Gründungen in der Energiebranche

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Im Energiesektor gibt es etliche junge Unternehmen, die auf Venture-Kapital angewiesen sind. Wie entwickelt sich der Sektor im Moment?

Bernd Arkenau: Wir sehen die Entwicklung positiv. Die Start-ups im Energiesektor haben aus unserer Sicht eine interessante Wandlung vollzogen. Vor ein paar Jahren gab es im Vergleich zu heute große Finanzierungsrunden, in denen kapitalintensive Vorhaben finanziert wurden. Das war jedoch vielfach nicht erfolgreich.

Zum Beispiel in der Solarbranche?

Genau. Nach dieser Phase gab es eine große Schwächephase im Cleantech-Bereich. Sobald man gesagt hat, man ist im Cleantech- oder im Energiebereich aktiv, sind die Investoren in Scharen davongelaufen. Jetzt fokussieren sich die jungen Unternehmen auf Bereiche, in denen man mit wesentlich weniger Kapital zeigen kann, dass die Produkte zum Kunden passen und das Geschäftsmodell funktioniert. Diese Vorhaben passen wesentlich besser zu Venture Capital. Das sind insbesondere Unternehmen, die sich auf die Schnittstellentechnologie zwischen Software und dem Energiebereich fokussieren. In diesem Bereich haben wir in letzter Zeit sehr schöne Beispiele gesehen, wo sich Unternehmen innerhalb kurzer Zeit positiv entwickelt haben und große Anschlussrunden durch namhafte internationale Investoren einwerben konnten. Das sind Indikatoren, dass sich die Branche sehr gut entwickelt und in der Schnittstelle spannende neue Unternehmen aufgebaut werden können.

Sprechen Sie von Sonnen aus Ihrem Portfolio, in die GE eingestiegen ist?

Genau. Aus unserem Portfolio ist es Sonnen. Andere Beispiele sind Tado und Thermondo, die zu den führenden Unternehmen in ihrem Bereich zählen, große Finanzierungsrunden abschließen konnten, um ihre Position weiter auszubauen, und trotz Wettbewerb durch große Unternehmen ihre führende Position behalten können.

Viele kleine Start-ups beschäftigen sich zum Beispiel mit Mieterstrom, mit Stromverkauf oder mit Messwesen und dem Transparentmachen von Stromverbräuchen. Ich habe den Eindruck, große Investoren gibt es da noch nicht?

Die Bedingungen haben sich zwar verbessert, aber unterscheiden sich stark nach Entwicklungsphase des Unternehmens. Im frühphasigen Seed-Bereich, in dem die Unternehmen ihren Markteintritt vorbereiten und bestenfalls erste kleinere Umsätze vorweisen können, gibt es gute Möglichkeiten, über öffentliche oder halböffentliche Investoren Kapital oder Fördermittel einzuwerben. Zusätzlich gibt es Inkubatoren oder Acceleratoren, die die Unternehmen in der frühen Phase über Coachings und Schulungen unterstützen. Wenn die Unternehmen mit diesem Geld erste signifikante Umsätze in einer Größenordnung von mehr als fünf, sechs Millionen Euro erzielen können, sind sie in einer komfortablen Position, eine weitere Finanzierungsrunde einwerben zu können. Wenn Unternehmen diesen Schritt zu signifikanten Umsätzen nicht schaffen, hängen die Unternehmen teilweise fest. Das ist im Moment das große Problem in Deutschland. Für diesen Bereich gibt es nur wenige, sehr ausgewählte Investoren. Zudem ist es schwer, in Deutschland große Finanzierungsrunden mit einem Volumen von mehr als 20 Millionen Euro einzuwerben. Hier ist man auf Investoren aus dem Ausland angewiesen.

Ist das nicht gerechtfertigt, weil sich daran zeigt, dass das Geschäftsmodell nicht trägt?

Ich glaube schon, dass diese Geschäftsmodelle sehr erfolgreich sind oder sein können. Es fehlt häufig am notwendigen Kapital. Es ist ja oft so, dass diese Unternehmen einen tollen Kundennutzen haben und vielversprechende Wachstumsstrategien erarbeitet haben. Sie brauchen jedoch eine weitere Kapitalinjektion, um den nächsten Schritt in der Unternehmensentwicklung nehmen zu können. Und das ist in Deutschland schwierig. In den USA zum Beispiel ist das weiterhin einfacher. Hier sind erstens die Finanzierungsrunden wesentlich größer, und zweitens bekommt man auch in den Phasen, in denen man noch keine signifikanten Umsätze vorweisen kann, weitere Finanzierungsmittel.

Ist abzusehen, dass sich das in Deutschland verbessert?

Teilweise. Der Staat hat erkannt, dass insbesondere im Bereich der Wachstumsfinanzierung eine Lücke vorhanden ist. Um Venture-Capital-Investoren, die in diesem Bereich investieren, beim Einwerben von Kapital zu unterstützen, engagiert sich die KfW wieder als Fondsinvestor. Hat man bereits die KfW als Investor gewonnen, fällt es anderen Investoren leichter, ebenfalls in den Fonds zu investieren.

In Deutschland sind es oft doch wieder halbstaatliche Institutionen, die KfW oder auch die Förderprogramme, die Sie angesprochen haben, die in der Frühphase finanzieren. Ist es etwas speziell Deutsches, dass das nicht mit privatem Risikokapital geschieht?

Insbesondere in der frühen Phase kann man staatliche Gelder bekommen. Allerdings braucht man auch dafür immer einen gewissen privaten Anteil, der über unabhängige VCs, Business-Angel oder Corporate-Venture-Investoren dargestellt werden muss. Ganz ohne private Mittel geht es auch nicht.

Blockchain-Technologien sind gerade in aller Munde. Ist das für Sie ein Thema?

Wir haben uns damit beschäftigt, weil sie interessante Möglichkeiten eröffnen. Für uns ist das Thema noch zu früh, weil insbesondere in Deutschland die regulatorische Seite noch nicht klar ist. Da sind noch viele Hürden zu nehmen. Sobald klar ist, wie man Blockchain-Konzepte insbesondere im Energiebereich umsetzen kann, ist das eine spannende Möglichkeit für Start-ups.

Welche aktuellen Trends sehen Sie im Energiebereich?

Was die Trends sind, ist eher schwierig zu sagen. Viele Themen zur dezentralen Energieversorgung wie Mieterstrommodelle und Schwarmstrombereitstellung werden gerade gehypt. Aus unserer Sicht ist aber eine andere Entwicklung viel wichtiger. Auch im Energiebereich gibt es mittlerweile viele erfahrene Gründer und erfahrene Gründerteams, die ihr zweites oder drittes Unternehmen gründen. Das ist sehr positiv, weil diese Gründer wissen, wie man ein Unternehmen aufbaut. Das ist auch für weniger erfahrene Gründer interessant. Sie können ihr Team mit solchen erfahrenen Leuten gut verstärken.

Wenn man sich für eine Gründung interessiert und eine Idee hat, ab wann kann man auf Sie oder andere Risikokapitalgeber zugehen? Oder wenn man keine ausgereifte Idee hat, sich aber trotzdem für eine Gründung engagieren will?

Wenn man es sich grundsätzlich vorstellen kann, in jungen Technologieunternehmen aktiv zu sein und dort eine Beschäftigung zu suchen oder vielleicht sogar als Unternehmer mit einzusteigen, besteht dazu oft die Möglichkeit. Es müssen natürlich entsprechende Positionen bei uns im Portfolio offen sein. Das ist aber oft der Fall. Wir helfen unseren Portfolio-Unternehmen, diese zu besetzen. Besonders wenn man in einem für junge Unternehmen wichtigen Bereich spannende Erfahrungen gesammelt hat, insbesondere im Business Development, beim Aufbau von neuen Geschäftsmodellen oder bei der Einführung von Produkten, ist das sehr interessant. Am besten schaut man sich unser Portfolio an und geht direkt auf das Unternehmen zu, für das man sich interessiert.

Und wenn man nicht woanders mit einsteigen will, sondern selbst ein Vorhaben hat? Was sind die ersten Fragen, die Sie stellen?

Grundvoraussetzung ist, dass man sein Geschäftsmodell vollständig durchdacht hat und zentrale Punkte wie Kundennutzen, Alleinstellung gegenüber Wettbewerbern, Vertriebsstrategie oder Wachstumsstrategie ausgearbeitet hat. Zudem sollte man erste Nachweise liefern können, dass das Geschäftsmodell sich am Markt etablieren lässt. Das können positive Gespräche mit einem potenziellen ersten Kunden sein, erste Verträge mit potenziellen Kunden oder erste Pilotinstallationen. Der wichtigste Punkt ist für uns jedoch das Gründerteam. Bei fast allen jungen Unternehmen insbesondere aus dem Technologiebereich hat sich gezeigt, dass das Geschäftsmodell immer wieder angepasst werden muss. Im seltensten Fall sieht es nach drei bis vier Jahren noch genauso aus, wie es im ersten Businessplan beschrieben wurde. Die Unternehmen ändern den Kundenfokus, die Vertriebsstrategie oder die Produkte. Das gelingt nur, wenn ein gutes Gründerteam die Änderungen im Unternehmen vorantreibt.

Welche Unternehmen haben Sie neu in Ihrem Portfolio?

Wir haben dieses Jahr bisher zwei neue Beteiligungen im Energiesektor umgesetzt. Zum einen haben wir in die Theva investiert. Die Theva ist ein Hersteller von Supraleitern, die bei Temperaturen von unter minus 70 Grad Strom nahezu verlustfrei übertragen. Bislang war die Herstellung sehr teuer, weshalb der Einsatz in Stromkabeln oder Generatoren wirtschaftlich nicht darstellbar war. Die Theva hat ein innovatives Verfahren entwickelt, mit dem Supraleiter so günstig hergestellt werden können, dass sie für kommerzielle Anwendungen interessant sind.

Und das andere Unternehmen?

Das andere Unternehmen, in das wir investiert haben, ist das Softwareunternehmen Rhebo. Es adressiert die zunehmende Vernetzung von Maschinen und ist damit auch besonders für den Energiebereich interessant. Rhebo überwacht die Kommunikation zwischen Anlagen und gleicht Abweichungen in der Kommunikation aus. So können Fehler oder Eingriffe frühzeitig erkannt und behoben werden, bevor es zu tatsächlichen Ausfällen kommt. Zudem deckt das System sämtliche unerlaubte Eingriffe in die Kommunikation auf und hilft Energieversorgern, die gesetzlichen Vorgaben zum Schutz kritischer Infrastruktur zu erfüllen.

Ich würde gerne noch über die Energieversorger sprechen. Ich habe den Eindruck, dass sie in den letzten zwei Jahren wirklich aktiver geworden sind. Haben Sie auch diesen Eindruck?

Ja, das ist auch unser Eindruck. Man kann sehen, dass die Aktivitäten der Energieversorger insbesondere in Deutschland, was Innovationen und Start-ups anbelangt, deutlich zunehmen. Man sieht, dass fast jeder eine eigene Venture-Capital-Einheit hat. Sie unterstützen Inkubatorenprogramme und bauen selber eigene Inkubatoren auf. Es ist für die Unternehmen notwendig, denn durch die Energiewende ist das Wettbewerbsumfeld für sie sehr intensiv geworden. Sie brauchen erhebliche Innovationen, um dort erfolgreich zu sein. Durch die strukturellen Änderungen im Energiesektor müssen sie umdenken.

Fällt es den Energieversorgern leichter umzudenken, wenn sie in neue Unternehmen investieren, als wenn sie diese Themen intern bearbeiten?

Die Unternehmen besitzen große F&E-Einheiten, die vor allem inkrementelle Innovationen hervorbringen. Aber häufig ist es innerhalb der Strukturen eines Konzerns schwierig, wenn man grundlegend neue Ansätze ausprobieren möchte. Man ist dort häufig in Entscheidungsprozesse eingebunden, die sehr langwierig sind. Dann ist es schwierig, eine neue Technologie schnell umzusetzen. Um radikal neu zu denken, braucht man oft die Perspektive von außen und eine gewisse Risikobereitschaft. Deswegen ist es sehr sinnvoll für Elektrizitätsversorger, sich außerhalb des Konzerns umzuschauen und den Kontakt zu jungen Technologieunternehmen zu suchen, die an fundamentalen Neuerungen arbeiten können.

Ist das Investitionsverhalten von den EVUs prinzipiell anders als das von Firmen wie der Ihren oder anderen VC-Firmen?

Das kommt immer drauf an, wie es aufgesetzt ist. Häufig brauchen die Corporate-Venture-Investoren einen strategischen Fit zu einem ihrer Geschäftsbereiche. Das Unternehmen muss in irgendeiner Weise relevant für den Konzern sein und in diese Strategie reinpassen. Das ist bei uns nicht der Fall. Wir sind unabhängig und unterliegen solchen Begrenzungen nicht. Daher können wir uns auf fundamental neue Technologien oder Geschäftsmodelle fokussieren.

Scheitern galt in Deutschland immer als schlimm. Hat sich da was verändert, sodass auch die Angst davor zurückgeht?

Es gehört zur Unternehmensgründung dazu, dass es manchmal nicht so gut funktioniert wie gedacht und manchmal auch überhaupt nicht. Das kann die unterschiedlichsten Gründe haben: zum Beispiel regulatorische Änderungen im Markt, eine fehlende Anschlussfinanzierung zum richtigen Zeitpunkt oder eine unterschiedliche Auffassung über die Geschäftsentwicklung im Team. Wenn ein Unternehmer oder Unternehmen es nicht geschafft hat, ist das aus unserer Sicht kein Ausschlusskriterium, ein nächstes Unternehmen zu gründen. Die Fehlerkultur hat sich in Deutschland teilweise deutlich verbessert. Aber insbesondere aus den USA kann man noch viel dazulernen. Auch wenn eine Gründung nicht funktioniert hat, kann man viele positive, wichtige Erfahrungen mitnehmen und es beim nächsten Mal deutlich besser machen.

Wer schlechte Erfahrungen sucht, kann in der Solarbranche über die Modul- oder Zellhersteller sprechen. Gegen große Player wie LG oder Hanwha haben es bei kristalliner Photovoltaik kleine Start-ups mit großen Technologieentwicklungen schwer. Es gibt aber immer noch Venture-Kapital für solche Firmen. Können diese erfolgreich sein?

Wie jede große Industrie ist auch die Solarbranche auf Innovationen angewiesen. Als junges Unternehmen kann man immer eine führende Position in einem Bereich einnehmen, wenn man eine attraktive Technologie oder neues Geschäftsmodell entwickelt hat. Im Solarbereich haben wir ein sehr gutes Beispiel im Portfolio. Die Heliatek aus Dresden stellt organische Solarzellen her, die unter anderem flexibel und semitransparent sind, und ist in diesem Bereich weltweit führend. Da gilt das Gleiche wie bei allen anderen Branchen, in denen auch große Unternehmen aktiv sind. Die Strukturen verändern sich, neue Technologien werden notwendig, und die kommen mittlerweile häufig aus jungen Technologieunternehmen. Diese arbeiten einfach komplett anders und können wesentlich radikaler in ihrer Technologie oder ihrem Ansatz sein. Damit lassen sich ganze Branchen auf den Kopf stellen.

Wie ist die Situation bei Heliatek?

Heliatek betreibt bereits eine Produktionslinie in Dresden und konnte damit Pilotprojekte mit unterschiedlichsten Kunden erfolgreich umsetzen. Jetzt ist das Unternehmen gerade dabei, den Bau einer industriellen Produktionsanlage vorzubereiten. Damit sollen organische Solarzellen hergestellt werden, die neben den vielseitigen Produkteigenschaften wie Flexibilität oder Transparenz auch preislich so wettbewerbsfähig sind, dass sie attraktiv im Markt platziert werden können. Die Nachfrage ist da.

Investoren, die in große Photovoltaikanlagen investieren, wollen, dass diese 20 oder 30 Jahre halten. Das ist für eine neue Technologie doch eine irre Hürde.

Das ist eine irre Hürde, ja. Man kann aber für viele Technologien, wie zum Beispiel Batterien oder Photovoltaikmodule, beschleunigte Alterungstests machen. Das entspricht natürlich nicht der Erfahrung, wenn man ein Material 20 Jahre lang testen kann, aber man bekommt damit sehr gute Indikatoren über die Langzeitstabilität.

Gibt es in Deutschland eigentlich ein Exit-Problem, sodass Investoren ihr Geld schwerer zurückbekommen?

Über die Börse ist es sicherlich schwieriger als in anderen Ländern. Das liegt am Investorenprofil. Es gibt wenige spezielle Fonds, die in solche Unternehmen investieren. Um in Deutschland an die Börse gehen zu können, muss man deutlich weiter sein als zum Beispiel in den USA. Es hängt sehr vom jeweiligen Umfeld ab. Ein grundsätzliches Exit-Problem sehe ich aber nicht. Wenn die Unternehmen mit einer innovativen Technologie eine führende Position in einem attraktiven Markt sichern konnten, wie zum Beispiel Sonnen oder Heliatek, dann findet man immer interessante Käufer mit einem strategischen Interesse.

Das Gespräch führte Michael Fuhs.

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