Innovation wird Realität

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Eine Vision wird real. Zu Zeiten des ersten pv magazine Schwerpunkts zu Innovationen im September 2014 galt die Regelenergievermarktung mit Heimspeichersystemen als heißes Thema, um die Energiewende voranzubringen und Kohlekraftwerke, die bisher einen großen Teil der Regelleistung erbracht haben, weiter zu ersetzen. Doch seitdem hingen die Geschäftsmodelle mit Heimspeichern, die auf der Vermarktung von Regelleistung beruhen, in der Luft, da die Präqualifizierung fehlte.

Auf dem Markt tut sich jetzt etwas, und zwar in der Königsklasse, der Primärregelenergie. Zunächst in der Schweiz, doch mit einem großen Knall Anfang September auch in Deutschland. Für 12. September (nach Redaktionsschluss) hat Sonnen eine groß angelegte Veranstaltung in Kempten angekündigt, auf der das Unternehmen den Rollout eines Produkts für Kunden in Deutschland verkünden wird, bei dem die Batteriespeicher Primärregelenergie erbringen sollen. „Alle reden davon, aber wir machen jetzt ernst“, so Sonnen-Geschäftsführer Philipp Schröder. Die Primärregelleistung bringt im Vergleich zu den anderen Regelenergiearten pro gehandelter Kilowattstunde die meisten Erlöse. Für die Kunden ergibt das nach Einschätzung von Philipp Schröder ein Potenzial von rund 460 Euro im Jahr.

Präqualifizierung in der Schweiz

Das zentrale Thema bei der Erbringung von Regelenergie war bisher die Präqualifizierung. Den ersten Erfolg hatte Sonnen damit in der Schweiz. Dort betreibt Swisscom Energy Solutions, zur Hälfte eine Tochter des Telekommunikationsunternehmens Swisscom, einen Pool von 6.500 Wärmepumpen und Nachtspeicherheizungen und erbringt damit Primärregelleistung beim Übertragungsnetzbetreiber Swissgrid. Im Juni hatte das Unternehmen gemeldet, dass es nun auch Sonnenbatterien einbindet. „Unser System ist von Swissgrid dazu präqualifiziert worden“, sagt CEO Frédéric Gastaldo.

Um die Präqualifizierung zu erreichen, nutzt Sonnen von Swisscom Energy Solutions entwickelte Steuereinheiten. Mit diesen lassen sich die Geräte an den Pool, an das virtuelle Kraftwerk, anschließen. Durch die IT-Plattform lassen sie sich nutzen wie ein entsprechend großes reales Kraftwerk.

Führt man sich die Aufgabe vor Augen, ist sie, allein was die Datenaufnahme und Verarbeitung angeht, gigantisch. Die Leistung der Geräte muss im Sekundentakt gemessen werden. Die Daten werden an die Plattform übermittelt, um daraus ein Reporting zu erstellen. Damit weist der Poolbetreiber nach, dass er die Primärregelleistung wirklich vorgehalten und im Bedarfsfall auch erbracht hat. Dazu kommt, dass die Geräte gesteuert werden müssen. Nicht alle Geräte eines Pools müssen gleichzeitig an der Vermarktung teilnehmen. Bei einer intelligenten Ansteuerung dient der Pool dazu, diejenigen zu nutzen, die gerade bereitstehen. „Wenn die Plattform präqualifiziert ist, muss nicht jede Batterie einzeln begutachtet werden, sondern der Pool gesamt“, erklärt Gastaldo. Die Übertragungsnetzbetreiber hätten allerdings ein Auditrecht und könnten daher jederzeit kommen und sich die erbrachte Leistung einzelner Geräte ansehen.

Umsonststrom als Belohnung

Die Kunden müssen sich mit dem komplizierten energiewirtschafltlichen Hintergrund von Stromhandel und Regelleistungsmarkt nicht beschäftigen. Wer einen Speicher hat und in der Sonnencommunity ist, deckt etwa 75 Prozent des Stromes aus eigener Erzeugung. Wer zusätzlich an der neuen Primärregelleistungsvermarktung teilnimmt, bekommt den Reststrom umsonst. „Damit spart er rund 200 bis 250 Euro pro Jahr“, sagt Schröder.

In der Schweiz stellt Swisscom nicht nur die Hardware und die Plattform bereit, sondern vermarktet auch den Pool von kleinteiligen Geräten. Damit dürfen sie, wenn es der Übertragungsnetzbetreiber zulässt, bei dem sie präqualifiziert sind, auch auf Regelenergieanforderungen in Deutschland mitbieten, da sich die beiden Länder zu einem Netzregelverbund zusammengetan haben. „Eine Sonnenbatterie in Zürich kann schon heute den Regelenergiebedarf eines deutschen Übertragungsnetzbetreibers decken“, sagt Gastaldo. Die Netzbetreiber wollen damit erreichen, dass die Preise fallen, da sich das Angebot vergrößert und der Wettbewerb verschärft.

Umgekehrt gilt das allerdings nicht. Sonnenbatterien, die in einem Gebiet von einem der vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber angeschlossen sind, dürfen erst mitbieten, wenn die Plattform auch hierzulande präqualifiziert, also abgenommen ist. „Wir erwarten das für das erste Quartal 2017“, sagt Schröder. Kunden können das Produkt trotzdem schon in Anspruch nehmen. „Wir wollen schon jetzt beginnen, den Pool aufzubauen.“ Den Bonus in Form des kostenlosen Reststroms zahlt Sonnen in der Zwischenzeit trotzdem.

In der Praxis und im Detail würde das dann so gehen: Jeweils für eine Woche nimmt Swisscom Energy Solutions oder ein anderer Pooler an einer Auktion zur Primärregelenergie mit zum Beispiel zwei Megawatt Leistung teil. Die Preise variieren wie bei Auktionen üblich nach Angebot und Nachfrage. 2015 zahlten die Übertragungsnetzbetreiber in Deutschland für ein Kilowatt Leistung pro Woche im Schnitt 3,70 Euro.

Strom in den oder aus dem Speicher fließt aber nur, wenn der Übertragungsnetzbetreiber diese Regelleistung wirklich in Anspruch nimmt. In dem Fall lädt oder entlädt der Speicher, ohne dass der Besitzer es merkt. Der finale Auslöser sind Abweichungen der Netzfrequenz von 50 Hertz, denn auf diese soll durch die schnell reagierende Primärregelleistung stabilisiert werden. Da die Frequenz als Signal im Notfall ausreicht, funktioniert die Primärregelleistung auch, wenn die IT-Infrastruktur zusammenbrechen sollte, also im Zweifelsfall ohne Fernsteuerung. Das ist eine der Anforderungen der Übertragungsnetzbetreiber.

Keine Beeinträchtigung des Eigenverbrauchs

Sonnen hat die Ladung oder Entladung des Speichers nach eigenen Aussagen auf maximal drei Prozent der Batteriekapazität begrenzt. Hat man also einen Sechs-Kilowattstunden-Speicher im Keller stehen, wird dieser maximal mit 180 Wattstunden Regelenergie geladen oder entladen. Wenn die Regelleistung verkauft wurde, müssen diese drei Prozent die gesamte Woche reserviert werden, um bei Anforderung die Regelleistung liefern zu können. Diese 180 Wattstunden müssen in der Schweiz bis zu 15 Minuten erbracht werden. „Das beeinflusst den Eigenverbrauch, der mit dem Batteriespeicher möglich ist, nicht“, sagt Schröder.

Die Vermarktung wird einfacher, weil die Geräte ja in einem Pool angeschlossen sind. Der Poolbetreiber – in der Schweiz Swisscom Energy Solutions – kann jeweils die Speichersysteme oder anderen Geräte auswählen, die für die Regelleistung nötig sind. Allerdings kann dieses Umschalten nicht erfolgen, wenn wirklich gerade Regelleistung eingespeist oder bezogen wird, sondern nur davor oder danach. Jedes Gerät muss in der Lage sein, die verkaufte Leistung 15 Minuten zu erbringen. Das entspricht einem Lade- und Entladevorgang aufgrund der Regelleistung von 720 Watt.

Fenecon mit Energy Pool

Der Ansatz bei Fenecon sieht sehr ähnlich aus. Der Batteriespeicherhersteller aus Deggendorf arbeitet mit einem anderen Schweizer Technologieunternehmen zusammen, um die Batteriespeicher zu einem virtuellen Kraftwerk zusammenzufassen. Ampard hat nach eigenen Angaben auch bereits in der Schweiz Primärregelleistung vermarktet, die mit BYD-Heimspeichern bereitgestellt wurde. „In der Schweiz gibt es kein Unbundling“, sagt Fenecon-Geschäftsführer Franz-Josef Feilmeier. „Damit sind Geschäftsmodelle, die die Beteiligung der Verteilnetzbetreiber und der EVU erfordern, dort einfacher umsetzbar.“

In Deutschland ist Ampard, so Feilmeier, mit den Übertragungsnetzbetreibern im Gespräch und wartet nur noch auf die „finale Unterschrift“ zur Präqualifizierung. Es werden schon eifrig Frage- und Antwortbögen mit den Übertragungsnetzbetreibern getauscht. Auch wenn noch nicht mit Vehemenz vermarktet wird, können Kunden das Angebot schon kaufen.

„Jetzt zahlen wir den Bonus aus eigener Tasche“, sagt Feilmeier. „Wir wollen es dem Kunden maximal einfach gestalten. Der Kunde hat als Stromanbieter, Messstellenbetreiber, Überschussvermarkter und Flexibilitätsvermarkter in dem Tarif nur einen Partner.“ Er muss den Speicher mit der 500 Euro teuren Primärregelleistungsoption kaufen. Auf der Stromrechnung bekommt er jährlich 1.000 Kilowattstunden gutgeschrieben und zusätzlich die negative Regelenergie, die durch die Vermarktung in den Speicher fließt.

Präqualifizierung und Regulierung in Deutschland

Beide Anbieter gehen davon aus, dass die Präqualifizierung zügig erfolgen wird, weil die Geräte und die Plattform ja auch in der Schweiz präqualifiziert sind und es einen gemeinsamen Markt gibt.

Andererseits sind die Übertragungsnetzbetreiber in der internationalen Regelzone nicht in allen Punkten einig und arbeiten noch an einer Harmonisierung. Das betrifft etwa die Zeit, die die Leistung vorgehalten werden muss. In der Schweiz sind es 15 Minuten, in Deutschland 30 Minuten. Prinzipiell ist das genauso machbar, allerdings leidet die Wirtschaftlichkeit, da eine doppelt so große Speicherkapazität vorgehalten werden muss, wie Experten immer wieder betonen. Wenn in dem Sonnen-Beispiel aber 0,25 Kilowattstunden mehr eingebaut werden müssen, kostet das bei heutigen Batteriepreisen ja auch nur 80 bis 100 Euro. Ein Killerargument ist das nicht, da sich diese zusätzliche Kapazität innerhalb eines Jahres rentiert.

Premiumpreise für Primärregelleistung

Was Primärregelleistung angeht, hält es Raphael Hollinger, Teamleiter Economic Operation and Business Models am Fraunhofer ISE, für möglich, dass sie wirtschaftlich erbracht werden kann. Wenn man die zusätzlich notwendige Hardware, die Swisscom und Ampard benötigen, außen vor lässt, lohnt es sich nach seinen Rechnungen sogar mehr, die Batteriekapazität für die Primärregelleistung zu verwenden als zur Eigenverbrauchserhöhung. „Damit kann pro Kilowattstunde potenziell mehr als dreimal so viel Erlös erwirtschaftet werden“, sagt er. Die Frage ist allerdings, wie viel die zusätzliche Hardware mit dem Zähler in Sekundenauflösung dann doch kostet. Er hat mit Kollegen in einem Forschungsprojekt gezeigt, dass es Synergien gibt zwischen Eigenverbrauchserhöhung und Regelleistung (pv magazine September 2015, Seite 46).

Philipp Schröder geht noch weiter. „Wer hier nicht dabei ist oder nur Sekundärleistungen bereitstellt, läuft also Gefahr, schnell aus dem Markt verdrängt zu werden“, sagt er. Sekundärregelleistung ist eine andere Form der Regelleistung, bei der die Batterien nicht so schnell reagieren müssen. Auf Sekundärregelleistung setzt beispielsweise Senec, wobei das Unternehmen auch noch auf die Präqualifizierung wartet. Für ein Kilowatt Sekundärregelleistung bekommt man nur ein Drittel des Geldes wie für Primärregelleistung. Andererseits wird auch noch ein Preis pro umgesetzter Energie bezahlt, und insgesamt ist der Markt größer.

Mit anderem Konzept schon am Markt

Es gibt im Übrigen ein System, das in Deutschland bereits für Primärregelleistung präqualifiziert und zu kaufen ist. Das ist das von Caterva. Es ist allerdings deutlich größer dimensioniert und funktioniert nach einem anderen Geschäftsmodell. Der Kunde kauft dabei eine Art Verschiebedienstleistung für den selbst erzeugten Solarstrom und bekommt gar nichts mehr davon mit, wie der Speicher wirklich genutzt wird.

Zu einem Thema verrät bisher niemand der beteiligten Experten seine Lösung. Nach dem Leitfaden Eigenverbrauch der Bundesnetzagentur gilt der Batteriespeicherinhalt mit kontaminiert, „in den zeitweise auch Nicht-EE-Strom eingespeichert wird“ (Seite 60). Die Gesetzesinterpretation liest sich so, dass das auch gilt, wenn die Energie als Regelleistung hineingeflossen ist. Das würde bedeuten, dass dann die EEG-Umlage abgeführt werden müsste, wenn Speicherstrom im Haushalt verbraucht wird. Dieses Thema wird schnell sehr komplex, da die Aussagen von vielen Bedingungen und EEG-Interpretationen abhängen. Bei der Clearingstelle EEG läuft gerade ein Empfehlungsverfahren zu Anwendungsfragen zu Speichern im EEG, das dann hoffentlich Klarheit bringt.

Innovationen haben es schon oft nötig gemacht, Richtlinien anzupassen. „Primärregelleistung hat das Potenzial zum Game Changer im Speichergeschäft“, ist sich Philipp Schröder sicher. „Die Erträge sind derart attraktiv, dass sie grundsätzlich sogar die Speicherkosten zur Gänze tragen können.“

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