Heiß begehrt

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Zwischen der westlichen Welt und China gab es 2010 immer wieder Ärger. Wirtschaftlich ging es dabei neben dem Dauerstreitthema fairer Wechselkurse vor allem um Rohstoffe. Als China beispielsweise im Herbst ankündigte, seine Exporte seltener Erden einzuschränken, drohten EU und US-Regierung prompt mit einer Klage vor der World Trade Organisation (WTO). Davon ist zwar inzwischen keine Rede mehr – auch weil China zusagte, seine Lieferungen fortzusetzen. Doch das Beispiel zeigt, welchen Stellenwert die sichere Versorgung mit Rohstoffen für die Industrie mittlerweile hat. Innovative Produkte insbesondereaus dem Elektronik- und Elektrotechnikbereich kommen ohne einen breiten Mix verschiedener Metalle nicht mehr aus. Bei Mobiltelefonen können es nach einer Studie des United Nations Environment Programme (UNEP) mehr als 40 sein. Dazu zählt das Basismetall Indium, das auch für die Photovoltaikbranche immer wichtiger wird.

Eine Frage des Geldes

Doch wie sieht es aus mit der Verfügbarkeit der für die Wachstumspläne vieler Unternehmen nötigen Metalle Kupfer, Indium, Selen und Gallium? Eine aktuelle Studie der deutschen Bundesanstaltfür Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) scheint zunächst Entwarnung zu geben. Gallium und Indium stehen demnach geologisch grundsätzlich mehr als ausreichend zur Verfügung und lassen sich auch mittels Recycling wiedergewinnen. Die Erschließung der Reserven sei letztlich eine ökonomische Frage. Doch genau das ist der springende Punkt.

Wie Brian Jaskula vom geologischen Dienst der USA (USGS) in seiner „Mineral Commodity Summary“ über Gallium schreibt, ist nur ein kleiner Teil von Gallium in Bauxit und Zinkerzen wirtschaftlich förderfähig. Gallium kommt in stärkerer Konzentration vor allem im Bauxitvor, aus dem Aluminium gewonnen wird. Jaskula schätzt den Anteil auf 50 Parts per million (Teile pro Million). Allerdings ist eine umfassende Aufbereitung des Metalls, das vor allem für integrierte Schaltkreise und LED benötigt wird, für die Minenkonzerne bisher kaum interessant. Während 2009 nach Auskunft des Internationalen Aluminium-Instituts (IAI) mehr als 35 Millionen Tonnen Aluminium produziert wurden, lag die Galliummenge bei nur etwa 150 Tonnen; 2008 waren es laut USGS 111 Tonnen.

Theoretisch wäre bei einer Erschließungsquote von 40 Prozent zwar eine Jahresproduktion von 4.000 Tonnen Gallium möglich, rechnet die BGR vor. Diese Quote wird bei den wenigen Aluminiumhütten erreicht, die bisher auch Gallium aus Bauxit extrahieren. Doch ob diese Größenordnung auf alle Schmelzhütten einfach übertragen werden kann, ist mehr als fraglich. „Gallium ist in der Branche bisher kein Thema“, sagt Michael Steffen von der norwegischen Firma Norsk Hydro, einem der weltweit größten Aluminiumproduzenten. Das müsste es aber werden, wenn der von der deutschen BGR für das Jahr 2030 prognostizierte Bedarf von mehr als 600 Tonnen gedeckt werden soll. „Letztlich wird die Galliumproduktion eine Frage des Preises sein“, sagt Steffen. Die Minenbetreiber dürften wohl nur bei steigenden Rohstoffnotierungen daran Interesse haben.

Auf der Suche nach Alternativen

Und das wiederum dürfte die Einkaufspreise für die CIGS-Produzenten erhöhen. Wolfgang Lange, Europa-Chef von Solar Frontier, bleibt bei dieser Frage entspannt. „Wir haben unseren Rohstoffbedarf mit mittel- bis langfristigen Verträgen abgesichert“, sagt er. „Wir sehen auch langfristig kein Versorgungsproblem.“ Der Rohstoffbedarf für CIS bewege sich im Vergleich mit der siliziumbasierten Solartechnologie „nur im Prozentbereich“. Dennoch versucht die Firma, Rohstoffe zu sparen, etwa durch die kontinuierliche Steigerung der Wirkungsgrade. „Außerdem gewinnen wir Indium im Fertigungsprozess zurück.“ Solar Frontier sucht zudem nach Alternativen. „Wir untersuchen auch andere technische Optionen, die Potenzial versprechen, etwa Dünnschichtzellen auf Basis von Zinn, Zink und Schwefel.“ Damit sieht sich Lange gewappnet für etwaige Kapriolen an den Rohstoffmärkten.2010 haben sich alle CIGS-Metalle deutlich verteuert. So stieg der Galliumpreis laut Infodienst Metal Pages innerhalb von zwölf Monaten um rund 45 Prozent auf 650 Dollar je Kilogramm. Indium legte von 500 Dollar das Kilo auf 560 Dollar zu. Indium ist nach von der USGS zitierten Schätzungen mit im Schnitt 28 Prozent Gewichtsanteil der wertvollste Stoff im CIGS-Mix. Gallium und Kupfer kommen auf je zehn Prozent. Der Rest ist Selen. „Noch sind keine Verknappungstendenzen beim Indium zu beobachten. Doch jeder Marktteilnehmer tut gut daran, die Rohstoffmärkte genau im Auge zu haben“, empfiehlt Adalbert Lossin, Geschäftsführer der CIS Solartechnik GmbH, einem Joint Venture aus Europas größtem Kupferproduzenten Aurubis mit dem deutschen Haustechnik-Großhändler Cordes & Graefe. Das in Hamburg ansässige Unternehmen betreibt aktuell eine Pilotfertigung von CIS-Modulen nach einer technologischen Eigenentwicklung.

Hauptabnehmer des Indiums ist bisher die stark wachsende Flachbildschirmindustrie. Lossin geht davon aus, dass die Flachbildschirmhersteller das Metall mittelfristig durch andere Stoffe ersetzen werden. Schon heute geschieht das durch den Einsatz des Halbmetalls Antimon. „Für die CIS-Photovoltaik ist das aber kein Szenario“, sagt er. Nach Schätzungen des US-Indiumproduzenten IndiumCorporation wird sich der Bedarf der Solarindustrie bis 2013 im Vergleich zu 2008 auf 300 Tonnen im Jahr fast verzehnfachen.

Verträge wichtiger als Reserven

Ähnlich wie beim Gallium hängt die Frage der Verfügbarkeit davon ab, inwiefern heutige Zinkhütten – Indium kommt laut USGS in Anteilen zwischen einem und 100 Parts per million in Zinkerzen vor – das Indium extrahieren werden. Insbesondere chinesische und koreanische Hüttenwerke, die rund zwei Drittel der Weltproduktion von derzeit 600 Tonnen kontrollieren, haben in den letzten Jahren ihre Kapazitäten erweitert. Für Aurubis selbst lohnt die Herstellung von Indium nicht, weil das Metall in den Kupferkonzentraten nur in einer sehr geringen Konzentration vorkommt. „Wir haben feste Abnahmeverträge mit externen Anbietern“, sagt Lossin. Auch die USGS betont: „Die meisten Vorkommen der Metalle Kupfer, Blei und Zinn ermöglichen keine wirtschaftliche Indiumgewinnung.“ Eine Reserveschätzung wollen die US-Geologen daher gar nicht erst abgeben. Die von der deutschen BGR genannten und auf Industrieangaben basierenden 50.000 Tonnen scheinen vor diesem Hintergrund eine sehr optimistische Annahme.

Auch die dauernde Verfügbarkeit von Kupfer, obwohl eines der am meistenweltweit eingesetzten Metalle, ist keinesfalls sicher. Der enorme ökonomische Aufholprozess der Schwellen- und Entwicklungsländer hat den Bedarf in den vergangenen Jahren kräftig anwachsen lassen. Der Verbrauch von raffiniertem Kupfer wird 2011 nach einer Prognose der International Copper Study Group im Vergleich zu 2010 um 4,5 Prozent auf 19,7 Millionen Tonnen steigen. Das sind 50 Prozent mehr als noch vor zehn Jahren. Entsprechend teuer ist das rötliche Metall. War eine Tonne an der London Metal Exchange 2000 noch für 1.800 Dollar zu bekommen, ist der Preis allein in diesem Jahr im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 20 Prozent auf knapp 9.000 Dollar gestiegen.

Finanzinvestoren wie Joachim Berlenbach von der Earth Resource Investment Group glauben, dass das so weitergehen wird. „Allein China wird in gut zehn Jahren fast doppelt so viel Kupfer benötigen wie heute. Das liegt unter anderem am zusätzlichen Bedarf für den Wind- und Solaranlagenbau.“ Sein Fazit: „Kupfer wird knapp. Die Preise werden weiter steigen.“ Lediglich beim Selen dürfte die Industrie auch langfristig entspannt in dieZukunft blicken. Zwar ist er mit 52 Prozent laut USGS der mengenmäßig bedeutendste Rohstoff für die CIGS-Technik, zugleich aber reichlich verfügbar. USGS schätzt die Weltreserven auf 88.000 Tonnen. Der jährliche Bedarf liegt aktuell bei 1.500 Tonnen. Entsprechend günstig ist es zu beschaffen. Auch wenn sich der Preis für ein Pfund (Libra) 2010 von 25 auf 50 Dollar verdoppelte, ist es der billigste Rohstoff der CIGS-Familie. Selen wird in der Kupferförderung als Beiprodukt gewonnen. Der Aurubis-Konzern verfügt nach eigener Auskunft über einen Weltmarktanteil von 20 Prozent und dürfte so den hauseigenen CIS-Produzenten besonders günstig versorgen können. Auch das Recycling von Selen ist längst etabliert. Der Stoff kommt vielfach in Trommeln von Kopierern vor, deren Aufbereitung Standard ist.

Noch kein umfassendes Recycling

Anders sieht es bei der Wiederverwertung von Gallium und Indium aus. Denn ein umfassendes Recycling von Elektroschrott findet immer noch nicht statt. Nach einem Bericht des UNEP wird Elektronikschrott bisher vielfach illegal in Länder der sogenannten Dritten Weltexportiert, wo etwa ausrangierte Platinen auf wilden Müllkippen verrotten oder unter Einsatz primitivster Feuer aufgeschmolzen werden. Zu den zentralen Metallen, die mit sinnvollem Elektroschrott-Management wiedergewonnen werden könnten, zählt laut UNEP Indium. Doch noch werde die enorme Quelle, die Elektro- und Elektronikschrott darstellt, weitgehend ignoriert.

Das ist auch eine Frage der Kosten, denn nach Berechnungen von UNEP und des belgischen Chemie- und Metallkonzerns Umicore erfordert der Bau eines auf Elektroschrott spezialisierten Schmelzofens in Europa mit einer Jahreskapazität von 350.000 Tonnen eine Investition von rund einer Milliarde Euro. Ein reiner Aluminiumschrottofen ist schon für die Hälfte zu haben. Trotz höheren Investments lohnt sich nach Ansicht Umicores zwar die als Urban Mining bezeichnete Aufbereitung des Elektroschrotts wegen des hohen Anteils wertvoller Metalle. Doch zu einer Preisentlastung für die Käufer westlicher Industrien wie die CIGS-Branche würde das Recycling wohl nicht führen. Dafür aber immerhin zu weniger Streit mit China um knappe, neue Rohstoffe.

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