Solarstrom in Kunststoff gespeichert

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Polymere, pH-neutrales Salzwasser und eine einfache Größenauschluss-Membran in einer Redox-Flow-Batterie zu kombinieren war im Jahr 2011 völlig neu, erklärt Ulrich Schubert. Das Unternehmen Jenabatteries, das der Professor der Universität Jena und Erfinder der Technologie mitgegründet hat, will mit diesem neuen Ansatz nicht nur preislich neue Maßstäbe setzen. Die sogenannte Polymer-Redox-Flow-Batterie soll zudem auch zu einer „grünen und nachhaltigen Alternative“ zu anderen stationären Speichersystemen werden. Denn die Batterie kommt ohne giftige Schwermetalle oder ätzende Säuren aus. Das erleichtert Handhabung und Entsorgung.

Und auch die Beschaffung der nötigen Rohstoffe fällt Schubert zufolge nicht zulasten der Umwelt. Lebenszyklusanalysen zeigten, dass der ökologische Fußabdruck von organischen Polymeren deutlich kleiner ist als der von Lithium, Vanadium oder Blei.

Heute besitzt die neue Speichertechnologie bereits Patentschutz in Europa und Singapur. In weiteren 20 Ländern ist das Patent eingereicht. Jenabatteries beschäftigt mittlerweile sieben Mitarbeiter und hat 2016 den ersten Prototyp fertiggestellt. Finanziert wurde die Entwicklung durch Seed-Investoren, Business-Angels und die Gründer. Zusätzlich wurde das Unternehmen massiv durch öffentliche Fördermittel des Freistaats Thüringen gefördert. In einer Kooperation mit der Friedrich-Schiller-Universität Jena werden auch deren Labore genutzt. Die Ernst-Abbe-Stiftung errichtete 2015 außerdem ein separates Stockwerk im Neubau des Zentrums für Energie- und Umweltchemie Jena (CEEC Jena), das weitgehend von Jenabatteries gemietet wurde.

Von Folien zu gelösten Kunststoffen

Die Ursprünge der Polymer-Redox-Flow-Batterie reichen bis in das Jahr 2009 zurück. Damals forschte Schubert mit Kollegen an druckbaren Batterien. Hier sollten Tintenstrahl- oder Siebdrucker verschiedene Polymerschichten auf Folien übereinanderbringen. Das Endprodukt sollte quasi eine stromspeichernde Folie sein, die zum Beispiel für aktive RFID-Tags verwendet werden könnte.

Während der Forschung experimentierten die Wissenschaftler aber auch mit wasserlöslichen Polymeren. Das brachte sie auf die Idee, Energie in gelösten Kunststoffen zu speichern. „In einem typischen Freitagnachmittag-Experiment haben wir dann ausprobiert, wasserlösliche Kunststoffe in ein Redox-Flow-System einzubringen und dieses mit Strom zu be- und entladen“, berichtet Schubert. Es funktionierte. Sie entwickelten den Ansatz weiter und gründeten im Jahr 2012 die Firma Jenabatteries, um die Technologie Schritt für Schritt an den Markt heranzuführen.

Große Moleküle, billige Membran

Es stellte sich heraus, dass das Polymerkonzept einige Kostenvorteile mit sich bringt. Einer rührt daher, dass es sich bei den sogenannten Redox-Polymeren, im Gegensatz zu Vanadium oder anderen Schwermetallen, um relativ große Moleküle handelt. „Für unser System ist daher keine teure Spezialmembran nötig, wie dies bei herkömmlichen Redox-Flow-Batterien meistens der Fall ist“, sagt Schubert. Eine einfache Filtrationsmembran, wie man sie aus der Wasseraufbereitung oder der Dialyse kennt, reiche aus. „Diese kostet ungefähr ein Zehntel des Preises einer Membran, wie man sie zum Beispiel in Vanadiumsystemen benötigt.“

Ein weiterer Vorteil sind die potenziell deutlich geringeren Kosten für den Elektrolyten selbst. Schon heute seien die verwendeten Polymerkunststoffe relativ günstig herzustellen, sagt Schubert. „Kunststoffe haben aber perspektivisch einen zentralen Vorteil. Sie werden günstiger, wenn man große Mengen davon produziert.“ Bei Schwermetallen könne je nach Verfügbarkeit der Rohstoffe auch das Gegenteil der Fall sein. „Die ausgeprägte Chemieindustrie in Deutschland kann die für die Polymerbatterie benötigten Kunststoffe ohne Probleme in großen Mengen herstellen. Wir haben also nicht nur eine Idee gehabt, die funktioniert, sondern zufällig auch noch ein günstiges Umfeld, in dem wir das Produkt schnell weiterentwickeln können“, sagt Schubert.

Dass in der Flowbatterie von Jenabatteries keine ätzenden Säuren verwendet werden, trägt ebenfalls zu einem tendenziell günstigeren Systempreis bei, weil keine Spezialpumpen oder -leitungen verwendet werden müssen, sondern handelsübliche Ölpumpen ausreichen.

Günstige Speicher auf Lithium-Ionen-Basis inklusive der nötigen Elektronik könne man heute für rund 1.000 Euro pro Kilowattstunde Speicherkapazität kaufen, sagt Schubert. „Wir wollen die Polymer-Redox-Flow-Batterie bis 2019 auf unter 500 Euro pro Kilowattstunde bringen, inklusive der Wechselrichter und Steuerungselektronik. Bei einer Laufzeit von 20 Jahren wäre sie dann bei einem Preis von ungefähr fünf Eurocent pro gespeicherter Kilowattstunde Strom.“ Dann hätte sich eine Batterie auch ohne Förderung nach ungefähr fünf oder sechs Jahren amortisiert.

Stückzahlen müssen steigen

Noch erreicht Jenabatteries dieses Preisniveau jedoch nicht. Der Preis hänge stark von der produzierten Menge ab, sagt Schubert. „Der Stack, also die Leistungselektronik, ist heute noch zu teuer, weil die Stückzahlen zu klein sind.“ Ähnliches gelte für die Polymere. Wenn Jenabatteries aber einmal hohe Stückzahlen von etwa zehn Megawattstunden pro Jahr oder mehr erreicht, könnten die 500 Euro pro Kilowattstunde auch noch deutlich unterboten werden, ist sich der Wissenschaftler sicher. Das hänge aber auch von der Größe des jeweiligen Speichers ab. Denn je größer der Speicher, desto besser sei das Preis-Leistungs-Verhältnis.

Die für Lithiumbatterien sinnvolle Messgröße der C-Rate habe bei Redox-Flow-Batterien weniger Aussagekraft, sagt Schubert. Bei Lithiumbatterien werde die C-Rate maßgeblich durch die Qualität der Batteriezelle bestimmt, bei Redox-Flow-Batterien sei sie hingegen prinzipiell frei wählbar. „Wir planen zunächst eine standardmäßige Auslegung mit zehn Kilowatt Leistung und 40 Kilowattstunden Kapazität. Damit ist eine Entladung in vier Stunden möglich. Das entspricht formal einer C-Rate von 0,25. Wenn wir die Kapazität bei gleicher Leistung erhöhen, zum Beispiel auf ein Verhältnis von 10 Kilowatt bei 100 Kilowattstunden, wäre die C-Rate 0,1. Wenn man aber die Leistung der Stacks erhöht, dass zum Beispiel ein Verhältnis von 40 Kilowatt zu 40 Kilowattstunden erreicht wird, dann betrüge die C-Rate 1 und die Batterie könnte in einer Stunde geladen werden.“ Da der Stack aber noch relativ teuer ist, werden Redox-Flow-Batterien mit einer im Vergleich zur Kapazität hohen Leistung auch insgesamt teurer.

Lithium keine Konkurrenz

Dass Lithium-Ionen-Batterien und Polymer-Redox-Flow-Batterien sich in Zukunft gegenseitig Marktanteile streitig machen, hält Schubert für unwahrscheinlich. „Lithium kommt zum Einsatz, wenn kurzfristig hohe Leistungen benötigt werden. Redox-Flow-Batterien eignen sich hingegen eher für die Verschiebung größerer Energiemengen über längere Zeiträume.“ Daher gebe es zwar Schnittmengen, zum Beispiel bei Heimspeichern für Solarstrom (siehe auch Interview auf Seite 12), es gebe aber auch andere Anwendungen, bei denen eine der beiden Technologien klar im Vorteil ist.

Bei der Frequenzregulierung im Stromnetz sei zum Beispiel Lithium die bessere Technik, bei netzfernen Anwendungen in heißen Regionen spiele die Flowbatterie ihre Stärken aus. „Bei Außentemperaturen von mehr als 40 Grad Celsius müsste man für Lithiumbatterien viel zu viel Energie für die Kühlung verschenken“, meint Schubert. Die Polymer-Redox-Flow-Batterie könne hingegen auch ohne Kühlung bei Temperaturen bis 60 oder 70 Grad Celsius betrieben werden. Wenn also zum Beispiel Dieselgeneratoren ersetzt werden sollen, die Handymasten in Indien oder Brasilien mit Strom versorgen, gebe es keine Konkurrenz durch andere Batteriesysteme.

Schubert ist eher der Ansicht, dass sich Lithium- und Redox-Flow-Batterien gut ergänzen können. In Kombination könnte die Flowbatterie günstig die Kilowattstunden speichern und die Lithiumbatterie bei Bedarf kurzfristig hohe Leistung liefern. „Außerdem braucht eine Redox-Flow-Batterie im Offgrid-Betrieb für Kaltstarts eine zweite Batterie, die das System wieder hochfahren kann, zum Beispiel nach einer Wartung. Dafür ist eine Lithiumbatterie gut geeignet.“ Auch in der Power-to-Gas-Technologie sieht Schubert eher einen Partner als einen Konkurrenten. Erstens sei die Technologie heute noch zu teuer, zweitens auch weniger für dezentrale Anwendungen geeignet. „Perfekt wäre es aber, wenn wir in Zukunft mittels Power-to-Gas die von uns benötigten Polymere CO2 -neutral herstellen könnten, also aus erneuerbarem Synthesegas anstatt aus Öl.“ In der Übergangszeit biete es sich aber auch an, die deutsche Braunkohle als Kohlenstoffquelle zu nutzen.

Ab 2018 am Markt

Durch den Einstieg von langfristigen strategischen Investoren werden die nächsten Schritte zur Serienfertigung nun ohne weitere Finanzierungsrunden durch Finanzinvestoren angegangen, sagt Schubert. Bis zum Markteinstieg will Jenabatteries aber noch einige Weiterentwicklungen an den Redox-Polymeren und den Stacks realisieren. Unter anderem sollen die Viskositäten der Redox-Polymere reduziert und die Stacks im Hinblick auf die spätere industrielle Massenproduktion weiterentwickelt werden. Im Laufe des nächsten Jahres soll dann die erste Kleinserie produziert werden, Ende 2017 der erste Großspeicher mit der neuen Technologie fertig sein. Ab 2018 will Jenabatteries den Markt mit den ersten kommerziellen Batterien beliefern.

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