Der „Glühlampentest ist unzulässig“ titelte es kürzlich im Netz. Es ging um eine unveröffentlichte BGH-Entscheidung, von der sich herumgesprochen hatte, dass sie ein Berufungsurteil des OLG Nürnberg bestätigen würde. Das Urteil drehte sich um die Inbetriebnahme von Solarmodulen nach dem EEG 2009 auf einem provisorischen Gestell in einer Lagerhalle mittels „Glühlampentest“. Bei dem Glühlampentest handelt es sich um eine anerkannte Möglichkeit, den Stromfluss in einem Solarmodul nachzuweisen, durch Anschließen einer Glühlampe oder eines anderen elektrischen Verbrauchers („Inbetriebsetzung“). Gegen diesen Glühlampentest hatte das OLG nichts einzuwenden, gegen den „solaren Anlagenbegriff“ – Anlage ist „das Modul“ – auch nicht. Nur das Provisorische an der Inbetriebnahme gefiel ihm nicht, so dass es die technische Betriebsbereitschaft verneinte; ein offen gestanden nicht ganz erstaunliches Ergebnis.
Nun ist die BGH-Entscheidung öffentlich und setzt den Spekulationen ein Ende. Vor allem ist alles ganz anders als erwartet: Der Glühlampentest ist unerheblich, der Inbetriebnahmebegriff und die technischen Besonderheiten der verschiedenen Anlagensegmente auch. Warum? Weil es nach Auffassung des BGH schon gar keine Anlage gab, die hätte in Betrieb genommen werden können und Überlegungen zu technischen Spezifika aus seiner Sicht nur zur Verwirrung beitragen. Anlage ist nach dem BGH nicht das Modul sondern das „Solarkraftwerk“. Dessen einzelne Bestandteile benennt er nicht. Vielmehr liegt die Bestimmung im Einzelfall nun im mehr oder minder geneigten Auge des „objektiven“ Betrachters“, und zwar mit einem gehörigen Spielraum für subjektive Tendenzen.
Das ist nicht Rechtsfindung sondern Machtausübung. Wir müssen uns nach 10 Jahren anderslautender Literatur, Rechtsprechung und Praxis fügen, nicht weil jemand überzeugend argumentiert, sondern weil er, wie es im Juristenjargon heißt, „durchentschieden“ hat. Was sagt die Entscheidung aus, was bedeutet sie für die Branche und das EEG und was ist zu tun?
Margarete von Oppen ist Rechtsanwältin und Partner der Kanzlei Geiser & von Oppen
I. Der neue solare Anlagenbegriff
Der BGH definiert den Begriff der Anlage im Sinne des EEG 2009 wie folgt:
Anlage nach § 3 Nr. 1, Satz 1 EEG 2009 ist das „Solarkraftwerk“ und nicht das einzelne Modul (Leitsatz b). Maßgeblich für die Definition des Solarkraftwerks ist dabei, ob die der Stromerzeugung dienenden Einrichtungen aus Sicht eines objektiven Betrachters in der Position eines vernünftigen Anlagenbetreibers nach dessen Konzept als eine Gesamtheit funktional zusammenwirken und sich damit nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch als eine Anlage darstellen (Rn. 19 d. Entscheidungsumdrucks).
II. Relevante technische Bestandteile
Bei der Frage welche technischen Bestandteile zu der vom BGH favorisierten Sachgesamtheit gehören, die das Solarkraftwerk bilden, wird es dünn. Auf jeden Fall zwei Dinge: Die Gesamtheit der Module und die Montageeinrichtungen (Rn 23 und 24 des Entscheidungsumdrucks). Dazu wie es sich mit Verkabelung, Wechselrichtern, Anschlussleitungen und Netzanschluss verhält, sagt der BGH nichts. Es ist aber mit Sicherheit vorschnell und schürt unnötig Ängste, wenn man aus seiner Präferenz für einen irgendwie naturrechtlichen Anlagebegriff schließt, dass die Solarinstallation mit Mann und Maus davon erfasst ist. Denn immerhin bezieht sich der BGH auf eine Passage in der Gesetzesbegründung zum EEG 2009, die insbesondere die Wechselrichter vom Anlagenbegriff ausschließt (Rn. 24 des Entscheidungsumdrucks). Dort heißt es (BT-Drs. 16/8148, S. 38):
„Infrastruktureinrichtungen wie Wechselrichter, Netzanschluss, Anschlussleitungen, eine Stromabführung in gemeinsamer Leitung, Transformatoren, Verbindungswege und Verwaltungseinrichtungen sind jedoch vom Anlagenbegriff nicht erfasst, da diese Einrichtungen nicht der Stromerzeugung dienen."
III. Bedeutung für die Branche
Von der Entscheidung betroffen sind Betreiber von Bestandsanlagen, die ihre „Solarkraftwerke“ nach den Regelungen des EEG 2009 und dem bis zum 1. April 2012 geltenden EEG in Betrieb genommen haben. Sie müssen prüfen, ob sie die Module an dem dafür dauerhaft vorgesehenen Standort auf den bestimmungsgemäßen Montageeinrichtungen installiert hatten. Das ist nichts anders als das, was im Anschluss an die Entscheidung des OLG Nürnberg zu tun gewesen wäre. Die meisten Anlagenbetreiber werden genau dem entsprochen haben. Ob Netzbetreiber nachträglich und entgegen ihren vielfach anderslautenden Leitfäden aus den Jahren ab 2009 auf die Idee kommen, für die Inbetriebnahme auch die Installation von Wechselrichtern oder gar einen Netzanschluss zu verlangen, bleibt abzuwarten. Wenn ja und wenn dies zur Rückforderung von Vergütungszahlungen führt, lohnt sich ein weiterer Weg durch die Instanzen.
IV. Bedeutung für die Anwendung des EEG
Die BGH-Entscheidung ist rechtlich ärgerlich, nicht nur weil sie einen durchgängig seit 10 Jahren praktizierten solaren Anlagenbegriff über den Haufen wirft sondern weil sie zu systematischen Brüchen innerhalb des EEG und dort zu verschiedenen Anlagenbegriffen führt. Und ja: Die Gesetzesauslegung unter systematischen Gesichtspunkten gehört zum juristischen Handwerkszeug und ist vom höchsten Zivilgericht geflissentlich übersehen worden. Hier nur ein paar Fragen, die das verdeutlichen:
Wie sieht es nun mit der Ersetzung von Anlagen aus, wenn die „Anlage“ das Solarkraftwerk ist? Muss das gesamte Solarkraftwerk defekt sein, um es ersetzen zu dürfen? Was ist mit der Versetzung von Anlagen? Ist es jetzt nicht mehr möglich einzelne Module zu versetzen? Welchen Sinn hat die Regelung über die technische Anlagenzusammenfassung (§ 6 Abs. 3, § 19 EEG 2009), eine Regelung die gerade im Hinblick auf die Einordnung des einzelnen Moduls als Anlage geschaffen worden ist. Nicht besonders überzeugend ist auch das Bekenntnis des BGH zu mangelnder Technikaffinität. Es führt zu einem schlecht konturierten Anlagenbegriff, der erst einmal nur für Rechtsunsicherheit sorgt. Davon hat die Branche eigentlich auch so schon genug.
V. Handlungsoptionen
Welche Möglichkeiten bestehen, um die Unsicherheit und die Aufregung einzudämmen, die das Urteil auslöst? Folgendes ist wünschenswert:
a) Das zuständige Ministerium findet einen unverfänglichen Weg, sich zu seiner in der Gesetzesbegründung vertretenen Auffassung zu bekennen, nach der insbesondere Wechselrichter, Netzanschluss und Anschlussleitungen nicht vom Anlagenbegriff umfasst sind.
b) Es erfolgt eine gesetzgeberische Klarstellung, nach der bei Solaranlagen das Modul die Anlage ist, vorzugsweise noch mit dem Strommarktgesetz.
Beides wäre nützlich und wohltuend, denn bei der Lektüre des Urteils beschleicht einen der Eindruck, dass der BGH die „Intention des Gesetzebers“ zwar verbal beschworen, dann aber kühn das eigene Bauchgefühl an dessen Stelle gesetzt hat. (Margarete von Oppen)
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