Photovoltaik-Mieterstrom muss standardisiert werden

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pv magazine: Mieterstromkonzepte sind schon länger bekannt. Das Neue an Ihrem Konzept ist, dass ein Mieterstromprodukt genauso aufgesetzt ist wie ein Standard-Stromtarif und auch so abgerechnet wird. Verstehe ich das richtig?

Harald Will: Das stimmt. Die Pilotprojekte haben gezeigt, dass es geht. Jetzt geht es aber um den nächsten Schritt. Um aus der Nische zu kommen, haben wir einen skalierbaren Prozess entwickelt, der einfach und kostengünstig spezifischen Herausforderungen überwindet.

Was ist konkret anders als bei den bisher bekannten Modellen?

Der wichtigste Unterschied ist, dass wir selbst nicht als Anbieter eines Mieterstrom-Tarifs auftreten, sondern mit den Stadtwerken Schwäbisch Hall eine Dienstleistung entwickelt haben, die es Stadtwerken, Energie-Dienstleistern aber auch Immobilienunternehmen parallel zu ihren bestehenden IT-System ermöglichen zum Energie-Lieferanten ihrer Mieter werden zu können, wobei der Service wie ein lokaler Ökostromtarif aufgesetzt und abgerechnet wird. Nehmen Sie zum Beispiel ein Stadtwerk. Das will ja keinen Rund-um-Dienstleister, der ihm auch die Strombeschaffung und das Pricing abnimmt, was zu seinem Kerngeschäft gehört. Stadtwerke brauchen einen Anbieter, der Ihnen mit einer flexiblen, skalierbaren aber gleichzeitig stabilen IT-Lösung den komplexen Abrechnungsprozess beim Mieterstrom abnimmt. Diese Abrechnung, gegebenenfalls zusammen mit der Messdienstleistung muss so günstig erbracht werden, dass die gesamte Abwicklung nicht mehr kostet als bei einem normalen Stromkunden ohne Mieterstrom. Sonst reicht die Marge nicht.

Was sind die spezifischen Herausforderungen, von denen Sie gesprochen haben?

Das zeigt ein Blick darauf, wie ungern Stromverbraucher ihren Versorger wechseln. Obwohl das ganze fast ohne Aufwand für den Kunden abläuft und die Verbraucher ganz einfach 50 bis 200 Euro pro Jahr sparen könnten, haben die allermeisten Deutschen trotzdem noch nie den Versorger gewechselt. Ich habe neulich einen Mitarbeiter eines großen Versorgers getroffen. Der hat wörtlich gesagt: Wenn der Preis wirklich entscheidend wäre, hätten wir schon längst den Laden zusperren müssen. Der Preis ist selbstverständlich auch beim Mieterstrom ein Faktor, um den Kunden zum Wechsel zu bewegen. Wir empfehlen unseren Kunden, ihren Endverbrauchern ein kleinen Preisvorteil von ein bis zwei Cent pro Kilowattstunde einzuräumen, das sind also nur 30 bis 60 Euro pro Jahr. Auch der Vermieter muss ein paar Hundert Euro pro Jahr verdienen. Aber nur wegen dem Geld bekommen Sie die Leute nicht dazu. Menschen machen aber erwiesenermaßen das allermeiste aus anderen Gründen. Mieterstrom ermöglicht, dass ich auch als Mieter ganz konkret bei der Energiewende mitmache. Es ist doch noch einmal wesentlich realer, Module auf dem Dach oder ein KWK-Anlage im Keller zu haben, als bloß ein Ökostromkunde mit einem Stück Papier in der Hand zu sein. Mieter haben es auch gern, wenn sie etwas autarker werden und sie mitentscheiden können, was in ihrer Umgebung passiert. Und ganz wichtig: Mit Mieterstrom können Sie ganz konkret dazu beitragen, dass Photovoltaik-Anlagen in Ihrer Nähe gebaut werden, die sonst vermutlich nicht gebaut würden.

Ist also der eigentlich Zweck des Mieterstroms, dass die Dachflächen der Mietshäuser überhaupt genutzt werden für Photovoltaik?

Ja. Denn Photovoltaik-Anlagen auf Mietshäusern sind genauso Projektgeschäfte wie die Errichtung eines großen Solarkraftwerks. Die EEG Vergütung von 11 bis 12 Cent pro Kilowattstunde reicht aber auch auf einfachen Dächern nicht für mehr als ein bis zwei Prozent Rendite. Mit der Rendite investiert heute keiner, schon gar nicht in kleinteilige Projekte. Nur mit Mieterstrom lassen sich für einzelne oder zum Paket aggregierte Dachanlagen Renditen erzielen, die für Investoren auskömmlich sind und Banken dazu bringt, die Projekte überhaupt mitfinanzieren.

Wie viele Parteien sind am Ihrem Mieterstrom-Konzept beteiligt?

Natürlich die Mieter, die den Strom kaufen wollen müssen. Dann der Vermieter, dem die Immobilie gehört. Oft gibt es davon getrennte Eigentümer der Photovoltaik-Anlagen. Wieder davon getrennt sind oft die Betreiber der Anlagen. Diese haben einen Vertrag mit dem Vermieter oder dem Unternehmen, das den Mietern den Mieterstromtarif anbietet. Das so etwas überhaupt möglich ist, ist der Liberalisierung geschuldet. Danach hat jeder Bürger das Recht der freien Auswahl des Energie-Lieferanten. Wenn nun zum Beispiel ein Stadtwerk oder Ökostromanbieter mit der Marktrolle des Lieferantanten Mieterstrom anbieten will, muss es die benötigte Energie beschaffen, den Bilanzkreis bewirtschaften und den Stromtarif kalkulieren. Für die Abrechnung bedienen sich die meisten Lieferanten externer Dritter, die zum Beispiel die Kundenwechselprozesse durchführen sowie die Abrechnung mit den Kunden und dem Netzbetreiber. Die Abrechnung der Netznutzung beinhaltet die Abführung aller Steuern, Umlagen und Abgaben, die ja den größten Teil der Gesamtkosten ausmachen. Der Betrieb der Zähler sowie das Ablesen und die sichere Datenübertragung der Zählwerte übernehmen wiederum andere Unternehmen. Es sind also sehr viele Unternehmen daran beteiligt, was den Mieterstrom so komplex macht.

Die Fragen stellte Michael Fuhs
Die Solarpraxis/pv magazine group veranstalten das Webinar am 08. Oktober von 11.00-12.30 Uhr in Kooperation mit Urbane Energie. Es geht dabei um Mieterstrommodelle in der Praxis und mögliche Geschäftsmodelle.Weitere Informationen und Anmeldung

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