Häufigster Mangel ist die Wirtschaftlichkeitsberechnung

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Warum gibt es so wenig öffentlich verfügbare Informationen darüber, wie zum Beispiel Montageschäden vor Gericht verhandelt werden, zum Beispiel an aerodynamisch optimierten Aufdachsystemen?

Andreas Kleefisch: Das liegt vor allem daran, dass bei juristischen Entscheidungen – wenn überhaupt – sehr häufig keine Volltexturteile veröffentlicht werden, sondern nur Leitsätze. Sie enthalten nichts über die zugrunde liegenden Mängel, sondern nur juristische Punkte. Also etwa ob das Kaufrecht oder Werksvertragsrecht anwendbar ist oder ob die Photovoltaikanlage ein Bauwerk oder kein Bauwerk ist. Oder wie lange die Gewährleistungsfrist ist.

Beteiligte wissen aber Bescheid, und Sie sind als Anwalt oft Beteiligter. Welche Mängel kommen häufig vor?

Ich sammele alle Entscheidungen, die mir zur Kenntnis gelangen, auch von mir bekannten Kollegen. Da kommen viele verschiedene Mängel vor, etwa mangelhafte Montage, statische Überlastung von Dächern, Undichtigkeiten an Dächern oder fehlende Zulassung von Befestigungs- und Montagesystemen. Ein Schwerpunkt ist zum Beispiel der Entfall von bauaufsichtlichen Zulassungen von Sandwichelementen von Flachdächern dadurch, dass eine Solaranlage mit Schrauben befestigt wird.

Wenn das vorkommt, hat ein Gebäudeinhaber eine Chance gegen den Installationsbetrieb?

Ja, sowohl als Eigentümer als auch als Pächter kann man seine Rechte durchsetzen lassen. Wenn jemand ein Dach für eine Solaranlage pachtet und es dadurch beschädigt, dass er dort eine Solaranlage installieren lässt, hat der Eigentümer einen Anspruch auf eine Reparatur oder sogar auf ein neues Dach gegen den Pächter. Das wird dann durchgereicht gegen den Planer oder gegen den Installateur.

Was kann ein Solarinstallateur tun, damit er keine Angst vor solchen Ansprüchen haben muss?

Indem er vorher plant und feststellt, was für ein Dach das überhaupt ist. Er darf die Planung also nicht mit Google Earth machen, sondern muss hingehen und prüfen, welche Art Befestigung auf dem Dach möglich ist. Es gibt natürlich auch Dächer, auf die man gar keine Solaranlage montieren kann. Dann ist es halt so und man muss es lassen. Ein Hauptproblem, das ich in den letzten Jahren oft vorliegen hatte, ist, dass oft andere Leute die Anlage anbieten, planen und verkaufen als diejenigen, die sie hinterher installieren. Vorher wird schlecht oder nicht geplant und hinterher wird einfach installiert, ohne zu prüfen und zu fragen.

Wie oft kommt es vor, dass es einen Anspruch des Bauherrn gibt, weil die Ertrags- oder Wirtschaftlichkeitsprognose nicht gestimmt hat?

Sehr häufig. Viele Anlagenverkäufer wissen gar nicht, dass oft das Kaufrecht gilt und dass im Kaufrecht eine Wirtschaftlichkeitsberechnung und andere werbende Aussagen schnell eine Beschaffenheitsvereinbarung darstellen, die eingehalten werden muss. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn dem Angebot eine Ertrags- oder Wirtschaftlichkeitsberechnung beigelegt wird. Es ist dabei gleichgültig, ob „ohne Gewähr“ dabeisteht. Auch wenn ein Installateur eine bestimmte Marke verkauft und diese auf der Webseite einen Rechner eingebunden hat, haftet er dafür. Der Bauherr kann den Mangel an der Wirtschaftlichkeitsberechnung übrigens bis zu drei Jahre nach Bemerken der Unterschreitung anmelden.

Wie sieht ein Fall mit Mängeln an einer Solaranlage bei Ihnen konkret aus?

Oft kommt das Mandat direkt vom Anlagenbetreiber oder seinem Sachverständigen, weil Mängel bereits aufgetreten sind. Oder aber es gibt ein Sturm- oder Hagelereignis und wird der Versicherung gemeldet. Dann kommt ein Gutachter von der Versicherung, schaut sich die beschädigte Anlage an und stellt fest, dass der Schaden gar nicht durch den Sturm herbeigeführt wurde. Vielleicht wurde zum Beispiel eine nicht zugelassene Unterkonstruktion verwendet oder der Planer hat den Windsog und die Aerodynamik nicht richtig beachtet. Die Versicherung lehnt die Einstandspflicht ab. Dann ruft mich der Anlagenbetreiber an. Ich soll in so einem Fall entweder gegen den Lieferanten oder gegen den Planer Ansprüche durchsetzen und schaue mir dann natürlich der Vollständigkeit halber auch die Ertrags- und Wirtschaftlichkeitsprognosen an.

Was ist an den Wirtschaftlichkeitsberechnungen oft falsch?

Ich rede vor allem über die Boomzeit 2008 bis 2011, als wirklich auf jedes Dach irgendwie möglichst schnell noch irgendeine Anlage draufgebaut wurde. Da wurden sehr häufig wirklich bewusst falsche oder zumindest geschönte Ertrags- und Wirtschaftlichkeitsberechnungen gemacht und den finanzierenden Banken vorgelegt. Da wurden Verschattungen nicht beachtet, da wurde die Verstringung falsch installiert oder falsche Komponenten zusammengeschaltet oder da sprangen in Anlagen, weil sie teilverschattet waren, ganze Strings zu spät an. Das führt zu erheblichen Einbußen. Ich habe eine Statistik gemacht, nach der bei 70 bis 80 Prozent der Anlagen, die ich zwischen 2008 und 2013 hier auf dem Tisch hatte, Ertrags- und Wirtschaftlichkeitsprognosen teilweise 30 bis 40 Prozent zu positiv waren. Wir vergleichen dann die „richtige“ Wirtschaftlichkeitsprognose mit der vorgelegten. Der Schaden ist die jährliche Differenz multipliziert mit 20 Jahren Laufzeit. Bei großen Freilandanlagen können das hohe sechsstellige Beträge sein, teilweise sogar siebenstellige.

Das war die Vergangenheit. In der Gegenwart hat man durch den Eigenverbrauch ja noch mehr Möglichkeiten, an den Wirtschaftlichkeitsberechnungen zu drehen.

Ich sehe das Problem im Augenblick nicht mehr so stark. Da die Renditeerwartung ohnehin nicht mehr so hoch ist, sind auch die Abweichungen und Schäden kleiner. Aber Sie haben natürlich recht, dass im Augenblick gerade bei der Frage, wie hoch schätze ich den Eigenverbrauch und die Strompreissteigerung ein, ein Unterschied von fünf oder sechs Prozentpunkten bei der Rendite herauskommen kann. Früher wurden teilweise bis zu 40 Prozent Eigenverbrauch angenommen, ohne das Verhalten und den Bedarf stundengenau nachzufragen. Man muss also zum Beispiel fragen, wie viele Personen wann im Haus sind und wie viel Strom über den Tag gebraucht wird.

Wie geht man am besten mit der Strompreissteigerung um?

Man rechnet am besten die Angaben von durchschnittlichen Strompreissteigerungen der letzten Jahre hoch. Mit den Strompreissteigerungen habe ich weniger Probleme, da dort immer ein gewisser Prognosespielraum herrscht. Aber wenn man den Eigenverbrauch nicht ermittelt hat, ist das etwas gänzlich anderes!

(Das Gespräch führte Michael Fuhs.)

Siehe auch folgende Artikel zu den rechtlichen Grundlagen.

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