Preisrutsch wird wieder aufgeholt

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Die Wertschöpfungskette ist wie eine Feder. Drückt man den Preis beim fertigen Modul, sinken die Margen bei sämtlichen Produktionsschritten. Das lässt sich auch derzeit beobachten. Die große Frage ist, ob die Feder zurückschnellen wird und die Preise wieder steigen. Und natürlich der Dauerbrenner: Ist das alles nur Dumping?

„Bei der Zellproduktion sind die Margen jetzt fast auf null Cent gesunken“, sagt Henning Wicht, Senior Director Consulting bei IHS (Grafik 1). Im Januar lagen sie noch bei rund fünf Cent. Bei Modulen sieht es etwas besser aus. Dort sind die Margen von rund acht auf ein Cent gefallen. Das sind allerdings Mittelwerte. Einige Hersteller können günstiger produzieren. „Insbesondere haben Tier-1-Hersteller in der Regel Kostenvorteile“, sagt Wicht.

Im Frühjahr hat IHS die Produktionskosten für eine Studie im Auftrag von Safe analysiert, der Vereinigung, die sich gegen die Importzölle auf chinesische Module und Zellen einsetzt und gegen den Mindestpreis. Das Ergebnis kurzgefasst: Chinesische Tier-1-Hersteller können 22 Prozent günstiger produzieren als die japanischen und europäischen Wettbewerber, hieß es damals. Grundsätzlich gilt das immer noch, auch wenn sich die Zahlen leicht geändert haben dürften.

IHS hat für die Studie die Kosten von 9 der 20 Produzenten betrachtet, die nach der Definition der Analysten Tier-1-Hersteller sind. Zu diesen Photovoltaikherstellern gehören demnach diejenigen, die ihren Industriezweig über einige Jahre mit anführen, auch bei der Bankability, und die beim Endkunden anerkannt sind. Darunter fallen in der Studie in der Gruppe Europa und Japan die Hersteller Solarworld, Kyocera und Sharp. In der Gruppe der chinesischen Hersteller analysierte IHS Trina Solar, Canadian Solar, JA Solar und Jinko Solar. Als dritte Vergleichsgruppe haben die Analysten REC und Hanwha Q-Cells herangezogen, die sie mit ihren Produktionen in Malaysia und Singapur als nichtchinesische asiatische Hersteller einordnen.

Nach der Studie lagen die Produktionskosten für die betrachteten vier chinesischen Photovoltaikhersteller bei 39 Eurocent pro Watt (44 US-Dollarcent) im ersten Quartal 2016. Darin sind allerdings keine Kosten für Entwicklung und Vertrieb, keine Gemeinkosten und Gewinnmargen berücksichtigt.

Produktionskosten drastisch gesunken

„Alle Hersteller haben in den vergangenen vier Jahren ihre Produktionskosten drastisch gesenkt“, sagt Henning Wicht, die Gruppe der europäischen und japanischen Hersteller sogar noch stärker als die chinesischen. Das liege auch daran, dass Sharp die Produktion ausgelagert habe. Nähme man Sharp heraus, sei die Kostensenkung bei der Europa-Japan-Gruppe vermutlich ähnlich wie bei den chinesischen Herstellern.

Während die chinesischen Photovoltaikhersteller für die besagten 44 US-Dollarcent pro Wattpeak produzieren können, liegen die anderen asiatischen, also Hanwha Q-Cells und REC, mit 49 US-Dollarcent (44 Eurocent) etwas darüber. Die europäischen und japanischen Module kosten in der Produktion demnach 57 US-Dollarcent (51 Eurocent). Wenn man sich aktuelle Verkaufspreise ansieht, die teilweise sogar unter 40 Cent pro Watt liegen und im Mittel laut IHS bei 36 Eurocent, wird klar, dass viele Unternehmen derzeit nicht wirtschaftlich arbeiten können.

Es gibt bereits erste Meldungen, dass die Preise wieder leicht steigen. Auf der PV Taiwan berichteten Branchenexperten gegenüber pv magazine, dass Zellen jetzt schon wieder einige Cent teurer verkauft würden und bei 21 bis 22 Dollarcent liegen, nach einem Tiefpunkt, der bei manchen Herstellern bei sogar bei 18 bis 19 Dollarcent lag. Allerdings sei es im Prinzip bei einzelnen Herstellern möglich, dass sie für 16 Dollarcent pro Watt produzieren.

Doch trotz der fehlenden Margen rechnen die IHS-Analysten nicht damit, dass die Preise dauerhaft wieder steigen. Es würden zwar schon Fabriken heruntergefahren. Es sei aber auch bereits bekannt, dass nächstes Jahr neue Fabriken gebaut oder erweitert werden. „Das hält sich ungefähr die Waage“, sagt Karl Melkonyan, Senior Analyst Solar Research bei den Marktforschern. Eine Konsolidierung von derzeit über 100 auf vielleicht 20 bis 30 Hersteller könne durchaus positive Folgen haben, da die verbleibenden Hersteller dann stärker wachsen und Skaleneffekte nutzen könnten, auch wenn unklar ist, ob und wann es so weit sein wird. Dazu kommt, dass neue Anlagen in der Regel günstiger produzieren als alte. „Wir gehen davon aus, dass die Hersteller den Preisrutsch Ende 2017 mit den Produktionskosten wieder aufgeholt haben“, sagt Wicht. Langfristig werden die Preise nur nach unten gehen, so die IHS-Analysten. Auch 2017, wenn auch nicht so stark wie diesen Sommer.

Bei dieser Situation fällt es nicht schwer, sich vorzustellen, dass auch europäische Hersteller ein Problem haben. Es stellt sich daher wieder die Frage, wie viel des Preisrutsches in Asien Dumping ist. Teilweise dürfte das zunächst eine Begriffsfrage sein. Dass Hersteller kurzfristig unter Kosten verkaufen, ist an sich nicht unverständlich, wenn sie beispielsweise Lager räumen oder Fabriken auslasten wollen. Gleiches gilt, wenn sie in manchen Segmenten unter Kosten, in anderen Segmenten über Kosten verkaufen. Wenn jemand unter den 40 Cent verkauft, hält etwa Benedikt Ortmann, Geschäftsführer von Baywa r.e. Solar Projects und aktiv bei Safe, das kurzfristig für akzeptabel. Das gelte ebenso, wenn ein Hersteller in bestimmten Segmenten günstiger verkauft. „Das sind übliche Mischkalkulationen“, sagt Ortmann.

Andererseits sagt Bloomberg-Analystin Jenny Chase: „Es sieht für mich so aus, dass Module gedumpt werden.“ Sie bezieht sich damit darauf, dass Projektierer den nächsten Preisrutsch oft schon antizipieren und selbst dann, wenn man Preise von 35 bis 40 Dollarcent in den Raum wirft, erklären, sie würden sie noch günstiger bekommen.

Auswirkungen auf europäische Hersteller

Doch wie sieht es langfristig für Europa aus? Henning Wicht hält eine Modulproduktion für 42 bis 43 Eurocent pro Watt in Europa für durchaus machbar. „Problematisch ist vor allem die Zellproduktion“, sagt er. Davon ist vor allem Solarworld betroffen. Der Hersteller würde vermutlich deutlich besser fahren, wenn er die Zellen einkaufen würde. Das gilt nach Bloomberg-Analysen übrigens auch für viele Hersteller anderswo. Im Mittel zahlen nach den jetzigen Entwicklungen danach vertikal integrierte Hersteller drauf, wenn sie die Zellen nicht einkaufen, sondern selbst herstellen.

Im zweiten Quartalsbericht 2016 hat Solarworld übrigens bereits geschrieben, dass nach den „guten Erfahrungen mit OEM-Fertigung bei Canadian in Thailand“ jetzt auch ein US-Hersteller in Europa für Solarworld fertige. Das sei Teil der Wachstumsstrategie.

Ein anderer Punkt dürfte allerdings auch auf Europa zutreffen. Prinzipiell ist es günstiger, mit neuen Anlagen zu produzieren, so die IHS-Analysten. Das gilt für asiatische Hersteller gleichermaßen. Nur: In Europa sind Anlagen vielleicht modernisiert worden, sie stammen jedoch fast alle aus der Zeit vor dem Markteinbruch vor vier Jahren.

Subventionen kein Grund für die Kostenunterschiede

Schon bei der Vorstellung der IHS-Studie im April stellte sich die Frage, inwiefern man sicher sein kann, dass in den Daten, auf die auch die Marktforscher bei der Analyse der Produktionskosten angewiesen sind, keine Subventionen versteckt sind. Die genaue Kostenanalyse legt IHS nicht offen auf den Tisch. „Solche Analysen sind unser täglich Brot“, sagt Henning Wicht. „Wir haben 20 Analysten, wir schauen die Quartalsergebnisse an, wir führen Gespräche, und wir haben einen Datensatz, der bis 2008 zurückreicht.“ Auf die Frage, ob man sich auf Basis dieser Erhebungen ganz sicher sein könne, dass die niedrigeren Kosten nicht durch in den Bilanzen versteckte Subventionen begründet werden können, antwortet Wicht: „Ich glaube, dass das Thema Subvention nicht den entscheidenden Unterschied macht.“ „Unsere Analyse zeigt, dass betriebswirtschaftliche Faktoren, wie Skalenvorteile, eine Low-Cost-Supply-Chain und Produktstandardisierung im Jahr 2015 rund 20 Prozent Kostenvorteil für die chinesischen Hersteller generiert haben“, sagt er.

Damit bezieht er sich auch auf das Argument, nur durch günstige (subventionierte) Kredite seien chinesische Hersteller in der Lage gewesen, ihre Produktion stark auszubauen und die Europäer abzuhängen. „Ich habe keine konkreten Zahlen, wer welche Kredite bekommen hat“, sagt Wicht, der die Finanzierungskosten in der Studie explizit nicht betrachtet hat. Doch es gebe eben andere Gründe für die Kostenunterschiede. Diesen Schluss ziehe auch das US-Forschungsinstitut NREL.

Gründe für die Kostendifferenz

Henning Wicht kommt zu dieser Einschätzung, weil er die Faktoren betrachtet hat, die die Produktionskosten maßgeblich beeinflussen. „Wir sind breit und offen gestartet und hatten fünf Faktoren, die die Produktionskosten nach unten treiben“, sagt Wicht. „Übrig geblieben sind drei.“ Die Automatisierung und die Auslastung spielten bei der Differenzierung keine Rolle.

Der wichtigste Faktor, der die Kostendifferenz begründe, sei der Skaleneffekt. Die mittlere Fabrikgröße war Anfang des Jahres in China 1.430 Megawatt groß (mit Maximalgrößen bis 3.200 Megawatt). In der Gruppe der Europäer und Japaner ist die Fabrik im Mittel 355 Megawatt groß, die größte hat Solarworld mit 650 Megawatt. „Das sind Unterschiede von einem Faktor fünf“, sagt Wicht. „Sie kennen es aus dem täglichen Leben. Sie kaufen zwei Hemden und bekommen drei. Genauso ist es bei den Modulen.“ Durch die Skaleneffekte kommen die Analysten auf einen Kostenvorteil von geschätzt elf Prozent (Grafik 2). NREL kommt laut Wicht auf ähnliche Zahlen.

In den Skaleneffekten zeige sich eine unterschiedliche Philosophie, so Wicht. In Europa haben die Hersteller versucht, viel aus der Technologie herauszukitzeln, während den Chinesen das letzte Prozent Wirkungsgrad in der Volumenproduktion nicht entscheidend sei. Die US-Amerikaner hätten noch einmal eine andere Strategie gefahren und viel in Start-ups investiert. Das Risiko bei der chinesischen Strategie sei, dass die großen Fabriken hinterher nicht ausgelastet sind. Doch die Auslastung liege bei den betrachteten Tier-1-Herstellern mit um die 88 Prozent ähnlich hoch wie bei den europäischen und japanischen Konkurrenten. Wie hoch das Risiko gewesen sei, zeige sich unter anderem darin, dass einige chinesische Hersteller auch gescheitert seien. Im Übrigen seien die Tier-2-Hersteller schlechter ausgelastet.

Henning Wichts Schlussfolgerung: „Ich finde extrem schade, dass das deutsche Solarvalley nicht mehr das ist von 2009“, sagt er. Das liege nicht daran, dass die chinesischen Photovoltaikhersteller besser seien, sondern daran, dass sie ein Risiko eingegangen seien und sich ihre Strategie ausgezahlt habe.

Der zweite Grund, warum die chinesischen Hersteller günstiger produzieren könnten, ist mit dem ersten Grund zwar verknüpft, lohnt aber eine extra Betrachtung. Chinesische Unternehmen hätten als erste lokale, niedrigpreisigere Lieferanten gesucht. Auch hier hätten die chinesischen Unternehmer eine andere Strategie gehabt, nämlich nicht versucht, den Mercedes zu produzieren, sondern möglichst günstig zu sein. Daher seien Materialien für große chinesische Hersteller rund 30 Prozent günstiger.

Der dritte Grund liegt laut IHS darin, dass asiatische Unternehmen frühzeitig begonnen haben, sich auf das Standardprodukt multikristalline Module mit 60 Zellen zu fokussieren. Während bei japanischen und westlichen Produzenten solche Standardprodukte nur 65 Prozent der Produktion ausmachten, liege deren Anteil bei den chinesischen bei 81 Prozent. Das hat natürlich wiederum Rückwirkungen auf die Skalierung, die bei höherer Standardisierung einfacher ist.

EU-Prosun-Präsident und Solarworlds Konzernsprecher Milan Nitzschke hat im April übrigens mit einer Art Umarmung der Studie reagiert. Er begrüße die IHS-Studie. Das ist nicht ganz zu verstehen, denn er sieht so gut wie jeden Punkt anders als Henning Wicht. Für ihn bildet nach wie vor der günstige Zugang zu Kapital den wichtigsten Punkt, und er bestreitet die Wirksamkeit der von Henning Wicht benannten drei Faktoren.

Liste der Top-Ten-Hersteller wird sich verändern

Henning Wicht schätzt es im Übrigen so ein, dass die Industrielandschaft nicht in Stein gemeißelt ist. So sei die vertikale Integration, dass Hersteller also alles vom Wafer bis zum Modul unter einem Dach produzieren, in einem frühen Stadium der Industrie sinnvoll. Das könne sich aber ändern. „In reiferen Industrien kommt die Spezialisierung“, sagt Wicht. „Wir sehen das zum Beispiel im Display-Geschäft.“ Splittet man die Produktion auf, könnten wiederum Skaleneffekte eintreten, die Kosten und der Kapitalbedarf sinken.

Da der Solarmarkt weiterhin kontinuierlich wachsen werde, sei er für Investoren interessant. „Wir glauben, dass neue Geschäftsmodelle entstehen werden und sich die Liste der Top-Ten-Hersteller verändern wird wie schon in den letzten zehn Jahren“, so die Studie. Und gerade die in pv magazine veröffentlichte Analyse der Projektmodulkosten zeige, dass es im Prinzip ja durchaus möglich sei, außerhalb von Asien günstig zu produzieren. Bezüglich des Photovoltaik-Handelsstreits will IHS übrigens neutral bleiben. (Michael Fuhs)

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