Prokon ging in letzter Zeit meist durch die Presse als besonders schlechtes Beispiel dafür, wie Anleger in einer guten Sache Geld verlieren können. 75.000 Menschen hatten für durchschnittlich 20.000 Euro Genussrechte an Windkraftanlagen gekauft. Ihnen droht, dass sie durch die Insolvenz des Unternehmens einen Teil ihrer Anlagen verlieren.
Jetzt geht es für die Gläubiger darum, das Beste daraus zu machen und dabei könnte doch noch etwas Positives entstehen. Mehr als 10.500 der Genussrechtsinhaber sind imVerein der Freunde von Prokonorganisiert. Sie wollen aus Prokon eine Genossenschaft machen und einen Teil der Genussrechte in Eigenkapital umwandeln. Dadurch würde die größte Energiegenossenschaft entstehen, die die Energiewende voranbringen wird, erklärt Pressesprecher Rainer Doemen.
Was steht auf dem Spiel?
Rainer Doemen: Jetzt fällt die Entscheidung. Entweder entscheidet sich die Mehrheit der Gläubiger in den jeweiligen acht Gläubigergruppen für die Genossenschaft und die Bürgerenergiewende macht damit einen großen Ruck nach vorne. Oder der Investor, der Atomenergie- und Kohlekonzern EnBW, erhält den Zuschlag. In diesem Fall wären rund 75.000 Menschen bei der Mitgestaltung der Energiewende außen vor. Zuerst wird über den von uns favorisierten Genossenschafts-Insolvenzplan abgestimmt. Über den Investoren-Insolvenzplan wird nur abgestimmt, wenn der Genossenschafts-Insolvenzplan keine Mehrheit der Gläubigergruppen erfährt.
Was muss geschehen, damit Sie Erfolg haben?
Es gibt 75.000 Genussrechte-Inhaber, die auch echte Gläubiger und stimmberechtigt sind. Die erste Hürde ist im Prinzip, dass Inhaber mit Genussrechten in Höhe von 660 Millionen Euro zustimmen müssen. Nach der Absenkung der Quote durch den Insolvenzverwalter ist diese Hürde geringfügig gesunken. Die zweite Hürde ist, dass für die Bildung der Genossenschaft rund 20 Prozent Eigenkapital notwendig sind. Dafür müssen entsprechend viele Genussrechteinhaber einer Umwandlung ihrer Genussrechte in Mitgliedschaftsrechte der neuen Genossenschaft zustimmen.
Können Sie das schaffen?
Ja. Der Insolvenzverwalter hat in der letzten Woche gemeldet, dass 36.000 Genussrechteinhaber bereits die Zustimmungserklärung unterschrieben an ihn zurückgesandt haben. Mathematisch hergeleitet wäre damit schon die erste Hürde übersprungen. Für die zweite Hürde reicht es rechnerisch noch nicht ganz. Um diese zu überspringen können Genussrechtsinhaber ihren Anspruch auf die verzinsliche Anleihe in Mitgliedschaftsrechte wandeln. Dafür haben wir mit der GLS Treuhand e. V. das Treuhandverfahren geschaffen. Dieses Verfahren können nicht nur Genussrechtsinhaber, sondern auch alle anderen Menschen nutzen. In nur 14 Tagen seit Beginn des Treuhandverfahrens sind schon weit mehr als 18 Millionen Euro zusammen gekommen. Wir sind jetzt zuversichtlich.
Dann kann fast nichts mehr schiefgehen?
Ich sehe noch die Hürde, dass die EnBW versuchen könnt, irgendwelche rechtlichen Schritte zu unternehmen, die die Genossenschaft am Durchstarten hindern soll. EnBW ist ein börsennotiertes Unternehmen und vorrangig dem Großkapital gegenüber verantwortlich. Es hat sehr viel Ressourcen in die Übernahme von Prokon gesteckt und es kann gut sein, dass EnBW nicht so schnell aufgeben darf.
Gibt es denn einen Anhaltspunkt, wo ein Rechtsstreit möglich ist?
Ich sehe keinen. Wir haben den Wettstreit im Gegensatz zu EnBW stets ehrlich, sachlich und fair geführt. Und den Insolvenzverwalter halten wir für einen erfahrenen und gescheiten Juristen.
Wenn man es rein finanziell betrachtet, welches Angebot ist für die Genussrechtsinhaber besser?
Das Genossenschaftsmodell ist für alle Gläubiger, nicht nur die Genussrechtsinhaber, erheblich besser. Denn die Quote ist deutlich höher.
Und das Risiko?
Es gibt wie bei jeder Geldanlage in Unternehmen ein Risiko. Genossenschaften sind allerdings mit weitem Abstand nach Feststellung des Statistischen Bundesamtes die insolvenzsicherste Unternehmensform. Über die Risiken beim Unternehmen EnBW möchte ich mich hier nicht detailliert äußern. Dazu gibt es genügend öffentlich zugängliche Quellen, beispielsweise auch den Bundesrechnungshof. Ich möchte es nicht erleben, dass saubere Gewinne aus dem Betrieb der Prokon-Windkraftanlagen für Rückbau- und Endlagerverpflichtungen von Atomkraftwerken verwendet werden.
Sie haben mit Naturstrom, der GLS Bank, der EWS Schönau und dem Bündnis Bürgerenergie auch starke Unterstützer gefunden. Warum?
Diese Vereinigungen und Unternehmen gestalten seit Jahren gegen Widerstände der Regierungen und auch der vier großen Energieversorger aktiv die Bürgerenergiewende. Sie wissen daher recht gut einzuschätzen, welch energiepolitische Tragweite das Entstehen einer Energiegenossenschaft mit wahrscheinlich schon zu Beginn mehr als 40.000 Mitgliedern hat. Kommt die Genossenschaft, gehe ich nach meinen Gesprächen mit Energie- und Umweltschutz-Politikern und -Politikerinnen des Bundestages davon aus, dass ein neues Nachdenken in der Politik und Wirtschaft erfolgt. Wir sind der kleine David und streiten mit unseren Waffen der Erfahrung, Ehrlichkeit und Transparenz gegen den großen Goliath.
Ein Vorteil von Bürgerenergie und Genossenschaften soll ja auch die direkte Beteiligung in die Entscheidungsprozesse sein. Ist das bei einer Genossenschaft in der Größe von Prokon überhaupt noch gegeben oder sind Sie zu groß?
Wir möchten sogar noch größer werden. Eine vernünftig geführte Genossenschaft kann auch 100.000 Mitglieder haben. Die Generalversammlung wird satzungsmäßige Anpassungen vornehmen, sofern demokratische Entscheidungsprozesse angepasst werden sollten.
Wird es dann auch neue Projekte geben?
Ja, und zwar sofort. Es sind bei Prokon über 300 Megawatt Windkraft in der Pipeline. Die neue Prokon-Genossenschaft braucht sofort frisches Kapital und hofft auch weiterhin auf ganz viel Bürgerkapital. Es gibt bereits Zusage von ökologisch orientierten Finanzinstituten trotz des Insolvenzverfahrens. Das ist etwas ganz neues. Auch Photovoltaik können wir uns als Joint Venture vorstellen. Uns geht es um Sonne, Wind und Speicher.
Michael Fuhs hat die Fragen gestellt und die Antworten zusammengefasst.
In der aktuellen pv magazine Ausgabe berichten wir umfangreich über Anlagemöglichkeiten für Kleinanleger:
–Kleine schaffen Großes: Wer sich am Ausbau der erneuerbaren Energien beteiligen will, kann das mit Bürgerenergieprojekten und Crowdfunding tun. Wer Anlagen baut, kann diese darüber finanzieren.
–Crowdfunding-Plattformen: Fragen und Antworten. Was Kleinanleger in puncto Sicherheit, Risiko und Mitbestimmung zu erwarten haben und was Projektinhaber beachten sollten, wenn sie eine Crowd-Refinanzierung suchen.
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