Ein Mosaikstein

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pv magazine: Hätten Sie sich in Ihrer Zeit bei Phoenix Solar träumen lassen, dass Sie 2016 für Eon arbeiten werden?

Manfred Bächler: Das ist eine gute Frage. In der Anfangszeit von Phoenix mit Sicherheit nicht. Denn damals gab es eher gegenteilige Positionen. Ab 2008 haben wir bei Phoenix Solar aber in der Tat für Eon PV-Großkraftwerke in Frankreich und Italien gebaut. Wir waren der EPC-Auftragnehmer von Eon. Wir haben uns auch über ein sehr, sehr großes Kraftwerk auf Sardinien unterhalten, bevor das Projekt doch nicht weiter verfolgt wurde. So gesehen waren wir schon damals durchaus offen in der Kooperation mit Energieversorgern. Wer mich länger kennt, weiß, dass ich schon vor vielen Jahren gesagt habe, diese damals noch in den Anfängen steckende Energiewende wird nicht ohne die Einbindung der Netzbetreiber und der etablierten Energieversorger zu schaffen sein.

Ist die Übertragung der wesentlichen Geschäftsfelder und Mitarbeiter von Reniva an Eon ein Zeichen für die Veränderungen in der Solarbranche, die sich gerade vollziehen?

Es ist ein Mosaikstein, der in den generellen Trend wahrscheinlich gut reinpasst. Derzeit herrscht viel Bewegung in der Szene. Ein Beispiel dafür ist, dass sich die etablierten Energieversorger an Start-ups beteiligen.

Rückt die Energiebranche enger zusammen?

Es ist schon ein zu beobachtender Trend, dass die alte und die neue Energiebranche enger zusammenrücken. Die alten Konfrontationsmodelle funktionieren einfach nicht mehr und werden von vielen Leuten auch nicht mehr gelebt. Es sind nun schon elf Jahre seit 2005 vergangen, in denen viel neues Denken bei der etablierten Energiebranche eingezogen ist.

Mit ihrer Firma Reniva haben Sie sich auf Betriebsführung und Großanlagenbau konzentriert. Gerade das O&M-Geschäft gilt doch als sehr zukunftsträchtig. Was ist jetzt der Vorteil der Übertragung der wesentlichen Geschäftsfelder an Eon?

Da gibt es viele Punkte. Der eine ist natürlich, dass in dieser immer stärker verzahnten Energiewelt IT eine immer größere Rolle spielt. Da wird es für ein kleines, hochspezialisiertes Unternehmen, das nur auf Photovoltaik setzt, natürlich immer schwieriger, sich am Markt durchzusetzen oder auch auf neue Kunden zuzugehen. Da nützt einem am Ende des Tages die fachliche Expertise nichts, wenn man nicht das entsprechende Renommee oder Entree hat. Das heißt, um dieses Wissen und Know-how umzusetzen, gibt es bei so einer kleinen, engagierten Firma nicht mehr die richtige Umgebung.

Was war in der Vergangenheit anders?

In der Vergangenheit war alles relativ simpel. Man hat eine PV-Anlage gebaut, 100 Prozent ins Netz eingespeist, und gut war. Heute muss man sich überlegen: Mache ich eine Eigenversorgung von dem Nutzer, baue ich vielleicht die ersten Kraftwerke außerhalb vom EEG? Wer hat ein Balance Sheet, um das zu finanzieren? Binde ich noch einen Batteriespeicher ein? Versuche ich, den Überschussstrom im Gebäude in Wärme umzuwandeln? Gehe ich vielleicht sogar so weit, dass ich mich um die Energieeffizienz und den Energieverbrauch im Gebäude selbst kümmere, um eine bessere Anpassung auf die Kurve der PV-Anlage hinzubekommen? Das sind alles Fragen, bei denen die Photovoltaik nicht mehr auf dem Fahrersitz sitzt, sondern andere. Es braucht einfach eine entsprechende Umgebung, um immer noch Photovoltaik machen zu können.

Oder es braucht einen finanzstarken Partner im Rücken oder zumindest jemanden, der einen guten Zugang zum Kapitalmarkt hat?

Richtig. Also gerade bei solchen Modellen, wo es darum geht, außerhalb des EEG oder der Freiflächenausschreibungsverordnung zum Beispiel in Gewerbegebieten Kunden zu versorgen. Wenn ich als Reniva so ein Projekt starte und ich gehe mit einem fünfjährigen Stromliefervertrag, den ich mit zwei Betrieben in dem Gewerbegebiet gemacht habe, zu meiner finanzierenden Bank, dann wird sie mich fragen, wie es nach den fünf Jahren weitergeht. Die Bank wird dann nur eine Finanzierung für fünf Jahre anbieten. Nur, in fünf Jahren kann so eine Photovoltaikanlage nicht den notwendigen Kapitaldienst leisten, um das Darlehen zurückzuführen. Da wird eine Finanzierung schwierig, wenn man nicht das richtige Balance Sheet von einer entsprechenden Mutter im Rücken hat. Ein Energieversorger wie Eon kann sagen, wenn die Gewerbebetriebe nach fünf Jahren nicht verlängern wollen, dann verkaufen wir den Strom an irgendjemand anderen. Hier ist unsere Kundenkartei, liebe Bank, wo ist das Problem?

Wird das Ihre Aufgabe bei Eon sein, sich genau um solche Projekte zu kümmern und zu schauen, wie man Photovoltaik auch in einem größeren Zusammenhang umsetzen kann?

Meine Aufgabe wird im Unterschied zur Reniva nicht mehr so sehr auf dem operativen Teil liegen, sondern genau auf dem Thema neue Geschäftsmodelle: Wo kann eine Photovoltaikanlage noch einen zusätzlichen Beitrag leisten? Oder mit welchen Dienstleistungen oder Services, die in der Eon-Gruppe vorhanden sind, kann man die Photovoltaik einfach wettbewerbsfähiger machen?

Konzentrieren Sie sich dabei auf Deutschland oder auch auf internationale Märkte?

Der Fokus meiner Arbeit wird 2016 sicher auf Deutschland liegen. Es ist aber sinnvoll, die Photovoltaik nicht nur in Deutschland voranzutreiben, sondern auch zu überlegen, wie ein Rollout in anderen, zunächst einmal europäischen Ländern aussieht. Ich denke, wenn wir in Deutschland einen guten Job machen, dann sind wir sicher in anderen Ländern auch in einer Poleposition.

Sie haben gesagt, dass Eon 2008 bereits ein Bein im Kraftwerksgeschäft hatte, sich dann aber wieder zurückgezogen hat. Nun ein erneuter Umschwung, doch stärker auf das Solargeschäft zu setzen. Kam die Entscheidung nicht zu spät? Hat Eon nicht die besten Jahre verpasst?

Wenn man es rein auf den deutschen Markt bezieht, könnte man es so sehen – andererseits waren die vergangenen Jahre im deutschen Markt auch nicht gerade einfach. Die Erfahrung lehrt, dass man nicht unbedingt immer der First Mover sein muss, um mittel- und langfristig in einem Markt erfolgreich zu sein. In den USA ist Eon über eine Tochtergesellschaft aktiv im Markt, und sie haben in den letzten Jahren die ersten Kraftwerksprojekte im Multi-Megawatt-Bereich realisiert.

Sie haben sich nun für Eon entschieden, weil es der Konzern aus Ihrer Sicht diesmal mit seiner Wende hin zu den Erneuerbaren ernst meint?

Ich habe mir die Aktivitäten von Eon in den vergangenen Monaten genau angeschaut, und ich halte es für sehr glaubwürdig, dass sie sich nun ernsthaft im Photovoltaikgeschäft engagieren wollen. Mit seinem Handeln hat Eon mein Vertrauen in seine neue Strategie noch erhöht. Ich hätte die Geschäftsfelder und Mitarbeiter von Reniva nicht übertragen, wenn ich den Willen von Eon nicht für glaubwürdig gehalten hätte. Zudem sehe ich gerade für meine Mitarbeiter in diesem international agierenden Konzern noch ganz andere Entwicklungsperspektiven, als sie bei Reniva möglich gewesen wären.

Wie wichtig wäre es denn aus Ihrer Sicht, dass die Ein-Megawatt-Bagatellgrenze für Photovoltaikanlagen in Ausschreibungen in der EEG-Novelle wirklich kommt – auch mit Blick auf das Geschäft, das Eon nun plant?

Ja, die Ein-Megawatt-Grenze wäre äußerst hilfreich. Wenn sie von 100 Kilowatt auf ein Megawatt bei Freiflächenanlagen angehoben wird, dann lassen sich zum Beispiel Projekte umsetzen, für die nicht zwingend eine hundertprozentige Netzeinspeisung erforderlich ist. Dann ließen sich Projekte wie eine 900-Kilowatt-Anlage neben ein Gewerbegebiet bauen und über drei DC-Niederspannungsleitungen jeweils 300 Kilowatt zu drei Einzelabnehmern schicken. Diese Anlagen könnten dann völlig problemlos unter dem Schutzschirm des EEG gebaut werden. Selbst wenn die Kunden ausfallen, könnten sie dann als EEG-Anlage deklariert werden und erhalten eine feste Vergütung. Bei den Freiflächenausschreibungen hat man diese Wahlmöglichkeit nicht, sondern muss zu 100 Prozent einspeisen.

Die Direktvermarktung wäre dann die Sicherheit im Hintergrund bei Anlagen bis ein Megawatt?

Genau. Das wäre für kleinere Firmen aus meiner Sicht essenziell, diese Sicherheit zu haben. Dann könnten diese Firmen anfangen, solche Projekte zu realisieren, und bekämen dafür eine Finanzierung von der Bank, da als Netz und doppelter Boden das EEG einbezogen werden kann.

Im Moment scheinen in Deutschland aber nur große, finanzstarke Unternehmen noch Erfolg haben zu können.

Der Markt ändert sich durch mehrere Einflussfaktoren. Einer davon ist natürlich die Politik. Da darf man sich nichts vormachen, der ganze Energiemarkt ist reguliert. Im Moment ist es sicher so, dass die Photovoltaik oder vielleicht auch die Erneuerbaren generell nicht mehr unbedingt großartigen Rückenwind von der politischen Seite genießen. Die Politik hat gewisse Änderungen durchgesetzt, die eher zu einer Konzentration führen. Am Ende des Tages ist dies vielleicht sogar gewünscht.

Welche Einflussfaktoren verändern den Markt noch?

Das zweite Stichwort ist Akteursvielfalt. Das halte ich einfach für ein Lippenbekenntnis. Denn diese vielen Akteure machen der Politik manchmal das Leben wirklich schwer. Manche sind aus Sicht der Politik schon gefährlich groß geworden. Das ist das eine. Das andere ist, da bin ich ganz volkswirtschaftlich denkender Ingenieur, dass die Photovoltaik jetzt einfach aus diesem Nestschutz raus und sich in die Energiewirtschaft integrieren muss. Das funktioniert natürlich nicht ohne entsprechende regulatorische Hilfen und Maßnahmen. Aber es muss kein hundertprozentiger Kokon mehr um die Photovoltaik gebaut werden wie in den Anfangszeiten des EEG oder bis 2012.

Meinen Sie das auch mit Blick auf die Energiewende in anderen Ländern?

Man wird dieses Erfolgsmodell Energiewende, von dem ich hoffe, dass es eines wird, nicht in andere Länder exportieren können, wenn es nur ein EEG für die Photovoltaik aus dem Jahr 2010 ist. Das wird nicht funktionieren. Deswegen müssen Änderungen kommen. Das Ganze sollte natürlich in einem regulatorischen Umfeld passieren, das die Photovoltaik und die Energiewende unterstützt. Aber wie schon gesagt, die ganze Energiewelt ist hoch regulatorisch. Deswegen ist es schizophren zu sagen, dass es ausgerechnet die Photovoltaik ohne regulatorische Unterstützung schaffen müsste. Natürlich müssen wir auch zugeben, dass wir 2000 bis 2012 paradiesische Unterstützungszustände für die Photovoltaik gehabt haben.

Dann lassen Sie uns doch noch einen Ausblick wagen: Was denken Sie, wo wird die Solarbranche in zehn Jahren sein?

Das gucke ich mir von meinem Rentnerstuhl aus an, denn dann bin ich dann 62.

Sie sind aber optimistisch, dass Sie dann schon Rente bekommen.

Ja. Als Student hatte ich mal das Ziel, mit 35 nicht mehr zu arbeiten. Das habe ich schon mit Karacho verpasst. Aber zurück zur Perspektive: Global mache ich mir um die Photovoltaik überhaupt keine Sorgen. Das Thema ist durch. Es ist nur noch eine Frage der Umsetzung. Es kann natürlich sein, dass in einzelnen Ländern durch regulatorische Vorgaben die eine oder andere Entwicklung verzögert oder abgewürgt wird. Aber global mache ich mir um die Photovoltaik wirklich überhaupt keine Sorgen. Das ist natürlich eine der Überlegungen, sich jetzt auf einen starken Partner zuzubewegen, der global handeln kann und will. Denn wenn in Deutschland die Photovoltaik definitiv politisch nicht gewünscht ist: Mein Gott, dann machen wir sie halt woanders.

Das Interview führte Sandra Enkhardt.

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