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Ein, zwei Stunden nach Sonnenuntergang kommt der Reggae-DJ am Labadi Beach in Ghanas Hauptstadt so richtig in Schwung. Ein buntes Völkchen von Anhängern in grün-gelb-roten Shorts und Röcken mischt die Tanzfläche auf, lange Rastamähnen und -zöpfe wirbeln bei tropischen Abendtemperaturen um sehnige Körper. Doch mit einem Schlag ist Schluss mit lustig: statt dröhnenden Lautsprecherboxen Stille, statt gleißenden Schweinwerfern Dunkelheit. Ein Stromausfall lässt nicht nur in dem Strandlokal, sondern im gesamten Ostteil der Millionenmetropole Accra die Lichter, Kühlschränke, Pumpen für die Hauswasserversorgung und Klimaanlagen ausgehen und legt Internet- und Telefonverbindungen lahm.„So was passiert hier alle paar Tage“, erzählt Reggae-Fan Nahya und zündet vor seinem barackenartigen Haus mit Wellblechdach im angrenzenden Labadi-Viertel, wo er mit Frau und vier Kindern lebt, eine Kerosinleuchte an. Bewohner der wohlhabenderen Wohnquartiere in der Hauptstadt des westafrikanischen Küstenstaates bauen in solchen Fällen auf ein Notstromaggregat – und auf Diesel oder Benzin. Doch es geht auch anders: Stolz zeigt Professor Stephen Addae auf die 36 Schott-Solarmodule, die auf dem leicht geneigten Dach seines gepflegten Wohnhauses im Stadtteil East-Legon montiert sind. Zusammen mit gut zwei Dutzend Hoppecke-Batterien und SMA-Wechselrichtern liefern sie den Strom für seinen Fünf-Personen-Haushalt sowiedie private Fair-Lady-Klinik im angrenzenden Gebäude, die Addae leitet. Auch dann, wenn das öffentliche Netz mal wieder ausfällt. „Ich habe mich für eine solare Stromversorgung entschieden, weil sie zuverlässig ist“, sagt der pensionierte Universitätsprofessor und ergänzt: „Bisher bin ich sehr zufrieden.“ Den überschüssigen Strom speist er am Wochenende ins Netz ein.

Erst fünf Megawatt installiert

Angesichts dessen, dass bisher erst rund fünf Megawatt Photovoltaikleistung in Ghana installiert sind, meist in abgelegenen Landesteilen als Inselanlagen, ist Stephen Addae in mehrfacher Hinsicht ein Exot. Sein Beispiel zeigt jedoch, was alles möglich ist. Maßgeblichen Anteil daranhatte Henk Vermeer, Geschäftsführer der Energiebau-Sunergy Ghana und Vertreter von SMA in Westafrika. Er lieferte und installierte vor zwei Jahren die Anlage und verhandelte mit dem Netzbetreiber und den Behörden. Der gebürtige Holländer, der seit 13 Jahren in Ghana lebt, ist Berufsoptimist, pfiffiger Geschäftsmann und Solaraktivist. Wo andere – durchaus zu Recht – über hohe Bankzinsen, korrupte Beamte und Einfuhrzölle klagen, brachte er schon vieles auf den Weg. So belieferte er beispielsweise etwa 80 Kliniken unter kirchlicher Trägerschaft, die sich an der Aktion Lichtbox des deutschen Kindermissionswerks Sternsinger beteiligen, mit solar betriebenen Kühlschränken. Partner des Projekts ist unter anderem Schott Solar. Der technische Kundendienst läuft über die Elektriker der 20 katholischen Diözesen in Ghana.

Pilotprojekt und Energiegesetz auf dem Weg

Henks Hauptleidenschaft ist jedoch die netzgekoppelte Photovoltaik, „um Solarstrom auch in Ghana zum Mainstream zu machen“. So schaffte er es, schon 2006 als einziges Unternehmen eine Ausnahmegenehmigung der staatlichen Energiekommission für die Installation von Ongrid-Anlagen zu bekommen, obwohl es hierfür bis heute keine gesetzliche Grundlage gibt. Die in Deutschland geschulten Installateure der Energiebau-Sunergy Ghana montierten bisher in dem westafrikanischen Land mehr als 800 netzgebundene Photovoltaiksysteme mit einer jeweiligen maximalen Leistung von bis zu 30 Kilowatt, darunter auch das von Stephen Addae. Direkt vergütet wird der Solarstrom nicht, doch dafür laufen die Stromzähler der Anlagenbetreiber je nach Menge des eingespeisten Solarstroms rückwärts (Reverse Metering). Im vergangenen Jahr zog nun auch die Energy Commission nach und initiierte ein erstes offizielles Pilotprojekt für Ongrid-Photovoltaik mit Reverse Metering. Allerdings machten bisher laut Kwabene A. OtuDanquah, bei der Energy Commission zuständig für erneuerbare Energien, erst fünf Haushalte oder Unternehmen mit. Bei der aktuellen Ausschreibung haben sich bisher 25 Teilnehmer beworben.

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Photovoltaik in Ghana

Hemmende Faktoren

• Hohe Systempreise

• Geringe Kaufkraft der Mehrheit der Bevölkerung

• Erst anlaufende staatliche Programme

• Kleiner Binnenmarkt/keine funktionierende ECOWAS (Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft)

• Korruption/geringe Rechtssicherheit

• Hohe Einfuhrzölle

• Hohe Bankzinsen/schwierige Finanzierung

• Keine eigene Photovoltaikproduktion

• Schlechte Qualität chinesischer Importware

• Keine technische Überwachung

• Mangel an qualifizierten professionellen Installateuren vor allem für Ongrid-PV

Fördernde Faktoren

• Hohe solare Einstrahlung

• Neue staatliche Programme (Energiegesetz/Einspeisetarife)

• Photovoltaik als Puffer bei Netzausfällen auch im gewerblichen Bereich

• Positives Image von Solarstrom

• Hohe Kaufkraft einer Bevölkerungsminderheit

• Engagierte Einzelpersonen/Unternehmen

• Transfer von ausländischem Know-how

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Doch nun kommt Bewegung in den Markt der erneuerbaren Energien in Ghana. Das Kabinett in Accra verabschiedete jüngst ein neues Energiegesetz, womit der Anteil der erneuerbaren Energien am Strommix – inklusive kleiner Wasserkraftanlagen – von derzeit 0,1 Prozent auf zehn Prozent bis 2020 erhöht werden soll. Nicht eingerechnet ist die Stromversorgung aus großen Wasserkraftanlagen am Voltastausee, die bisher schon 65 bis 80 Prozent der Elektrizität des Landes liefern. Wesentlicher Bestandteil des neuen Energiegesetzes ist die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für die Netzeinspeisung sowie von Einspeisetarifen. „Wir brauchen Einspeisetarife, um die netzgekoppelte Photovoltaik voranzubringen, das zeigt ja auch das Beispiel Deutschland“, sagt Wisdom Ahiataku-Togobo. Der Direktor fürerneuerbare Energien im Energieministerium spricht übrigens fließend Deutsch und hat einen Lehrauftrag in Oldenburg. Um den Markt nicht zu überhitzen, so Ahiataku-Togobo, habe man allerdings bewusst die Ausbauziele für Photovoltaik moderat angesetzt. Zielmarke sind 20 Megawatt installierte Leistung bis 2020. Auch gelte es, einen „innovativen Finanzierungsweg“ zu finden, der die Armen des Landes nicht zu stark belaste. Derzeit sei geplant, zur Finanzierung der Einspeisetarife einen Green Fonds aufzulegen, der über Abgaben auf Petroleumprodukte finanziert werden soll. Die Höhe der Einspeisetarife werde momentan von einer Kommission festgelegt, bis Oktober sei mit einer Verabschiedung zu rechnen. Henk von Energiebau-Sunergy Ghana mischte im Gesetzgebungsverfahren nach eigener Aussage „aktiv mit“. Er rechnet damit, dass sich die Einspeisetarife für Photovoltaik zwischen 20 und 25 US-Cent pro Kilowattstunde bewegen werden, „in einer Kombination des Systems aus Deutschland und Indien. Sprich: Alle drei Monate werden die Einspeisetarife mit den anvisierten Ausbauzielen abgeglichen und dann jeweils nach oben oder unten angepasst.“

Erster Solarpark in Planung

Wie das endgültige Energiegesetz sowie die Ausgestaltung der Einspeisetarife aussehen, werden die nächsten Monate zeigen. Hilfestellungen hierfür kommen auch von der Weltbank sowie der deutschen Regierung. Solaranlagenbetreiber wie Professor Stephen Addae sitzen jedenfalls schon in den Startlöchern, um noch mehr Photovoltaik zu installieren: Auf seinem Dach stehen Montagegestelle für weitere 28 Module bereit. Sonnig sind auch die Aussichten für Energiebau-Sunergy Ghana: Derzeit habe man mindestens 40 netzgebundene Photovoltaikprojekte in der Pipeline, berichtet Henk Vermeer, und in den kommenden Wochen soll der Bau eines ersten großen Solarparks in Ghana mit einer Leistung von „bis zu zehn Megawatt“ starten.

Reggae-Fan Nahya, der sich und seine Familie mit dem Verkauf von Bildern am Labadi Beach über Wasser hält, hat auch Träume, allerdings bescheidenere. „Ein Fünf-Watt-Modul mit drei, vier LED-Lampen, die auch funktionieren, wenn das Stromnetz ausfällt, das wäre klasse“, sagt er und blinzelt in die gleißende Mittagssonne.

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