Bundesregierung verkennt Realitäten

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Im Zuge der EEG-Novelle zeigt sich die Bundesregierung bei der Solarförderung unnachgiebig. Sie befürwortet weder eine Ausweitung der Freiflächen für Photovoltaik-Anlagen noch will sie von ihrem Vorschlag abrücken, die Leistung kleiner Photovoltaik-Anlagen bei 70 Prozent zu kappen. Am Montag werden sich die Ausschüsse der Regierungskoalition erneut mit der EEG-Novelle befassen. Für Donnerstag ist die zweite und dritte Lesung des Gesetzes im Bundestag geplant. Den Grund zur Eile bei der EEG-Novelle versteht in der Solarbranche niemand. Die jüngst veröffentlichten Zahlen der Bundesnetzagentur zeigen, dass sich der Photovoltaik-Markt in Deutschland deutlich abgekühlt hat. Dennoch gibt es weiterhin Forderungen vom Wirtschaftsflügel der Union, die Solarförderung bei einem Gigawatt jährlich zu deckeln. Außerdem werfen diese Politiker der Branche vor, sich in den für die unterjährige Kürzung relevanten Referenzmonaten März bis Mai absichtlich zurückgehalten zu haben.

Zur Einschätzung der aktuellen Diskussion führte die photovoltaik ein Interview mit Martin Zembsch, Geschäftsführer der Belectric Solarkraftwerke GmbH.

Wie sehr hat Sie die Meldung der Bundesnetzagentur überrascht, dass der Zubau in den Monaten März bis Mai 2011 insgesamt nur 700 Megawatt betragen hat?

Zembsch: Diese Entwicklung konnte man in den vergangenen Wochen deutlich im Markt erkennen. Es herrschen sehr viele Überkapazitäten verbunden mit einem deutlichen Nachfragerückgang im Markt. Der Vorwurf der Politik, dass die Branche absichtlich Aufträge ins zweite Halbjahr „geschoben“ hat, entbehrt jeglicher Grundlage. Eine Vielzahl von Marktteilnehmern hat Modulbestände von insgesamt zehn Gigawatt im Lager liegen und kämpft teilweise ums Überleben. Andererseits beweisen die Zahlen, dass ein zubauabhängiger Preismechanismus funktioniert und die politische Forderung nach einem „Deckel“ einen großen Schaden anrichten würde, weil dann der Markt zum „Erliegen“ kommt.

Wie bewerten Sie die rasche Senkung der Solarförderung in der jüngsten Vergangenheit?

Zembsch: Grundsätzlich war es absolut richtig, die Tarife abzusenken. Ich halte jedoch  insgesamt den Degressionspfad für falsch. Es muss zwei getrennte Degressionspfade geben: Es muss einen für  Dachanlagen geben, wo man mit Kostenreduzierungen auch besser und schneller umgehen kann, weil es keine langen Vorlaufzeiten für Projektentwicklung  gibt. Für die Freiflächensolarkraftwerke fordern wir den gleichen Degressionspfad wie bei den Offshore-Windanlagen, nämlich jährlich fünf Prozent und keine unterjährigen Absenkungen. Denn bis wir ein solches Projekt realisieren können, sprich Abschluss des Pachtvertrages, Bauleitverfahren und alle Themen, kann es bis zu einem Jahr dauern. Wir  brauchen dringend Investitionssicherheit, wenn wir anfangen, ein solches Projekt zu entwickeln, und nicht erst, wenn wir es anfangen zu bauen. Außerdem ist es so, dass die Freifläche heute schon einen um 25 Prozent niedrigeren Tarif hat als die kleinen Dachanlagen. Aus dem Grund ist es auch vertretbar, dass die Absenkung für die Freifläche linear erfolgen kann.

Welche langfristigen Vorteile bringen Solarkraftwerke?

Zembsch: Die Politik verkennt vollkommen, dass mit einer heutigen Investition in Solarkraftwerke die Grundlage für günstige Strompreise in der Zukunft geschaffen wird.  Ähnlich wie Atomkraftwerke kann mit der Investition in  Solarkraftwerke Strom über die ersten 20 Jahre hinaus produziert werden. Die Anlagen haben sich zu diesem Zeitpunkt amortisiert und werden nicht durch weitere Abschreibungen belastet. Auch sind Solarkraftwerke in vollem Umfang „repowering“-fähig. Das bedeutet, dass nach Ablauf von 25 oder 30 Jahren nur die Solarmodule mit geringem Aufwand getauscht werden müssen. Die restlichen Investitionen in Unterbau und Infrastruktur können gegen geringe Wartungskosten weiterverwendet werden. Hiermit schaffen wir die Grundlage für Stromproduktionskosten aus erneuerbaren Energien von unter  fünf Cent pro Kilowattstunde. Bei einer Vielzahl von anderen erneuerbaren Energieerzeugungsarten muss nach Ablauf von 15 oder 20 Jahren wieder in eine komplett neue Anlage investiert werden, was ebenfalls wieder zu einer hohen Verbraucherkostenbelastung führt.

Welche Konsequenzen befürchten Sie, wenn die Bundesregierung mit der EEG-Novelle nicht für eine Ausweitung der Flächen für Solarparks sorgt?

Zembsch: Ganz klar, dass die Verbraucher mit wesentlich höheren Kosten belastet werden und dass der Ausbau der erneuerbaren Energien ganz klar langsamer gehen wird und wir somit länger auf andere Energieerzeugungsarten zurückgreifen müssen wie fossile und Atomenergie.

Ein Interview mit Martin Zembsch über das Thema Ausweitung der Flächen für Solarparks finden Sie auch in der kommenden Ausgabe der photovoltaik (07/2011). Sie erscheint am 7. Juli. (Sandra Enkhardt)

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