Energie in Würfelform

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Arnold Wild hat ganz konkrete Vorstellungen, wie in Architektur gegossene Energieeffizienz aussehen soll. „Der Würfel ist die optimale Form dafür“, sagt der Architekt der Stadtwerke Konstanz. Mit dem Entwurf des Energiewürfels gibt Wild den Stadtwerken ein neues Gesicht. Dieses Gesicht hat viel mit erneuerbaren Energien, Energiesparen und Offenheit zu tun. Die transparente Hülle des Würfels wird nur vereinzelt von geschlossenen Fassadenelementen unterbrochen, die ebenfalls mit Glas verkleidet sind. Trotzdem ist ein Servicegebäude mit positiver Energiebilanz entstanden. Über die gesamte Lebensdauer gerechnet holt sich das Gebäude mehr Energie von der Sonne und aus der Erde, als es selbst verbraucht.In dem gläsernen Kubus mit 15 Metern Kantenlänge demonstrieren die Stadtwerke ihren Kunden nicht nur, was energietechnisch alles möglich ist. Ab sofort bündeln sie dort ihre Beratungsdienstleistungen – vom Verkauf der Bustickets bis hin zur Energieberatung für Häuslebauer. Auf den 800 Quadratmetern, verteilt auf vier Etagen, soll es außerdem Informationsveranstaltungen, Ausstellungen und Energietechnik zum Anfassen geben. Für den Neubau haben die Stadtwerke insgesamt drei Millionen Euro in die Hand genommen. Anfang Juli ist der Energiewürfel auf dem Platz vor der Hauptverwaltung im Konstanzer Westen eingeweiht worden.
Einen großen Teil der Energie produziert die Südfassade des Gebäudes, diekomplett mit semitransparenten Solarzellen bestückt ist. „Das ist weltweit einmalig, bis vor einem halben Jahr war das nicht machbar“, sagt Architekt Arnold Wild. Drei mal vier Meter groß sollten die Module sein, damit sich die Photovoltaik homogen in das Fassadenraster einfügt. Bisher hat Wild zufolge noch niemand so große Glas-Glas-Elemente mit kristallinen Zellen an einem Gebäude verbaut. Die mit dem Fassadenbau beauftragte Firma Lindner aus dem bayerischen Arnstorf wollte schon abwinken, konnte aber schließlich den Modulhersteller Ertex mit ins Boot holen. „Ertex hat sich darauf eingelassen, einen Prototyp zu produzieren“, sagt Andreas Sönnichsen, Projektleiter bei Lindner. Die gelochten monokristallinen Zellen kommen direkt aus der Nachbarschaft von Sunways, die ebenfalls in Konstanz ansässig sind. Damit konnte Ertex den gewünschten Effekt erzeugen. Die 22-prozentige Transparenz der gelochten Zellen und die schmalen Zellzwischenräume erlauben es den Besuchern, wie durch eine Gardine durch die Module nach draußen zu schauen.
Die Produktion der riesigen Solarelemente für die Südfassade glich einem Experiment. Im Werk des Modulherstellers Ertex im österreichischen Amstetten müssen Module ab 2,50 Meter Breite stehend laminiert werden. In den Glastechnikmaschinen für die Herstellung von Verbundsicherheitsglas geht dies nicht anders. „Wir wussten auch nicht, ob das klappt“, sagt Josef Rechberger von Ertex. „In dieser Größe haben wir das zum ersten Mal gemacht.“ Das größte der Module mit rund zwölf Quadratmetern Fläche hat immerhin 638 Zellen und wiegt über eine Tonne. Die Herausforderung bestehe darin, die große Anzahl von Zellen ohne Bruch aus dem Laminierungsprozess herauszubekommen.
Dann mussten die Megamodule in die Pfosten-Riegel-Fassade eingebaut werden. Arnold Wilds Ansprüche waren auch dabei enorm. Die Pfosten der Fassadenkonstruktion sollten sehr schlank dimensioniert sein, um das Erscheinungsbild eines komplett gläsernen Würfels zu erreichen. Lediglich fünf Zentimeter breite Pfosten gestand Wild den Fassadenbauern zu.

Schlanke Konstruktion

„Diese schlanke Konstruktion in Kombination mit den schweren Glasscheiben war für uns die größte Herausforderung“, sagt Andreas Sönnichsen von Lindner. Mit Hilfe eines Autokrans und Saughaltern hoben die Monteure die Module in Position. Obwohl die Pfosten auf jeder Seite nur zwei Zentimeter Platz boten, mussten die äußerst passgenau gefertigten Scheiben so eingespannt werden, dass der Randverbund der Module verdeckt bleibt. „Das war Millimeterarbeit“, sagt der Projektleiter stolz. Um die tonnenschweren Elemente trotz der schmalen Pfosten sicher in der Konstruktion zu verankern, unterstützen Glasträger aus Edelstahl die Lagerung der Scheiben.
Insgesamt rund 46 Kilowattpeak Photovoltaik sind am Energiewürfel installiert; knapp zwei Drittel davon in der Südfassade. Das größte Modul bringt esauf eine Spitzenleistung von 1.246 Wattpeak. Für ein homogenes Erscheinungsbild haben die Planer die gelochten Sunways-Zellen auch vor den geschlossenen, hochwärmegedämmten Fassadenflächen installiert. Mit seitlichen Kabelanschlüssen sind die Module in Reihe verschaltet.
Schon bei der Herstellung wurde jedes Modul senkrecht in zwei elektrische Felder unterteilt. „Wegen der großen Zahl der Bypass-Dioden war das notwendig“, sagt Stefan Fischer von Sunways, der für die Verschaltung der Anlage verantwortlich ist. Wenn ein Teilbereich der Fassade verschattet wird, kann dieser mit Hilfe einer Bypass-Diode umgangen werden, so dass der Rest der Fassade die ungeminderte Leistung bringt. Doch die Anzahl der Dioden, die in einem Modul eingesetzt werden können, ist begrenzt. Bei diesen riesigen Modulen ist sie deutlich überschritten worden.
Die schlanken Pfosten zwischen den photovoltaischen Glaselementen forderten auch Fischer heraus. Denn unter der sehr schmalen Deckleiste mussten die Anschlüsse und die Verkabelung platziert werden. „Das war sehr knapp“, sagt Fischer. „Wir haben extra kleinere Stecker gewählt, um alles unterzubringen.“

Energieeffizienz trotz Transparenz

Ästhetik und Energieeffizienz gehen aber nicht automatisch Hand in Hand. Da die Fassaden des Würfels zu 60 Prozent aus Fensterflächen bestehen und Architekt Wild aus ästhetischen Gründen keinen außenliegenden Sonnenschutz verwenden wollte, waren die Fachingenieure nochmals gehörig herausgefordert. „Mit diesen großen Glasflächen in der Fassade war das Projekt mit einer reinen Dreifachverglasung nicht machbar“, sagt Planer Gerhard Weber. „Die Räume würden sich im Sommer zu stark aufheizen.“ Mit einem zweischaligen Aufbau kam Weber den scheinbar widersprüchlichen Wünschen des Architekten entgegen. Hinter den raumhohen Elementen einer Dreifachisolierverglasung hat der Fassadenplaner nun eine horizontal verschiebbare Einfachverglasung angeordnet. Eine spezielle Beschichtung dieser Glasfläche verzögert zusätzlich den Anstieg der Raumtemperatur im Sommer. Der 20 Zentimeter breite Zwischenraum dient als Klimapuffer. Im Sommer wird warme Luft abgesaugt und nach außen geführt. Im Winter werden die solaren Gewinne zum Heizen verwendet. Außerdem sind Sonnenschutzlamellen in dem Spalt angeordnet. Sie sperren nicht nur die Sonnenstrahlen aus, sondern lenken gleichzeitig das Tageslicht in die Tiefe des Raumes. Das spart Energie bei der elektrischen Beleuchtung.
Frischluft strömt über Öffnungen in den Decken in die Räume. Wärme und Kälte werden je nach Bedarf über einen Wasserkreislauf in den Fußböden und Decken im Gebäude verteilt. Eine Wärmepumpe mit 13 Erdsonden nutzt die gleichbleibende Temperatur des Erdreichs in 90 Metern Tiefe für die Wärmeproduktion im Winter und zur Kühlung in den Sommermonaten. Eine Oberlichtverglasung über dem Treppenhaus kann für die Nachtauskühlung geöffnet werden. Wenn die Besucher des neuen Servicezentrums dann die Treppe ins erste Obergeschoss hinaufsteigen, laufen sie an der Solarfassade entlang. „So können wir unseren Kunden die Funktionsweise der Photovoltaik unmittelbar zeigen“, freut sich Architekt Arnold Wild.

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