Einfach nur schade

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Solarworld ist in Deutschland zu einem Symbol geworden. Für die einen als der letzte noch bestehende Modulhersteller von Weltgeltung aus Deutschland. Für die anderen als das Unternehmen, das die Einfuhrzölle und Mindestpreise initiiert und daher zu verantworten hat, die Solarenergie teurer machen und den Zubau gebremst haben. Für manche auch für beides. Viele aus beiden Lagern sagen zu der Insolvenz trotzdem einfach nur „schade“. Unabhängig davon, wie man zu der Diskussion steht – die Lage dürfte ziemlich aussichtslos gewesen sein, zumindest in der Struktur als integrierter Zell- und Modulhersteller.

In den letzten Jahren wurde viel über Dumping gestritten, darüber, ob in China wirklich günstiger produziert werden kann, ob unabhängig von der Antwort auf diese Fragen Mindestpreise ein adäquates Mittel sind, ob eine klügere Unternehmensstrategie und Fokussierung auf Nischenmärkte besser gewesen wäre. Für Außenstehende ist es kaum möglich, eindeutige Antworten auf diese Fragen zu finden, so rechthaberisch sie sich auch geben, die alles besser gewusst haben. Es geht um Kostenstrukturen,  Lieferverträge und dem Druck der Gläubiger, dem Solarworld ja auch ausgesetzt war, die Details sind meist sehr vertraulich.

Im letzten halben Jahr waren die Zölle kein so großes Thema mehr, da sie praktisch bedeutungslos geworden sind. Es gibt mittlerweile so viele Fabriken außerhalb Chinas, die den Weltmarkt beliefern, dass sich die Preise auch ohne in China produzierte Module im Sinkflug befanden. „Bei Installateuren und EPCs ist ein deutliches Aufatmen zu bemerken“, fassten wir die pv magazine-Umfrage vom Oktober 2016 zusammen. Der deutsche Markt erholt sich seitdem zumindest leicht.

Dass Solarworld jetzt Insolvenz anmelden muss, wozu der weiter anhaltende Preisdruck zumindest beigetragen haben dürfte, ist die andere Seite der Medaille. Hätte es eine Alternative gegeben? Einfuhren aus sämtlichen asiatischen Länder mit dem hohen Einfuhrzoll zu belegen, ist jedenfalls nicht realistisch.

Die Diskussion von gestern

Und überhaupt, das Dumping. Die Aussagen zum Dumping werden von beiden Seiten seit Jahren wiederholt. Die Pro-Dumping-Seite hat immer wieder über billige Kreditlinien gesprochen und darüber, dass auch die sonstigen Kosten künstlich niedrig gehalten würden. Echte Belege dafür sind nie veröffentlicht oder zumindest zur Ansicht gestellt worden. Die EU überzeugte es trotzdem immer wieder, wobei die rechtlichen Voraussetzungen, mit denen die Strafmaßnahmen begründet werden, sehr umstritten sind (siehe zum Beispiel die Entscheidung zur Verlängerung im Dezember 2015). Die andere Seite hat immer wieder betont, dass es keinen Beleg für Dumping gibt und dass es natürlich sei, dass die Skaleneffekte der großen Fabriken in China es erlauben, günstiger zu produzieren als hierzulande. Aber auch die Analysten haben zugegeben, dass sie nicht sagen können, ob die günstigen Produktionskosten, die sie aus den Bilanzen der chinesischen Hersteller herausdestillieren, Subventionen enthalten oder nicht.

Letztes Jahr gab es zum ersten Mal öffentliches Material. Das Marktforschungsinstitut IHS hat Produktionskosten in verschiedenen Regionen untersucht. Die Studie wurde zwar von Safe bezahlt, der Organisation, die sich den Kampf gegen die Zölle auf die Fahnen geschrieben hat. Hinter den Aussagen stehen aber die renommierten Marktforscher mit ihrer Reputation. Sie bestätigten, durch Skaleneffekte, Optimierung der Wertschöpfungskette und Standardisierung können chinesische Hersteller 22 Prozent günstiger produzieren als Hersteller im Rest der Welt. Modulproduktion halten sie, stand November 2016, übrigens durchaus für machbar in Deutschland. Besonders unter Druck stehe die Zellproduktion.

Auch wenn Dumping in den Jahren nach 2008 zum großen Wachstum beigetragen haben mag, was nach dem Eindruck von pv magazine die überwiegende Mehrheit auch ohne die Belege für plausibel hält, haben es chinesische Hersteller inzwischen also überhaupt nicht mehr nötig. Dank des Fortschritts bei Technologie und Produktion ist Solarenergie günstig genug.

Bitterkeit bleibt

Auch für die Bitterkeit in Teilen der deutschen Solarbranche gibt es keine Lösung. Aus Sicht der Modulhersteller, die das Feld räumen mussten, haben die Downstream-Firmen die Solidarität aufgekündigt, weil sie sie nicht unterstützt haben, mit Zöllen ihr Geschäftsmodell gegen aus ihrer Sicht unfaire Bedingungen zu schützen. 2011 und 2012 haben chinesische Hersteller jede Kürzung der Einspeisevergütung mit sinkenden Preisen wettgemacht.

Aus Sicht der Downstream-Firmen, von denen auch viele insolvent gegangen sind, war Solarworld für ihren Niedergang verantwortlich. Erst hat die Diskussion um die Importzölle Ende 2012 und Anfang 2013 dazu geführt, dass schnell Ware verkauft wurde und Preise unter 40 Cent pro Wattpeak gefallen sind. Im März 2013 hat die EU die Registrierungspflicht eingeführt, die Preise stiegen und wurden im Dezember 2013 auf 56 Cent pro Wattpeak festgefroren (siehe „Tipp für 2017“, Martin Schachinger, pv magazine November 2016). Dazu sank die Einspeisevergütung weiter, so dass Photovoltaik immer weniger rentabler wurde. Das wäre bei der Politik zwar sowieso der Fall gewesen. Doch zusammen mit dem Mindestpreis konnten viele Firmen nicht mehr durchhalten. Auch das ist, um in den gleichen Worten zu bleiben, schade.

Eine Lösung hätte es damals im Übrigen gegeben: eine andere Politik, die der europäischen Solarbranche einen starken Heimatmarkt erhält. Denn zu glauben, dass Deutschland den Weltmarkt beliefert und gleichzeitig dem Solarzubau in Merkels Worten eine Atempause verordnet, ist ja mehr als naiv. In China wurde letztes Jahr übrigens das 25fache dessen zugebaut, was zwischen Bodensee und Nordsee auf die Dächer und ins Feld kam.

Und nun?

Wie es weitergeht, ist noch nicht klar. Solarworld ist eine starke Marke und es ist durchaus möglich, dass sie uns erhalten bleibt, mit welcher Produktion auch immer, und wem auch immer das Unternehmen dann gehört. Andere Beispiele zeigen, dass das möglich ist. Die  Conergy-Fabrik in Frankfurt/Oder wurde von Astronergy übernommen. CS Wismar ist aus der Centrosolar-Fertigung entstanden, Solarwatt hat sich als Systemanbieter aufgestellt, fertigt aber immer noch Solarmodule, und Q-Cells gehört nun zu Hanwha. Bleibt zu hoffen, dass es zu einer Befreiung führt, nicht den Kampf um Zölle führen zu müssen, sondern nach vorne schauen zu können.

 

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