen! Denken Sie nur mal an all die Pumpen, die Öl und Gas weltweit durch die Pipelines drücken… Vielleicht denken Sie jetzt: Was geht mich dieser Verbrauch an? Oder wie steht es mit dem Stromverbrauch, um überhaupt Strom nutzen zu können (Stichwort: Eigenverbrauch der Kraftwerke)? Es geht Sie und uns und mich etwas an, denn OHNE diesen Stromverbrauch könnten wir alle, Sie und ich, nicht heizen. Strom als Zusatzenergie wird fast immer und überall benötigt. Wer mit einer Wärmepumpe heizt, weiß am besten, wovon ich schreibe, denn ohne Strom geht da gar nichts.

Und dabei dachten Sie, Sie heizen mit Öl oder Gas.  

Jetzt aber: Von der Heizung zum Auto

Dieses Beispiel voranzustellen war wichtig, um aufzuzeigen, dass wir in vielen Fällen Primär- und weitere Energieträger benötigen, um „etwas zu tun“. Häufig wird in diesem Zusammenhang von „grauer Energie“ gesprochen. Schon wenn Sie nur ein Blatt Papier bedrucken wollen, benötigen Sie dazu nicht nur den Strom für Ihren PC, den Drucker und ggf. etwas Licht. Schon die Herstellung, der Transport, die Verpackung und auch der Verkauf des Papiers (Betrieb eines Geschäftes) benötigen Energie, zumeist in Form von Wärme (Prozesswärme und Heizenergie) und Strom (für Geräte, Beleuchtung und Verwaltung). Dieser Energieaufwand wird als „graue Energie“ bezeichnet und steckt also bereits im Produkt, bevor Sie dieses überhaupt benutzen (also das Papier in Ihren Drucker einlegen und auf „drucken“ klicken). Dieser „energetische Rucksack“ steckt nicht nur im Papier, sondern z.B. auch in jedem Solarmodul, jedem Wechselrichter, jedem Stück Kabel, jedem Stück der Unterkonstruktion. Eine Solaranlage oder Windkraftanlage ist also nur dann ökologisch sinnvoll, wenn sie während ihrer Lebensdauer mehr sauberen Strom erzeugt – und damit CO2 einspart – als für die Herstellung einst nötig war (denn die Herstellung erfolgt meist nicht mit CO2-freien Energieträgern). Viele Prozesse, z.B. die Betonherstellung, setzen sogar zusätzliches CO2 frei. All diese Emissionen müssen überkompensiert werden. Zum Glück wissen wir heute sehr genau, dass Solaranlagen und Windkraftanlagen dazu in der Lage sind. Und damit sind wir beim Elektroauto, auch dem wird nachgesagt, insgesamt weniger CO2 zu erzeugen, als ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor.

Zahlreiche Studien haben auch dies nachgewiesen und doch will das Elektroauto-Bashing nicht aufhören, werden fast jeden Tag neue Argumente veröffentlicht, die belegen wollen oder sollen, dass das mit der massenhaften Umstellung auf Elektrofahrzeuge einfach nicht geht oder nicht sinnvoll ist. Ein besonders beliebtes Argument dabei ist:

Es gibt nicht genug Strom für Elektroautos.

Bei flüchtiger Betrachtung ergibt die Fragestellung, die sich hinter dieser Behauptung verbirgt, durch aus auch Sinn: Elektroautos verbrauchen im Schnitt zwischen 15 und 20 Kilowattstunden Strom pro 100 km. Dieses hochgerechnet auf ca. 12.500 km pro Jahr und multipliziert mit ca. 41 Millionen ergibt irgendeine Summe an Kilowattstunden Strom, die benötigt werden. Haben wir dafür auch noch ausreichend Strom? Gehen bald alle Lichter aus, wenn Millionen an Elektroautos abends um 18 Uhr geladen werden? (Warum gehen eigentlich immer die Lichter aus und die Ladestation gar nicht erst an? …)

Halt, schon die Fragestellung ist falsch, denn anders als bei Öl oder Gas sprechen wir nicht von Vorräten, die wir anzapfen und die „da“ sein müssen, damit das überhaupt geht. Beim Strom sprechen wir eher über die Frage, ob wir ausreichend Strom zur rechten Zeit erzeugen können, um all diese Fahrzeuge laden zu können. Es ist also keine Frage der Menge, sondern eine Frage der tatsächlich zum Zeitpunkt X nachgefragten Erzeugungskapazität und des Energietransportes in einem europaweit vernetzten Verbundnetz.

Mal abgesehen davon, dass wir heute noch gar nicht wissen, ob wirklich alle Bestandsfahrzeuge mit Verbrennungsmotor 1:1 gegen Elektrofahrzeuge getauscht werden, oder ob wir nicht unserer Mobilität grundlegend überdenken, kann man Strom also nicht „haben“, sondern muss sich Gedanken machen, wie man ihn erzeugt, wenn er benötigt wird, und entsprechend verteilt. Und dabei geht es um Fragen der Erzeugungskapazität, des Stromaustausches und der Speicherung in Batterien, in Gas und/oder vielleicht mal in Norwegischen Pumpspeichern. Wir haben bislang den großen Fehler gemacht, die Energiewende nicht als solche zu betrachten (Stichwort: Sektorkopplung), wir müssen neu denken.

Aber zurück: Es bleibt die korrekte Frage nach der Stromversorgung von sicher bald Millionen von Elektrofahrzeugen weltweit. Betrachten wir die Frage ganz nüchtern und fragen uns zunächst:

Welche Betriebsstoffe benötigt ein Auto?

Lassen wir also für einen Moment die Produktion außen vor und überlegen uns, welche „Dinge“ braucht ein Auto, damit es fahren kann?

Beim Elektroauto ganz klar: Strom. Dabei unterscheiden wir zwischen dem Strom, der tatsächlich zum Fahren benötigt wird (inkl. Bordelektronik und Licht) und dem Strom bzw. der Energie, die für die Bereitstellung des Fahrstroms inkl. Ladung aufgewändet werden muss. Wind- und Solarkraftwerke benötigen so gut wie keinen Betriebsstrom (zumindest im Vergleich zur erzeugten Energie), auch Wasserkraftwerke und Biomassekraftwerke benötigen so gut wie keinen Betriebsstrom. Anders bei thermischen Kraftwerken (Öl, Gas, Kohle, Atom). Hier steigt der Betriebsstrom auf bis zu 10% der erzeugten Strommenge, u.a. für den stromintensiven Betrieb der Abgasnachbehandlung[1]. Dazu addieren sich Verluste im Stromnetz[2] von rund 6% der transportierten Strommenge (ein wichtiges Argument für möglichst regionale und lokale Stromerzeugung!). Insgesamt verbleibt die Menge an Betriebsstrom bei rund 15%. Daneben benötigt ein Elektrofahrzeug so gut wie nichts, d.h. kein Schmieröl, kein AdBlue, natürlich weder Benzin noch Diesel – und auch keine Tankstellen herkömmlicher Art – und auch die sonstigen Ersatzteile oder -stoffe, z.B. Bremsbeläge, halten sich in engen Grenzen (wer einen Prius fährt weiß, wie selten da Bremsbeläge oder Bremsscheiben getauscht werden müssen, bremst er doch elektrisch).

Beim Auto mit Verbrennungsmotor (und damit sind wir zurück bei der Heizung) sieht die Sache etwas anders aus, denn neben riesigen Mengen an Benzin oder Diesel (ca. 13.000 Liter in 15 Jahren) benötigt ein solches Fahrzeug noch Schmieröl (bis zu einem Liter je 1000 km) und (zumindest bei immer mehr Dieselfahrzeugen) das AdBlue zur Abgasnachbehandlung. Weiterhin Filter, Bremsbeläge und -scheiben, ab und an einen neuen Auspuff (wenn der alte durchgerostet ist) und ggf. auch mal einen neuen Partikelfilter. Die Liste hegt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie soll nur aufzeigen, dass ein Verbrenner deutlich mehr und unterschiedlichste Betriebsstoffe benötigt, als ein Strom-getriebenes Fahrzeug.

Wie wir nun oben gelernt haben bzw. uns daran erinnert haben, fallen diese Betriebsstoffe aber nicht vom Himmel oder wachsen an der Tankstelle. Treibstoffe, Öle, Zusatzstoffe und -teile sind Industrieprodukte, die zunächst auf der Basis von Rohstoffen innerhalb eines industriellen Prozesses hergestellt, gelagert, verpackt, transportiert und verkauft werden müssen. Hierzu sind zahlreiche Hilfs-, Zusatz und Antriebsstoffe nötig und dazu gehören ohne jeden Zweifel fossile Energieträger und Strom.

Beispiel AdBlue: Der Zusatzstoff wird für die Abgasnachbehandlung von Diesel-Motoren benötigt und eliminiert in Zusammenarbeit mit einem speziellen Katalysator giftige Stickoxide. AdBlue beinhaltet Harnstoff, doch dieser wird nicht in den Millionen Toiletten der Republik gewonnen, sondern durch ein anspruchsvolles Herstellungsverfahren auf der Basis von Erdgas. Unter Aufwändung von Energie wird daraus Harnstoff gewonnen (unter zusätzlicher Freisetzung von CO2 aus den chemischen Herstellungsprozessen). In Zahlen: Eine Tonne Harnstoff benötigt u.a. 85 bis 160 Kilowattstunden Strom und 0,9 bis 2,3 Tonnen Dampf[3]. Nach der Vermischung mit reinem Wasser muss das entstandenen Produkt dann abgefüllt (z.B. in 5 Liter Kanister aus Kunststoff…die vorher auch produziert und transportiert werden mussten), transportiert (an Tankstellen) und verkauft werden (auch im Online-Handel, was weitere LKW-Fahrten verursacht). AdBlue-Tankstationen für LKW, z.B. entlang der Autobahnen, werden per Transporter-LKW versorgt, was für zusätzlichen Treibstoffverbrauch sorgt. AdBlue ist also ganz sicher kein Naturprodukt, verschlingt Rohstoffe und Energie (weil nicht recyclebar) und setzt zusätzliches CO2 frei (Herstellung, Transport…). Da AdBlue bei -11,5 Grad zu gefrieren beginnt, muss gerade im Winter zusätzliche Energie zur Beibehaltung der Fließeigenschaften aufgewändet werden. Was lernen wir daraus:

Ein Elektroauto braucht kein AdBlue.
In einem Diesel-Fahrzeug verursacht der Einsatz von AdBlue zusätzlichen Energie- und Rohstoffverbrauch.

Beispiel Schmierstoffe: Schmieröle werden heute überwiegend auf Basis von Kohle erzeugt, auch andere Ausgangsstoffe sowie Rohöl werden verwendet. Der Herstellungsprozess ist aufwändig, benötigt Energie und setzt in Folge der chemischen Reaktionen bei der Herstellung auch viel Energie frei, die überwiegend „weggekühlt“ wird. Die entstandenen Produkte müssen abgefüllt, gelagert, transportiert und verkauft werden. Auch für Schmieröle werden Verpackungen benötigt (jede ATU-Filiale ist voll davon…), die natürlich auch erst hergestellt, bedruckt und transportiert werden müssen. Auch hier ist klar: Ohne den Einsatz von Rohstoffen und Energie gibt es kein Schmieröl zu kaufen, fährt kein Verbrenner.

Ein Elektroauto benötigt kein Motorschmieröl.
Der Bedarf an Schmieröl für einen Verbrennungsmotor verursacht zusätzlichen Energie- und Rohstoffverbräuche.

Bis hierher sollte klargeworden werden, dass große Mengen an Energie und Strom benötigt werden, um nur zwei der benötigten Antriebsstoffe (sekundäre Antriebsstoffe) eines Verbrenners zur Verfügung zu stellen. Vom Energieverbrauch, den der Konsument betreiben muss, um das Geld zu verdienen, diese Hilfsstoffe kaufen zu können, ganz zu schweigen.

Kommen wir nun aber zu den benötigten Kraftstoffen Benzin und Diesel, denn auch diese Hilfsstoffe, ich nenne sie primäre Antriebsstoffe, fallen weder vom Himmel, noch wachsen sie an der Tankstelle noch kommen sie einfach so aus dem Bohrloch. Benzin und Diesel sind ebenfalls hochindustrielle Produkte, die erzeugt/produziert, verarbeitet, gelagert und transportiert und verkauft werden müssen.

Beginnen wir unsere Betrachtung rückwärts, an der Tankstelle, denn hier beginnt die Entstehung der „grauen Energie“.

Jede Tankstelle ist beleuchtet, die Zapfsäulen benötigen für ihren Betrieb Strom, die Pumpen auch (Benzin und Diesel fließen nicht alleine in den Tank), der Tankstellenshop ist beleuchtet und klimatisiert, im Shop selber wird jede Menge Strom verbraucht (vom Kaffee bis zur Eistruhe) und auch die Kasse bis hin zum EC-Terminal benötigen Strom. Strom, der benötigt wird, um zu tanken. Nicht zum Fahren, nur zum Tanken. Rund 200.000 kWh pro Tankstelle[4]. Doch was ist vorher passiert?

Die fertigen Kraftstoffe müssen transportiert werden, von der Raffinerie zur Tankstelle. Dazu werden Pipelines, Tankzüge und Tanklaster benötigt, von denen jeden Tag hunderte, wenn nicht tausende deutschland- und europaweit unablässig unterwegs sind, um die flüssigen Treibstoffe im Land zu verteilen, von der Autobahn bis zur letzten Dorftankstelle.  Auch hierfür wird Energie und Strom benötigt: für den Betrieb des Lasters (von dessen Herstellung, über den Treibstoffverbrauch bis zum Recycling nach seinem Lebensende), für den Triebwagen der Züge (teilweise elektrisch betrieben) bis zu den Pumpen. Alles benötigt Energie und Strom.

Nun zur Herstellung der Treibstoffe. Aus dem Chemieunterricht der Schule erinnern Sie sich an den Begriff Cracking. Richtig. Denn durch verschiedene Crackingverfahren wird aus Rohöl Benzin und/oder Diesel. Hierzu wird vor allem Eines benötigt: Energie, vor allem Wärme und Strom. So muss u.a. das Rohöl auf über 400 Grad erhitzt werden, um die chemischen Prozesse auszulösen, an deren Ende Benzin und Diesel (und viele andere Stoffe) stehen. Ohne den Einsatz dieser Hilfsenergie kein Kraftstoff. Und auch Strom, denn die ganzen Flüssigkeiten wollen von hier nach da gepumpt werden. Es gilt Filter zu versorgen und Ventile, es gilt, die Anlage zu steuern und zu beleuchten usw. usw. Laut einer Anfrage des Department of Energy in den USA von 2009 werden in einer Raffinerie rund 1,585 Kilowattstunden Strom für die Erzeugung eines Liters an Kraftstoff benötigt (6 kWh je Liter)[5]. Sehr genau bestätigt wird diese Angabe durch die GEMNIS-Datenbank. Für den Durchschnittsverbrauch von 7 Litern auf 100 km kommen alleine an dieser Stelle mehr als 11 Kilowattstunden an Strom zusammen. Dies reicht aus, um mit einem Elektrofahrzeug 50-80 Kilometer weit zu fahren. Klingt verrückt, stimmt aber. Alleine der Stromverbrauch zur Herstellung der Kraftstoffe entspricht also schon einem nennenswerten Anteil des Stromverbrauches eines Elektroautos. Egal aber, wie hoch die Zahl ist, deutlich wird, dass wir auf keinen Fall ausschließlich mehr Strom zum Betrieb der Elektrofahrzeuge benötigen, weil ja gleichzeitig der Bedarf an Kraft- und Hilfsstoffen sowie deren Herstellungsenergie sinkt. Dies muss man ins Verhältnis setzen.

Der direkte Stromanteil der Kraftstoffproduktion beträgt 50% und mehr der benötigten Antriebsenergie eines Elektroautos.

Aber es ist noch nicht zu Ende, die Qual geht weiter, denn jede Raffinerie muss ja irgendwie an den Rohstoff Öl kommen, d.h. das Rohöl muss zur Raffinerie transportiert werden und das geht in Europa zumeist via Pipeline. Die Total-Raffinerie in Leuna wird z.B. mit Rohöl aus Russland versorgt[6]. Ein Beispiel: Die südeuropäische Pipeline, die von der Hafenanlage in Marseille in das Rhein-Neckar-Gebiet verläuft und div. Raffinerien mit Rohöl versorgt (769 km). Um das Rohöl über diese Strecke zu transportieren braucht es mächtige Pumpen mit Leistungsaufnahmen zwischen 1600 und 2200 kW sind nötig, insgesamt 34 Stück. Der Jahresstromverbrauch liegt bei 100 GWh[7].

Beispielrechnung: Der durchschnittliche Stromverbrauch eines Elektroautos liegt inkl. Ladeverlusten bei 17,5 kWh pro 100 km; bei 12.500 km pro Jahr also bei knapp 2200 kWh/a. 100 GWh entsprechen 100.000.000 Kilowattstunden. Dieser Stromverbrauch entspricht dem Verbrauch von mehr als 45.000 Elektrofahrzeugen. Und das ist nur eine Pipeline. Viele weitere durchziehen Europa, Asien, die ganze Welt. Der Stromverbrauch…enorm. Besser in dieser Betrachtung fällt das Urteil über Gas (Erdgas/Autogas) aus, denn es benötigt weit weniger Transportenergie und weit weniger Erzeugungsenergie.

Abschließend bleibt nur noch der Blick auf den Weg des Rohöls über die Weltmeere. Auch hierbei werden große Mengen Energie benötigt, um das „schwarze Gold“ vom Bohrloch zum Hafen zu pumpen und über die Weltmeere zu schippern. Durch die Verbrennung von Schweröl in den Schiffsdieseln werden große Mengen Schadstoffe ausgestoßen. Und während des Schiffstransfers muss das Rohöl laufend warmgehalten werden, weil es sich sonst nicht am Zielhafen löschen lässt. Auch dies frisst Energie.

Fazit: Es ist richtig, dass die im Öl gebundene Energiemenge im Verhältnis deutlich größer ist, als der Energieaufwand für seinen Transport, jedoch ist auch der Energiebedarf elektrischer Fahrzeuge deutlich geringer als der von Verbrennern.

Auch wenn eine solche Betrachtung lückenhaft bleiben muss, weil kaum exakte Daten vorliegen bzw. keine Daten genannt werden (die Total-Raffinerie in Leuna verweigert jede Aussage zum Energieaufwand der Kraftstoffproduktion!) kann davon ausgegangen werden, dass die Vorkette von Benzin und Diesel große Mengen an Energie im Allgemeinen und auch viel Strom im Speziellen benötigt. Mit den benutzten Mengen an Öl, Gas, Kohle und Strom, die man braucht, um Kraftstoffe herzustellen, diese direkt für die Erzeugung von „Autostrom“ zu nutzen und nicht erst als graue Energie in den Kraftstoffen zu „speichern“, um diese dann im Fahrzeug zu verbrennen. Mich beeindruckt vor allem der Stromverbrauch in den Raffinerien. Wenn die vorliegenden Zahlen auch nur halbwegs stimmen, sinkt der zusätzliche Strombedarf deutlich. Wenn auch noch die Effizienz im E-Auto (Motor, Akku, Ladetechnik) und auch ganz allgemein steigt (z.B. durch den verstärkten Einsatz von LED-Leuchtmitteln oder Hocheffizienzpumpen) und die Stromerzeugung mehr und mehr vor Ort stattfindet (und damit Transportverluste weiter minimiert werden), dann fällt das Argument, es gäbe nicht ausreichend Strom für Elektrofahrzeuge, vollendens in sich zusammen.

[1] https://www.energie-lexikon.info/eigenverbrauch.html

[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Übertragungsverlust

[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Harnstoff

[4] https://www.aral.de/de/retail/presse/pressemeldungen/pm2010_01_19_aral-weltweit-erste-led-tankstelle.html

[5] https://www.heise.de/forum/heise-online/News-Kommentare/Studie-Elektroautos-in-China-umweltschaedlicher-als-Benziner/Herstellung-von-Benzin-verbraucht-auch-viel-Strom/posting-7885096/show/

[6] http://www.total.de/ueber-total/profil-in-deutschland/raffinerie-mitteldeutschland.html

[7] https://de.wikipedia.org/wiki/Südeuropäische_Pipeline

— Der Autor Julian Affeldt ist Gründungsmitglied der Interessengemeinschaft Elektromobilität Berlin-Brandenburg. Darüber hinaus engagiert er sich in der Lokalen Agenda21 Kleinmachnow. Der 49-jährige ist im Hauptberuf Lehrer für Mathematik, Physik und Geowissenschaften. Nebenberuflich arbeitet er als Energieberater für den BUND. —-

Die Blogbeiträge und Kommentare auf www.pv-magazine.de geben nicht zwangsläufig die Meinung und Haltung der Redaktion und der pv magazine group wieder. Unsere Webseite ist eine offene Plattform für den Austausch der Industrie und Politik. Wenn Sie auch in eigenen Beiträgen Kommentare einreichen wollen, schreiben Sie bitte an redaktion(at)pv-magazine.com

Die Blogbeiträge und Kommentare auf www.pv-magazine.de geben nicht zwangsläufig die Meinung und Haltung der Redaktion und der pv magazine group wieder. Unsere Webseite ist eine offene Plattform für den Austausch der Industrie und Politik. Wenn Sie auch in eigenen Beiträgen Kommentare einreichen wollen, schreiben Sie bitte an redaktion@pv-magazine.com.

Dieser Inhalt ist urheberrechtlich geschützt und darf nicht kopiert werden. Wenn Sie mit uns kooperieren und Inhalte von uns teilweise nutzen wollen, nehmen Sie bitte Kontakt auf: redaktion@pv-magazine.com.