Geschichten vom Strommarkt

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Peter in München teilt seinen Strom mit Paul in Flensburg und Martha in Frankfurt. So heißt es auf der Homepage der Sonnen-Community. Dazu verspricht die große Headline: „Ihr Einstieg in 100 Prozent Unabhängigkeit“. Bei Senec klingt das so: „Mission 100 Prozent Unabhängigkeit“. Und: „Mit der Senec-Cloud speichern Sie im Sommer nicht benötigten PV-Strom und nutzen ihn im Winter.“ Senec, die Marke des Unternehmens Deutsche Energieversorgung, und Sonnen gehören beide zu den Marktführern bei Heimbatteriespeichersystemen. Beide nutzen Stromdienstleistungen, um ihre Batteriespeicher attraktiver zu machen, und entwickeln dazu eine Story.

So unterschiedlich ihre Konzepte sind, einiges haben die Unternehmen gemein. Beide sind jetzt auch Stromhändler und Stromversorger. Sie nehmen auf der einen Seite den Solarstrom ab und nutzen dazu das Prinzip der Direktvermarktung mit Marktprämie, so wie es bei den großen Solarkraftwerken heute schon Pflicht ist. Die Marktprämie, die im Mittel die Differenz zwischen Einspeisevergütung und Börsenstrom-Einkaufspreis ausgleicht, kompensiert die wegfallende Einspeisevergütung. Für Betreiber macht das kaum einen Unterschied.

Auf der anderen Seite liefern Sonnen und Senec Strom an die Verbraucher wie ein Versorger. Beide Unternehmen wollen den Strom, den sie verkaufen, so gut wie möglich durch die Erzeugungsanlagen decken, die sie unter Vertrag haben. Sonnen hat dazu Biogasanlagen im Portfolio, die auch Strom liefern, wenn die Sonne nicht scheint. Senec assoziiert durch seine Wortwahl, dass Teilnehmer der Cloud die Energie im Sommer quasi einspeichern und sie im Winter wieder abrufen können. Wie das gehen soll, lässt das Unternehmen aus Sachsen allerdings offen. Eine Speicherung vom Sommer in den Winter hinein ist definitiv nicht möglich, und die Solarstromanlagen liefern im Winter kollektiv zu wenig Energie. Nur mit Solarstrom kann es also nicht funktionieren. Wenn zusätzlich Biomasse und Windkraftwerke im Spiel wären, gäbe es diesbezüglich wenig Unterschiede zum Sonnen-Konzept. Vermutlich ist es deutlich komplizierter, da Senec mit seinem Econamic-Grid-Produkt weitere Möglichkeiten entwickeln will, am Strommarkt Geld zu verdienen.

Was es ökonomisch bringt

Deutlich unterschiedlich sind die beiden Konzepte, was die Tarifstruktur angeht. Bei Sonnen wird man Mitglied der Community und bekommt für seinen Solarstrom ungefähr die Einspeisevergütung. Für den Strombezug muss man 23 Cent pro Kilowattstunde bezahlen. Rechnet man den Rabatt ein, den man als Community-Mitglied beim Kauf eines Batteriespeichers bekommt, und berücksichtigt man die 1.000 Kilowattstunden Umsonststrom, den man im ersten Jahr bekommt, lohnt sich das für die Mindestvertragslaufzeit von zwei Jahren im Vergleich zum Kauf eines Sonnen-Speichers ohne Community. Für die Zeit nach den zwei Jahren arbeitet Sonnen derzeit noch an einem Geschäftsmodell.

Bei Senec führt das Tarifmodell konsequent die Cloud-Story fort. Man zahlt eine Grundgebühr für die Teilnahme und bekommt dann pro Jahr so viel Strom umsonst zurück, wie man mit seiner Solaranlage erzeugt hat. Erzeugt man in einem Jahr bilanziell mehr, als man verbraucht, liegt der effektive Strompreis ungefähr bei 23 Cent pro Kilowattstunde. Der genaue Tarif hängt von der Größe der Solaranlage und dem tatsächlichen Verbrauch ab.

Dem Strom ein Gesicht geben

Denkt man sich das Ganze ohne Batteriespeicher, ähnelt das Sonnen-Konzept wiederum dem von Lumenaza. Das ist ein Berliner Start-up mit der Vision: „Ökostrom aus der Region, gemeinschaftlich und transparent“. Auch dabei wird der Strom aus den Erzeugungsanlagen direkt vermarktet. Die Technologie ist komplex. Zunächst muss sie auf Basis von Wetterdaten Stromerzeugung und Stromverbrauch der angeschlossenen Teilnehmer prognostizieren und an der Strombörse, wenn nötig, Strom zu- oder verkaufen. Dann muss sie Erzeugungsanlagen regeln und die Erzeugung dem Strombedarf anpassen. Das Ganze vollautomatisch. Dazu gibt es eine Weboberfläche, die die einzelnen Erzeuger zeigt – der Strom soll „ein Gesicht bekommen“.

Lumenaza bietet seine Software-Technologie auch anderen Akteuren an, die regionale Stromtarife bereitstellen wollen. Im Prinzip kann sich mit dem Tool jeder seine eigene Community aufbauen. Die Stadtwerke Wunsiedel gehören zu den ersten Referenzkunden. Sie bieten mit der Technologie den Fichtelgebirgsstrom an.

Bei all diesen Konzepten spielen die Batteriespeicher zunächst nur in der Tarifstruktur eine Rolle: Bei Senec sind sie die Voraussetzung zur Teilnahme, bei Sonnen kommt man nur bei einem Kauf in den Genuss des Rabatts. Den Sinn der Batteriespeicher sieht Sonnen darin, dass die Mitglieder dadurch ein ausgeglicheneres Last- oder Erzeugungsprofil haben. Außerdem lädt Sonnen die Speicher ferngesteuert mit 1.000 Kilowattstunden Umsonststrom im ersten Jahr.

Bei Senec spielt der Speicher vor allem beim sogenannten Econamic Grid eine Rolle. Das ist für den Kunden derzeit nicht mit der Cloud kombinierbar, eventuell gibt es für das Unternehmen aber Synergien bei der Bewirtschaftung.

Econamic Grid

Es dürfte wenige Themen in der Branche geben, die ähnlich umstritten sind wie das Econamic Grid von Senec. Um teilzunehmen, muss der Speicherkäufer zunächst zusätzlich 500 bis 1.000 Euro in eine Schalteinrichtung und einen zweiten Stromzähler investieren. Dafür kann der Kunde „von überschüssiger Energie im öffentlichen Netz“ profitieren, von der Vermarktung eines Teils der Speicherkapazität am Regelenergiemarkt. Garantiert ist nichts, in Aussicht gestellt werden bis zu 800 Kilowattstunden kostenloser Haushaltstrom und bis zu 2.500 Kilowattstunden kostenlose Wärmeenergie. Das ergäbe demnach den Gegenwert von rund 400 Euro im Jahr. Einige Wettbewerber regen sich daher über das Econamic Grid auf. Erstens müssen Kunden Geld für eine nicht garantierte Leistung ausgeben, zweitens funktioniert das System erst teilweise. Die Kunden scheint es aber zu überzeugen. Senec berichtet immer wieder von hohen Absatzzahlen.

Bisher sind die dezentral verteilten Batteriespeicher, die im Vergleich zu zentralen Großspeichern klein sind, für die sekundäre Regelleistung, wie sie Energiemarktexperten bezeichnen, von den Übertragungsnetzbetreibern nicht präqualifiziert. Das hat die Deutsche Energieversorgung im letzten Jahr damit ausgeglichen, dass sie an die Kunden aus eigener Tasche 800 Kilowattstunden umsonst geliefert hat. Kunden könnten sich beklagen, dass es bei einem funktionierenden System mehr hätte sein können. Doch in den Marketingmaterialien steht eben „bis zu 800 Kilowattstunden“.

Was die Wärmeenergie angeht, wird die dazu notwendige Schaltbox auf der diesjährigen Intersolar vorgestellt, sagt Mathias Hammer, Geschäftsführer der Deutschen Energieversorgung. Erst dann kann dieser Teil des Produkts im Prinzip genutzt werden, wobei dazu auch die Präqualifizierung am Regelenergiemarkt erfolgt sein muss. Da gibt es unzufriedene Kunden, denen die Wartezeit zu lange ist. Einer von ihnen hat sich bereits in einem Internetblog erbost zu Wort gemeldet.

„Jede große Innovation braucht Zeit“, sagt Mathias Hammer. Die technischen Herausforderungen des Konzepts seien bereits gelöst worden. „Die noch zu erfüllenden bürokratischen Formalien können wir schlecht beeinflussen.“ Es sei bereits alles simuliert worden, was zur Präqualifizierung nötig sei. „Das muss nun nur noch auf die Übertragungsnetzbetreiber übertragen werden. Gäbe es Ansatzpunkte, dass unser Konzept nicht funktionieren würde, hätten wir diese Investitionen nicht getätigt.“ Wann die Präqualifizierung von Batteriespeicher und Heizstab oder Wärmepumpe erfolgen kann, ist schwer abzuschätzen. Doch Experten halten sie für möglich, und vielleicht geht es jetzt auch schnell (siehe Kasten unten).

Stromdienstleistung über 20 Jahre

Auf dem Regelenergiemarkt bewegt sich auch Caterva, eine Ausgründung aus dem Siemens-Konzern, der nun einer der Investoren ist. Die Batteriespeicher sind von Übertragungsnetzbetreibern bereits für den Primärregeleistungsmarkt präqualifiziert. Diese Regelleistung muss im Vergleich zur sekundären Regelleistung schneller zur Verfügung stehen und wird dadurch auch höher vergütet. Außer für den Regelenergiemarkt will das Unternehmen die Speicher auch einsetzen, um beim Stromhandel an der Börse effizienter zu sein und Gewinne zu erwirtschaften.

Die Kunden kaufen den Batteriespeicher und schließen gleichzeitig einen Dienstleistungs- und Wartungsvertrag über 20 Jahre. Caterva bewirtschaftet dann den Speicher, nimmt den Solarstrom ab und liefert dem Kunden im Gegenzug den Haushaltsstrom. Dieser ist in der Höhe des erzeugten Solarstroms umsonst. Der Kunde bekommt also eine Art Verschiebedienstleistung oder virtuellen Speicher gestellt. An diesem Punkt ähnelt das Konzept der Senec-Cloud. Die Story dazu geht so: „Die Caterva-Sonne speichert den Sonnenstrom und liefert ihn nach Bedarf wieder in den Haushalt, wenn die Sonne nicht mehr strahlt.“ Im Verbund werde sie mit den anderen Geräten „zu einem intelligenten Sonnensystem vernetzt“.

Funktioniert die Regelenergievermarktung des Econamic Grid?

Mit dem Konzept ist die Deutsche Energieversorgung schon vor über einem Jahr vorgeprescht. Experten glauben, dass es funktionieren kann.

Wird es gehen oder wird es nicht gehen? Das ist die Gretchenfrage bezüglich des Econamic Grid der Deutschen Energieversorgung. Noch fehlt die Präqualifizierung der dezentralen Heimspeicher für die sekundäre Regelenergie, und einige in der Branche bezweifeln, dass es jemals dazu kommen wird. pv magazine hat daher zwei Übertragungsnetzbetreiber, einen Aggregator, der bereits Regelenergie anderer Formen vermarktet, und einen Wissenschaftler befragt.

„Prinzipiell halte ich es für möglich, dass sie präqualifziert werden“, sagt Arndt Neubauer, Referent Systemdienstleistungen beim Übertragungsnetzbetreiber Tennet. Dafür müssten sie aber die gleichen Hürden nehmen wie alle anderen Technologien. Dazu gehört zum Beispiel, dass sie die Leistung über einen längeren Zeitraum anbieten. Er sieht eine Lösung darin, die Batterispeicher mit Wärmeerzeugern im Pool zu betreiben.

Problematischer dürfte sein, dass laut Neubauer derzeit wirklich jedes einzelne Gerät durch die Präqualifizierung müsse. Das sieht auch ein Experte von einem Aggregator so, der nicht genannt werden will. Aggregatoren werden die Dienstleister genannt, die verschiedene Anlagen zu Pools zusammenfassen und gemeinsam vermarkten. Er sieht die Diskussion um die Präqualifizierungen jedoch als laufenden Prozess, in dem sich Regeln auch ändern könnten. Das sei auch in der Vergangenheit so gewesen. Das könne durchaus schnell gehen.

Neubauer stellt ebenfalls die Frage nach der Wirtschaftlichkeit, da die Erlöse auf dem Markt der sekundären Regelleistung gering seien. Außerdem müssten auch für jede Kilowattstunde Regelenergie, die am Ende einen Fernseher, den Herd oder den Heizstab betreibt, die Umlagen bezahlt werden. Das sind rund 15 Cent pro Kilowattstunde.

Raphael Hollinger, der am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme an Regelenergiekonzepten mit dezentralen Batteriespeichern arbeitet, sieht derzeit für reine Batteriepools die Wirtschaftlichkeit für die sekundäre Regelleistung nicht. Die vorzuhaltende Speicherkapazität sei zu hoch im Verhältnis zur vermarkteten Leistung. „In einem Pool könnten die Systeme jedoch eine wertvolle Ergänzung zu Kraftwerken darstellen“, sagt er (siehe Interview www.pv-magazine.de, Webcode 2918). Er glaubt jedenfalls daran, dass sich die Konzepte mit den Regularien vereinbaren lassen.

Es gibt etliche Schrauben, an denen man bei der Vermarktung drehen kann. Spricht man mit der Deutschen Energieversorgung, bleibt der Eindruck, dass sie ein wohlüberlegtes Konzept haben, in dem das ganze Know-how des Unternehmens steckt. Was die 15 Cent Abgaben angeht, müssen diese bei der Vermarktung eben mit erwirtschaftet werden. Am Ende wird nicht in jeden Speicher direkt die Regelleistung fließen. Die Deutsche Energieversorgung will die Speicher und Heizstäbe dazu benutzen, am Energie- und Regelleistungsmarkt Gewinne zu erwirtschaften. Auch an ein Pooling ist gedacht. Diese Gewinne will Geschäftsführer Mathias Hammer abzüglich einer Marge dazu nutzen, Umsonststrom zu liefern und Steuern und Abgaben zu zahlen.

Was dabei am Ende herauskommt und ob das Konzept wirtschaftlich aufgeht, lässt sich von außen allerdings ebenso wenig sagen, wie ab wann es in vollem Umfang laufen wird und wie Kunden das Geschäftsmodell aufnehmen. Für Thorsten Lenck, Energiemarktexperte bei Energy Brainpool, sind diejenigen, die jetzt damit vorpreschen, jedenfalls „Early Mover“ und notwendig. Sie treiben solche Themen voran, die wichtig für die dezentrale Energiewende sind.

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