So günstig wird’s

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Benedikt Ortmann ist zwar nicht von dem Preisrückgang selbst überrascht, aber darüber, wie heftig er kam. „Über Nacht wurden in China die Ausbauziele reduziert, und die Kapazitäten chinesischer Hersteller standen ohne Auslastung da, auch die Fabriken, die in Malaysia oder auf den Philippinen stehen“, begründet der Geschäftsführer von Baywa r.e. Solar Projects die Entwicklung in der jüngsten Vergangenheit. Die Preissenkungen bei den Solarmodulen seien dabei auch schon im Markt angekommen, vor allem bei Großanlagen. „Im Projektgeschäft gab es jetzt auch schon Module für 37 Cent pro Watt“, so Ortmann. Der Preisrutsch beträgt damit innerhalb weniger Monate mehr als 20 Prozent.

Mit den sinkenden Kosten steigt die Attraktivität der Photovoltaik weiter. Dies gilt für große Anlagen in Deutschland genauso wie für Anlagen weltweit. „Der Markt ist oft schlauer als ein Ministerium, wenn es um die Einschätzung von künftigen Preis- und Kostenentwicklungen geht“, hatte Corinna Kleesmann von Ecofys bereits im Spätsommer zur Entwicklung der Ausschreibungspreise in Deutschland gesagt. In der Tat sieht es nun so aus, dass die Projektierer, die auf deutlich sinkende Modulpreise spekuliert haben, die großen Gewinner sind.

Und das sind nicht wenige. Bis Mitte Oktober waren von den 122 Zuschlägen für Ausschreibungsprojekte gerade einmal 21 Förderberechtigungen bei der Bundesnetzagentur abgerufen worden. 120 der 650 Megawatt ausgeschriebenen Leistung waren damit erst realisiert. Der Modulpreisverfall hat dabei erhebliche Auswirkungen auf die Renditen der Projekte (siehe Grafik 1). Selbst bei den Zuschlagswerten von weniger als 8,00 Cent pro Kilowattstunde, die in den April- und Augustrunden in diesem Jahr erzielt wurden, liegen die Renditen nun wieder um die sieben Prozent. Dabei ist auch noch Zeit, und ein Ende des Modulpreisrückgangs zeichnet sich nicht ab.

„Sie haben die Wette gewonnen“, sagt Ortmann mit Blick auf die „Spekulanten“ in Deutschland, wie er sie bezeichnet. Es sei jetzt davon auszugehen, dass diese in Zukunft „weiterhin ähnlich spekulativ wetten werden“.

Zuschlagswert sinkt auf 6,55 Cent bis Ende 2018

pv magazine hat Alexander Gerlach und Chris Werner gebeten, eine mögliche weitere Entwicklung der durchschnittlichen Zuschlagswerte bei den Ausschreibungen in Deutschland zu ermitteln. Nach ihren Annahmen werden sich bis Ende 2018 die Preise um etwa 1,5 Prozent pro Runde bis auf 6,55 Cent pro Kilowattstunde reduzieren (siehe Grafik 2).

Ortmann will sich wegen der spekulativen Preise und geringen Volumen nicht an Ausschreibungen in Deutschland beteiligen. Sein Blick schweift eher in den Süden des Kontinents. „Mit Modulpreisen in dieser Größenordnung erreiche ich in südeuropäischen Ländern Netzparität, und zwar nicht in Bezug auf die Großhandelspreise, sondern in Bezug auf die Gestehungskosten“, sagt er. „Wir können einem Gas-, einem Kohle- oder Atomkraftwerk die Stirn bieten.“ Baywa r.e. hat konkrete Planungen für ein 176-Megawatt-Projekt in Spanien vorgestellt. Dabei will der deutsche Projektierer bei einem vereinbarten Stromlieferpreis von 3,8 Eurocent pro Kilowattstunde eine Rendite von 6,5 Prozent – über 25 Jahre gerechnet – erzielen. Baywa r.e. rechnet bei dem Projekt mit Errichtungskosten von 700 Euro pro Watt und Betriebskosten von 18 Euro pro Kilowattpeak jährlich.

Für die Umsetzung notwendig seien lediglich ein Stromabnahmevertrag mit einem Energieversorger mit einer Mindestlaufzeit von zehn Jahren und vor allem klare gesetzliche Weichenstellungen. Mit Blick auf das enorme Potenzial, das Ortmann und Karl-Heinz-Remmers, Vorstandschef der Solarpraxis Neue Energiewelt, für solche Anlagen überall in Südeuropa sehen, haben sie sich mit sehr konkreten Forderungen an die EU gewandt (siehe Kasten).

„Es wäre ein großartiges Wirtschaftsbelebungsprogramm für all diese Länder“, sagt Ortmann. Er hat dabei neben Spanien auch Italien, Bulgarien, Griechenland und die Balkanstaaten im Blick. Dort gebe es einerseits erhebliche Solarpotenziale für die kostengünstige Deckung des eigenen Energiebedarfs. Andererseits verfügten sie durch ihre EU-Mitgliedschaft über eine harte Währung sowie ein rechtlich, politisch und wirtschaftlich stabiles Umfeld, sagt Ortmann.

Der jetzige Preisrutsch zeige, was alles möglich ist. „Solarstrom wird der am günstigsten produzierte Strom“, so Ortmann weiter, „und dann erreichen wir möglicherweise eine andere Marktphase, die vollkommen außerhalb von Einspeisevergütungen und Ausschreibungen sein wird.“

Rekordgebote in Dubai und Abu Dhabi

Dies gilt allerdings nicht nur für Europa. Auch in vielen anderen Regionen der Erde gibt es mittlerweile Ausschreibungen für Photovoltaikanlagen. Dabei sorgen immer wieder neue Niedrigpreisgebote für Aufsehen. Ein Beispiel dafür sind die Auktionen in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Im Juni erhielt das Masdar-Konsortium den Zuschlag für ein 800-Megawatt-Projekt zu 2,99 US-Dollarcent pro Kilowattstunde. Bis 2020 soll der Solarpark „Mohammed bin Rashid Al Maktoum“ in Dubai über ein IPP-Modell realisiert werden.

Im Herbst folgten dann noch niedrigere Gebote bei der Ausschreibung der Elektrizitäts- und Wasserbehörde Abu Dhabi. Der chinesische Modulhersteller Jinko Solar und der japanische Konzern Marubeni haben ein gemeinsames Gebot von 2,42 US-Dollarcent pro Kilowattstunde für ein Kraftwerk mit mindestens 350 Megawatt abgegeben. In dieser Runde gab es weitere rekordverdächtig niedrige Gebote von andere Bietern. Allerdings sind dabei noch nicht alle Parameter genau veröffentlicht. Auch die Zuschläge hat die Behörde in Abu Dhabi bislang noch nicht erteilt. (Michael Fuhs, Sandra Enkhardt)

— Kasten: Fünf Forderungen an die EU —

Angesichts der sinkenden Kosten für Photovoltaik wachsen deren wirtschaftliche Chancen gerade in Südeuropa enorm. Aus diesem Grund stellen Karl-Heinz Remmers, Vorstandschef von Solarpraxis Neue Energiewelt, und Benedikt Ortmann, Geschäftsführer von Baywa r.e. Solar Projects, folgende fünf Forderungen an die EU, um das Potenzial nutzen zu können:

Schafft Leitungskapazitäten in den Süden: Statt Stromautobahnen in die Nordsee brauchen wir Leitungen in den Süden, um den – viel billigeren – Solarstrom von dort zu beziehen.

Schafft Klarheit im Durchleitungsdschungel: Klare Regeln für die paneuropäische Durchleitung von Strom, denen Länderregulierungen sich nicht entziehen können, müssen her.

Schafft klare Regulierungen im Netz: Es muss möglich sein, Strom zum Beispiel in Griechenland zu produzieren und ihn in Holland an einen Tulpenzüchter zu verkaufen – auf Basis frei verhandelbarer Verträge. In vielen Ländern der EU sind solche Verträge schlicht unmöglich.

Schafft klare Marktbedingungen im Solarmarkt: Die überbordenden Importzölle für Solarmodule aus China müssen zugunsten eines günstigen Stromangebots in Europa fallen. Derzeit hindert die EU sich aktiv selbst daran, die südeuropäischen Länder zu entwickeln, weil sie durch die Zölle den Solarstrom in ihren eigenen Ländern künstlich verteuert.

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Die Experten für die Berechnungen: Alexander Gerlach ist seit mehr als sieben Jahren im Bereich der erneuerbaren Energien tätig. Zuletzt war er als Expert Specialist für den Photovoltaikhersteller Hanwha Q-Cells für den Bereich Global Market Intelligence verantwortlich. Bereits seit 2009 veröffentlicht er wissenschaftliche Publikationen auf Konferenzen und in Fachzeitschriften. Seit vier Jahren trägt er Marktdaten und Prognosen zur International Technology Roadmap PV (ITR PV) bei. Sie können ihn per Mail unter alexander.gerlach@burof.de erreichen.

Chris Werner berät Unternehmen der Energiebranche zu Produkt-, Markt- und Geschäftsstrategien. Dabei stehen neben den erneuerbaren Energien und Energiespeichern auch neue Versorgungskonzepte wie Mieterstrom im Fokus. Zusätzlich ist Chris Werner auch in der Marktanalyse aktiv und untersucht Energie- und Solarmärkte. Zuvor war er mehrere Jahre für Q-Cells tätig und verantwortete danach als Head of Sales den Vertrieb für Hanergy in Deutschland und Osteuropa. Chris Werner ist regelmäßiger Autor von Publikationen zur Entwicklung von weltweiten Energie- und Solarmärkten und unter chris.werner@cw-energyconsulting.de erreichbar.

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