Solar-Bashing in der FAZ nicht durch Daten begründet

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Wer glaubte, das alte Jahr würde ruhig ausgehen, hat sich getäuscht. Am 30. Dezember titelte die FAZ „Solarstrom ist überteuert und ineffizient“. Zitiert wird das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln (IW). Das gab es in der Vergangenheit schon öfter. Das Institut ist nicht gerade als großer Anhänger der Solartechnik bekannt. So weit alles wie gehabt, der Kampf geht weiter, könnte man denken. Doch inzwischen hat sich einiges geändert. Das Institut hatte kein „Solar-Bashing“ vor, wie der Geschäftsführer Hubertus Bardt gegenüber pv magazine sagte. Die Zahlen der IW-Kurzstudie, auf die sich der FAZ-Artikel bezieht, geben die Aussage auch gar nicht her.

Die FAZ zitiert die Studie mit der Aussage „Nach Rechnung des IW kostet es 415 Euro, um durch EEG-geförderten Solarstrom die Emission einer Tonne CO2 zu verhindern“. Diese Kosten werden in Bezug gesetzt mit anderen CO2-Vermeidungskosten (Solarstrom ist danach am teuersten) und insbesondere mit dem Preis eines Zertifikats für eine Tonne CO2-Emissionen in Höhe von 7 Euro. Die Werte für den Solarstrom beziehen sich aber auf Vergangenheit, nicht auf die Gegenwart. Das IW hat die in 2016 vermiedenen CO2 Emissionen mit der Vergütung verrechnet, die für die existierenden Photovoltaik-Anlagen gezahlt wurden. Da sind auch die Anlagen aus der Boomphase dabei, mit einer Vergütung zwischen 20 und 50 Cent pro Kilowattstunde. Selbst wenn man nur die Sinnhaftigkeit der Maßnahmen der Vergangenheit diskutieren will, führt es in die Irre, diese Zahlen zu zitieren. So muss man auch berücksichtigen, wie sinnvoll die Förderung für die Technologieförderung und die Markteinführung war. Das sieht im übrigen auch IW-Chef Bardt so.

An CO2-Vermeidung sogar noch verdienen
In die Zukunft blickt die FAZ überhaupt nicht. Um die Lenkungswirkung heutiger Maßnahmen zu diskutieren, muss man heutige Vermeidungskosten betrachten, zusätzlich zu anderen langfristigen Zielen. Nach den Annahmen des IW ist die Kilowattstunde Solarstrom nicht mit CO2-Emissionen behaftet und ersetzt eine Kilowattstunde Netzstrom. Den CO2-Fußabdruck der Herstellung von Solarmodulen vernachlässigt das Institut (CO2 Fußabdruck Solarmodule, siehe Report der IEA Seite 11). Die durch Solarstrom ersetzte Kilowattstunde Netzstrom hat nach vom Umweltbundesamt hochgerechneten Daten 2016 rund 530 Gramm CO2 verursacht. Bei Photovoltaik-Stromgestehungskosten zwischen 5 und 12 Cent kostet es zwischen 30 und 160 Euro pro vermiedener Tonne CO2, wenn man einen mittleren Börsenstrompreis von 3 Cent pro Kilowattstunde zugrunde legt.

Man kann noch viel positiver rechnen: Der Börsenstrompreis ist nur wegen der vielen Solarstromanlagen so niedrig. Nimmt man den Wert von 6,6 Cent pro Kilowattstunde an, das ist der Börsenstrompreis „Grundlast“ in 2008 als Solaranlagen die Stromkosten noch nicht gesenkt hatten, kann man mit Solarstrom sogar 30 Euro pro vermiedener Tonne CO2 verdienen. Hier wird es zugegebenermaßen schwierig, die ganzen Effekte richtig zu verrechnen.

Mit Zertifikaten CO2 reduzieren?
Das gilt genauso für den Preis der CO2-Zertifikate und den Effekt des Zertifikathandels. Diese sind ja vor allem wegen des Überangebots an Zertifikaten so niedrig. Würde man angesichts der CO2-Reduktionsziele die Zertifikate verknappen, würde der Preis der Zertifikate steigen. Es ist also eine Illusion zu glauben, über den Kauf von Zertifikaten könne man die Reduktionsziele mit 7 Euro pro Tonne CO2 billig erreichen. Nicht umsonst sehen manche Experten erst bei Preisen ab 70 Euro pro Tonne CO2, oder sogar noch mehr, die Chance, die Energiewende über Zertifikate zu finanzieren.

Auf einen Preis, den der Zertifikatspreis bei einer Verknappung erreichen könne, will sich Hubertus Bardt nicht festlegen. Die Frage ist sowieso, wie die Verknappung bewerkstelligt werden kann. Bardt sieht die Schwierigkeiten vor allem darin, dass die Industrie innerhalb der EU durch eine Verknappung Wettbewerbsnachteile gegenüber Unternehmen außerhalb der EU befürchtet. Um das zu verhindern gibt es eine Art Ausnahmeregelung, doch die Belastbarkeit dieser werde angezweifelt. Greifen diese nicht, führe das außerdem dazu, dass Güter eingeführt statt innerhalb der EU produziert, die eventuell eine noch viel schlechtere CO2-Bilanz aufweisen. Dem Klima würde das zunächst wenig nutzen.

Zu einer Verknappung kommt es allerdings, so Bardt, wenn mehr Autofahrer auf  Elektroautos umsteigen. Benzin unterliegt derzeit anders als der Strom nicht dem Emissionshandel. Wird also Benzin mit Strom ersetzt, der teilweise aus konventionellen Kraftwerken stammt, wird ein Teil der Zertifikate für den Verkehr benötigt. Noch besser ist die Klimawirkung der Elektroautos natürlich, wenn sie auch noch mit Solar- oder Windstrom geladen werden.

Auch Bardt sieht, dass die Herausforderung der Photovoltaik heute nicht mehr primär bei den Kosten liege, sondern in der Netzintegration. In der Vergangenheit war für ihn Photovoltaik mit hohen Kosten assoziiert,  die in der EEG-Umlage noch „mitgeschleppt“ werden. Heute sieht er die Herausforderung vor allem in der Frage, wie der Strom dann zur Verfügung gestellt werden kann, wenn er gebraucht wird.

Wie das bewerkstelligt werden kann zeigen bereits diverse Studien auf, etwa die des Fraunhofer ISE (siehe hier) und von der Technischen Universität Lappeenranta (siehe hier und hier). Kurz zusammengefasst: Es geht, einfach ist es nicht, langfristig aber auch nicht teurer als das heutige Energiesystem, vielleicht sogar viel billiger. Wenn man an diese Ergebnisse nicht glaubt, muss man sich mit diesen Arbeiten auseinandersetzen, nicht mit einer Rechnung mit Daten aus der Vergangenheit.

So kompliziert die Zusammenhänge sind, auf Basis der vorliegenden Daten wie die FAZ zu titeln, Solarstrom sei zu teuer und ineffizient, ist schlicht falsch. Zu fragen ist, wie es immer wieder geschehen kann, dass die Aussagen des Insituts bei einigen Rezipienten, die Photovoltaik negativ gegenüber eingestellt sind, in einen falschen  Zusammenhang gerückt werden. Denn das gab es auch schon früher. (Michael Fuhs)

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