Wenn sich Freunde von Freunden finden

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Es klingt wie Zauberei. „Zero Touch“ ist die Prämisse des Unternehmens aus Boston, kein Kontakt mit den Mitarbeitern, die in den Gewerbegebäuden arbeiten, erklärt Swapnil Shaw. Und trotzdem, so sagt der Mitgründer des US-amerikanischen Start-ups Firstfuel, soll deren Energierechnung um 18 bis 20 Prozent sinken, als Resultat von akribischer Datenanalyse.

Die Kunden von Firstfuel sind allerdings nicht die Mieter, die die Gebäude nutzen, sondern die Elektrizitätsversorger. Bisher hatten diese nicht viel Kundenkontakt, außer dass sie die Zähler abgelesen und eine Rechnung geschickt haben. „Wir helfen ihnen, ihre Kunden zu beraten“, so Shaw. Daher halten sich seine Mitarbeiter und er auch im Hintergrund. Dann könnten die Versorger eine Kundenbeziehung aufbauen. Das sei wichtig für ihr Bestehen in der neuen Energiewelt, die von „distributed energy“ stark bestimmt werde. Firstfuel, das Hauptquartier befindet sich an der Ostküste in Lexington, Massachusetts, macht damit Ähnliches bei Gewerbegebäuden, was Opower oder Bidgely, zwei andere US-Start-ups, für Einfamilienhäuser anbieten.

Mehr Daten verfügbar, als man sich vorstellt

Shaw sieht die Expertise, die Firstfuel verkaufen will, besonders in der Analyse, dort habe das Unternehmen tiefgehendes Wissen. Um die Energieeffizienz eines Bürogebäudes zu verbessern, nutzt Firstfuel zunächst die Daten, die das Versorgungsunternehmen bereitstellt: Zählerdaten und Adresse. „Das kombinieren wir mit Wetterdaten und mit Daten aus öffentlichen und privaten Datenbanken“, erklärt Shaw. In der Regel könnten sie so Alter und Typ eines Gebäudes herausbekommen. Das funktioniert sogar zum größten Teil automatisiert. Wenn es stündliche Zählerdaten gebe, sei die Analyse sehr genau. Aber auch wenn nur zwölf Ablesungen am Tag übermittelt werden, könnten sie damit noch etwas anfangen.

Aus der Analyse können die Experten darauf schließen, ob das Gebäude oder dessen Ausstattung energieineffizient ist oder ob sich die Mitarbeiter der Firmen in den Gebäuden ineffizient verhalten. Bei manchen Effekten können sie allerdings nicht genau unterscheiden. Wenn infolge von mehr Wind – Winddaten fließen in die Analyse ein – die Temperatur sinkt, kann das daran liegen, dass die Dämmung schlecht ist oder daran, dass ein Fenster offen steht. Das muss dann anschließend im Gespräch geklärt werden.

Durch die Empfehlungen, die Firstfuel nach den Analysen gibt, lassen sich nach Aussage von Shaw im Mittel zwischen 18 und 20 Prozent der eingesetzten Energie einsparen, davon die Hälfte durch rein operative Maßnahmen, indem man zum Beispiel darauf hinweist und daran denkt, die Fenster zu schließen. Die andere Hälfte dadurch, dass die Analysen zum Beispiel auf ineffiziente Klimageräte, Beleuchtung oder andere Geräte hinweisen, wenn diese dann ausgetauscht, repariert oder verbessert werden.

In Nordamerika gehe die Zahl der analysierten Gebäude in die Tausende. Auch in Deutschland ist Firstfuel bereits aktiv, schließlich ist auch Eon einer der beteiligten Investoren.

Photovoltaik-Eigenverbrauch berechnen

Und wo bleibt die Photovoltaik in dem Geschäft? „Wir können zum Beispiel ausrechnen, welchen Einfluss eine Photovoltaikanlage bei den Verbrauchsdaten hat“, sagt Shaw. Und so zum Beispiel mithelfen, die Anlage optimal zu dimensionieren. Auch das Potenzial von Lastverschiebungen, mit denen der Eigenverbrauch erhöht werden kann, lässt sich unter Umständen berechnen. Den Vertrieb von Versorgern dürfte es jedenfalls freuen, auch diese Dienstleistung mit anbieten zu können.

Die Geschichte von Firstfuel ist auch eine Geschichte über Regulierung und Deregulierung, mit vertauschten Karten. Die regulierten Energiemärkte finden sich nicht in Deutschland, sondern auf der anderen Seite des Atlantiks. In den meisten Bundesstaaten sind sie deutlich stärkeren Vorschriften unterworfen als hierzulande. Die Regierungen verpflichten Versorger zu Energieeffizienzzielen; in Massachusetts sollten sie beispielsweise 2,5 Prozent im Jahr 2013 einsparen. Dadurch haben sie laut Shaw ein Interesse an Methoden wie denen von Firstfuel. Der Vorschlag der Agora Energiewende für umlagefinanzierte Energieeffizienzziele für Deutschland könnte Firstfuel demnach freuen.

Allerdings hat das laut Swapnil Shaw durchaus auch eine ökonomische Perspektive. Mehr Strom zu erzeugen koste fünf bis sieben US-Cent pro Kilowattstunde. Einsparungen mithilfe von Firstfuel kosteten nur 2,5 Cent pro Kilowattstunde. Und der Kundenkontakt, den die Versorger mit der Dienstleistung intensivieren, sei ja eventuell auch so viel wert, dass es ohne Regularien sinnvoll sein könnte, sein System zu nutzen.

Typische Start-ups beginnen mit einer Idee

Swapnil Shaw hat das Unternehmen im Jahr 2009 mitgegründet. Die ersten zwei Jahre gingen für die Entwicklung drauf. Sie haben unabhängige Studien in Auftrag gegeben und versucht, eine Finanzierung aufzustellen. „Jetzt sind wir seit zwei Jahren im Markt und haben bereits 15 Elektrizitätsversorger als Kunden“, sagt er. Dazu kämen Behörden, zum Beispiel die amerikanische Regierungsbehörde General Services Administration, „einer der größten Gebäudebesitzer in den USA“. Laut Energy Effiency Markets betrifft das 300 Gebäude, die Behörde sei begeistert gewesen von den 26 Gebäuden, die im Pilotprogramm ausgestattet wurden.

Ja, sie seien ein typisches Start-up, erzählt Shaw. „Typische Start-ups beginnen mit einer Idee“, sagt er. Außerdem kamen wie so oft zwei Gründer aus unterschiedlichen Bereichen zusammen. Er kommt aus der IT, sein Mitgründer aus der Gebäudetechnik. Dann kamen noch zwei Professoren vom MIT dazu. Sie sind Experten für Datenanalyse. „2010 waren wir vier Personen in dem Unternehmen“, sagt Shaw. Das erste Geld sei von ihnen selbst gekommen. Diese Phase hat ungefähr ein Jahr gedauert, bis die erste Finanzierung anfing. Inzwischen hat Firstfuel 20,9 Millionen US-Dollar erhalten. In der letzten Runde Ende 2013 war Eon mit 8,5 Millionen US-Dollar Lead Investor der Series-B-Finanzierung.

Freunde von Freunden finden sich

Für Deutsche hört es sich nicht nur an wie ein typisches Start-up, sondern auch wie eine typisch amerikanische Geschichte. Shaw hatte bereits drei Unternehmen gegründet, die letzte hat er an Oracle verkauft. „Dann war ich auf der Suche nach neuen Ideen“, erzählt er. Dieses Mal sollte es was wirklich Wichtiges sein, nachhaltig, auf die Zukunft ausgerichtet, damit auch seine drei noch kleinen Kinder später etwas davon haben. Das Unternehmen solle einen positiven Einfluss auf die Umwelt haben und es solle Gewinn abwerfen.

„Ein gemeinsamer Freund hat mich dann bei einem seiner Freunde eingeführt, und es war wirklich Zufall. Dieser meinte, ich solle mich mit den zwei Professoren treffen.“ Eineinhalb Jahre seien allein für diese ganzen Gespräche draufgegangen. Auch dieses Beispiel lehrt also: Es geht um Gelegenheiten und darum, diese zu ergreifen. In den USA sei es übrigens ein bedeutender Faktor, der die Gründungen begünstige, so Shaw, dass vermutlich mehr Menschen bereit seien, ihre Stelle in einem Unternehmen aufzugeben.

In der Online-Serie „Gründerszene“ berichten wir über Start-ups und andere Gründungsgeschichten:www.pv-magazine.de/startups

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