Sonne statt Öl

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Eine der wenigen positiven Entwicklungen in der Solarbranche ist im Moment im Nahen Osten zu beobachten. Saudi-Arabien, Oman, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und Bahrain haben 2012 Pläne für Solarprojekte für insgesamt mehr als 3,3 Milliarden US-Dollar (2,5 Milliarden Euro) angekündigt. Einer der Gründe für das wachsende Interesse sind die sinkenden Kosten im Solarbereich, sowohl bei der Photovoltaik als auch bei der Solarthermie. Hinzu kommt der steigende Energiebedarf, der im Moment aus fossilen Quellen gedeckt wird, was für die Regierungen die Kosten der Energieerzeugung stetig nach oben treibt. Im ganzen Nahen Osten könnten beispielsweise Bedarfsspitzen zur Mittagszeit, die besonders in den Sommermonaten auftreten, anstelle von Open-Cycle-Gasturbinen mit Sonnenenergie versorgt werden, was teuren Kraftstoff wie etwa Flüssigerdgas (LNG) einspart. Das zeigt eine im März 2012 von Manaar Consulting veröffentlichte Studie.

Saudi-Arabien

Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate entwickeln sich gerade zu den wichtigsten Märkten der Region, wobei Saudi-Arabien aufgrund seiner starken Wirtschaft und einem hohen Energiebedarf im Nahen Osten langfristig die besten Aussichten bietet. Apricum Consulting präsentierte im November auf einer von der Solarpraxis AG in Dubai veranstalteten Konferenz aktuelle Zahlen, wonach mehr als die Hälfte der 4,9 Gigawatt Solarleistung, die bis 2015 im Nahen Osten, in Nordafrika und in der Türkei installiert werden soll, auf Saudi-Arabien entfällt (2,6 Gigawatt), gefolgt von der Türkei mit 700 Megawatt und den VAE mit 500 Megawatt.

Saudi-Arabien hat im Mai 2012 angekündigt, bis 2032 54 Gigawatt erneuerbare Energien zu installieren, davon 16 Gigawatt Photovoltaik. Das Programm soll von der staatlich finanzierten King Abdullah City for Atomic and Renewable Energy (KACARE) beaufsichtigt werden und befindet sich gegenwärtig in der Genehmigungsphase durch das Finanzministerium. Bis Ende 2013 sollen bereits zwischen 500 und 800 Megawatt Photovoltaikleistung für Projekte unterschiedlicher Größen und Standorte im ganzen Königreich ausgeschrieben werden.

Das KACARE-Programm sowie andere Solarinitiativen sind so groß, dass sie eine Reihe von Unternehmen anziehen, die diese Möglichkeiten nutzen wollen. Darunter befinden sich inländische EPC-Unternehmen wie etwa Sun & Life, internationale Projektentwickler wie das deutsche Unternehmen Belectric, regionale Energieunternehmen wie ACWA Power, Zulieferer der Stromindustrie und Hersteller von Solarmodulen.

Saint-Gobain ist eines der Unternehmen, die an einem Engagement im Programm von KACARE interessiert sind. Der französische Glashersteller fertigt über seine Tochtergesellschaft Avancis CIGS-Module und hat gegenüber der saudischen Regierung in einer Absichtserklärung technische Unterstützung sowie Know-how für Bau und Betrieb einer Fabrik von CIGS-Dünnschichtmodulen im Land angekündigt. Im Rahmen des Projekts darf Saint-Gobain zukünftige Solaranlagen beliefern. Die gängigen Fabriken von Avancis, die bereits in Deutschland und – durch ein Joint Venture mit Hyundai Heavy Industries (HHI) – in Südkorea gebaut wurden, haben 100 Megawatt Kapazität, ihre Bauzeit liegt bei 8 bis 24 Monaten. Auch in Saudi-Arabien ist die Realisierung über ein Joint Venture wahrscheinlich: Die meisten Modullieferanten und andere ausländische Firmen, die in Saudi-Arabien bisher erfolgreich waren, haben mit Unternehmen vor Ort kooperiert.

Das Programm von KACARE ist jedoch nicht die einzige Möglichkeit, die üppige Sonneneinstrahlung im Land zu nutzen. Sun & Life beispielsweise bewirbt sich zusammen mit dem Partnerunternehmen ACWA Power für ein 490 Millionen US-Dollar teures 100-Megawatt-Projekt der Stadt Mekka, das zusätzlich zum KACARE-Programm läuft. Das Projekt wurde im September 2012 angekündigt; mehr als 20 Bieter wetteifern um den Zuschlag. Der gewählte Entwickler wird das Kraftwerk betreiben dürfen, bis er die Investitionen wieder eingefahren hat, wobei zu erwarten ist, dass der Bieter, der die kürzeste Vertragslaufzeit in Aussicht stellt, den Zuschlag erhalten wird. Abnehmer des Stroms wird die Saudi Electricity Company (SEC) sein. Nach Ablauf des Vertrags geht die Anlage dann in den Besitz der Stadt Mekka über, die den Strom als unabhängiger Stromerzeuger verkaufen wird.

Das Mekka-Modell könnte zum Vorbild für andere Städte in Saudi-Arabien werden, die ähnliche Projekte verfolgen. Besonders Industriestädte und -zentren haben einen hohen Strombedarf. Zusätzliche Solarleistung kann Stromausfällen, die sich stark auf die Produktivität auswirken, vorbeugen. Solche Projekte möchte Sun & Life, das auch in Kuwait, Jordanien und Bahrain an Photovoltaikvorhaben von mehr als 50 Megawatt beteiligt ist, sowohl entwickeln als auch besitzen und betreiben. Saudi Aramco, der nationale Öl- und Gasproduzent und größter Faktor für den Wohlstand Saudi-Arabiens, will demnächst entsprechende Pläne für 300 Megawatt an Solarprojekten vorlegen, was den Weg für Gigawatt-Investitionen ebnen könnte. Für den Energieversorger SEC sind Beteiligungen an Projekten unabhängiger Solarstromerzeuger ebenfalls möglich.

Vereinigte Arabische Emirate

Interesse an den Möglichkeiten im Nahen Osten hat auch First Solar. Die Dubai Electricity & Water Authority (DEWA) hat das Unternehmen für den Bau einer 13-Megawatt-Solaranlage in den Vereinigten Arabischen Emiraten ausgewählt. Im Rahmen des Vertrags übernimmt First Solar Ingenieurs-, Beschaffungs- und Bauleistungen und liefert die Dünnschichtmodule. Bei dem Projekt handelt es sich um die erste Phase des Ein-Gigawatt-Solarparks Mohammed bin Rashid Al Maktoum, bei dem sowohl Photovoltaik als auch Solarthermie zum Einsatzkommen. Dubai hat den Solarpark, der eine Fläche von 48 Quadratkilometern einnehmen soll, auf dem Weltenergiegipfel in Abu Dhabi (VAE) im Januar 2012 angekündigt. Er soll von der DEWA verwaltet und betrieben werden und bis 2030 voll einsatzfähig sein.

First Solar hat bereits Niederlassungen im Nahen Osten eröffnet, unter anderem in Dubai und Saudi-Arabien. Ziel ist, auf diesen Märkten an Ausschreibungen für Projekte teilzunehmen. Bislang hat First Solar im Nahen Osten fünf Megawatt in Abu Dhabi installiert, die Hälfte einer Zehn-Megawatt-Solaranlage als Teil der Masdar-Initiative. Die anderen fünf Megawatt entfallen auf Suntech.

Trotz solch früher eigener Solarpläne und Initiativen wie etwa Masdar drohen die VAE beim Ausbau der Kapazitäten hinter ihren Nachbarn, wie zum Beispiel Saudi-Arabien, zurückzubleiben. Auf den ersten Blick scheint das Ein-Gigawatt-Ziel des Solarparks Mohammed bin Rashid Al Maktoum sehr ehrgeizig, auch wenn zur Fertigstellung bis zum Jahr 2030 jährlich nur wenig mehr als 55 Megawatt installiert werden müssen. Bei einer aktuellen Umfrage von PricewaterhouseCoopers mit der Emirates Solar Industry Association (ESIA) meinten 72 Prozent der Befragten, dass die Solarbranche in den VAE über die kommenden fünf Jahre zwar wachsen werde, jedoch langsamer als im Rest der Welt. Die meisten der Befragten kamen aus den VAE und haben mehrjährige Erfahrung in der Solarbranche. Sie sehen ungenügende Rahmenbedingungen und mangelnde Investitionen in Form einer Einspeisevergütung als Hürden, die den solaren Aufschwung bremsen, obwohl die DEWA entsprechende rechtliche Rahmenbedingungen zur Förderung des Solarmarkts angekündigt hat. Die Behörde teilte außerdem mit, das Photovoltaik-Aufdachanlagen in Dubai in den kommenden Jahren zusätzliche 2,5 Gigawatt Photovoltaikkapazität bringen könnten.

Für Suntech stellt der Nahe Osten einen wichtigen langfristigen Wachstumsmarkt dar. Das Unternehmen arbeitet wie andere Photovoltaiklieferanten mit potenziellen Partnern zusammen, um auf Ausschreibungen im Frühjahr 2013 zu reagieren. In der israelischen Wüste Arava beobachtet Suntech gerade in einem Beta-Test die neuesten Module, um deren Leistung in der rauen Umgebung mit hohen Temperaturen und viel Sand und Staub zu beurteilen. Suntech sammelt dabei nicht nur Daten über die Leistung der Module in Israel, sondern auch für den Nahen Osten an sich, so Unternehmenssprecher Ryan Ulrich. Das Unternehmen hat seine Modulleistung bereits in Jordanien getestet, wo es um die Belieferung einer vonKawar Energy geplanten großtechnischen Anlage geht. Seit der Einführung des neuen Gesetzes für erneuerbare Energien und Effizienz im Frühling 2012 haben sich die Aussichten für großtechnische Projekte in Jordanien verbessert. Die Weltbank hat 70 Millionen US-Dollar (54 Millionen Euro) Unterstützung für ein 600-Millionen-Dollar-Projekt (459 Millionen Euro) zugesagt. Und Suntechs Konkurrent Trina Solar hat mit dem jordanischen Energieministerium Gespräche über Investitionen von 200 Millionen US-Dollar (153 Millionen Euro) in ein eigenes Photovoltaikprojekt im Land geführt.

Akteure und Projekte

Suntechs Projekt-Pipeline umfasst auch Bahrain, wo Petra Solar – einer der Partner – seine Präsenz im Nahen Osten mit einem Fünf-Megawatt-Projekt für die Bahrain Petroleum Company (BAPCO) und die University of Bahrain ausbaut. Basis sind Vereinbarungen mit der nationalen Öl- und Gasbehörde (NOGA), BAPCO und Caspian Energy Holdings. Die Fünf-Megawatt-Photovoltaikanlage soll zuverlässig Strom erzeugen und somit das Netz stabilisieren, langfristig soll sie neue Arbeitsplätze und Qualifikationsmöglichkeiten schaffen. Das von der bahrainischen Regulierungsbehörde Electricity & Water Authority (EWA) beaufsichtigte Projekt, das im ersten Quartal 2013 fertiggestellt werden soll, ist der erste Schritt des nationalen Energieplans zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen.

Petra Solar hat außerdem in Jordanien 2,4 Kilowatt Solarkapazität installiert, die erste Phase der Initiative „Let Jordan Shine“ (Lasst Jordanien glänzen). Petra Solar vermarktet eine Solartechnologie, die verteilte Photovoltaikkapazität mit Sensoren und Kommunikationstechnologie verbindet, um die Netzstabilität aufrechtzuerhalten, wenn die Solarkapazität hinzugefügt wird. Die Pipeline des Unternehmens für die zweite Phase von „Let Jordan Shine“ umfasst fünf Megawatt. Zur Unterstützung seiner Projekte im Jahr 2012 hat Petra Solar ein modernes Netzwerk-Kontrollzentrum an der Tafila Technical University (TTU) entwickelt und gebaut. Über das Zentrum können alle intelligenten Solarsysteme in Jordanien von einem zentralen Ort aus gesteuert und verwaltet werden, außerdem erlaubt es die interaktive Wissensvermittlung an die Studenten der TTU. Das Unternehmen hat inzwischen Niederlassungen in Jordanien und Bahrain eröffnet.

Zu den weiteren wichtigen Photovoltaikprojekten, deren Entwicklung 2013 ansteht, gehört ein Plan von Middle East Best Select Fund (MEBS) und Terra Nex: Sie wollen zwei Milliarden US-Dollar (1,5 Milliarden Euro) in den Aufbau von 400 Megawatt Photovoltaikleistung in Oman investieren. Neben den 400 Megawatt sind eine Modulfabrik, eine Fabrik zur Fertigung von Modulrahmen sowie Ausbildungs- und Lehreinrichtungen geplant. Und im Irak sollen 50 Megawatt Solarkapazität entstehen.

Heute liegt die installierte und in Betrieb genommene Photovoltaikleistung im Nahen Osten deutlich unter 35 Megawatt. Ab 2013 soll jedoch mit dem Bau von Dutzenden Megawatt begonnen werden. Damit hat im Nahen Osten der Wandel zur Sonnenenergie endlich begonnen. Immer mehr Länder, darunter Saudi-Arabien, Oman, Kuwait und Jordanien, schaffen günstige Rahmenbedingungen. Und durch Projekte wie KACARE und weitere Phasen des Ein-Gigawatt-Solarparks in Dubai werden in den kommenden zehn Jahren mehrere Dutzend Milliarden Euro in die Photovoltaik fließen.

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