Nicht mehr als zwei Cent

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Es hört sich zu schön an, um wahr zu sein. Am 11. November 2010 eröffnet Günther Cramer, Präsident des Bundesverbandes Solarwirtschaft (BSW-Solar) den rund 700 Zuhörern auf dem Branchentreff Forum Solarpraxis, dass sich der Verband bis 2020 einen beachtlichen Zubau an Photovoltaikleistung vorstellt und die Kosten durch die Einspeisevergütung trotzdem kaum steigen werden. „Die Roadmap wird der Branche den Weg bereiten, in einen konstruktiven Dialog mit der Politik und der Gesellschaft und der Wirtschaft zu treten. Und sie wird ein Meilenstein sein in der Auseinandersetzung um den Ausbau der Photovoltaik“, verkündet er.
Der Saal ist voll, das Podium hochkarätig besetzt. Vorne links Katharina Reiche, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, vorne rechts Günther Cramer, der auch Vorstandssprecher des Wechselrichter marktführers SMA ist. Beide laufen sich bereits warm für die nächste Runde des Ringens um das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Zum 1. Januar 2012 plant die Regierung eine Novelle des Gesetzes.
Dabei verstärken die Energieversorger nach Cramers Beobachtung schon jetzt massiv ihre PR-Aktivitäten gegen Solarenergie. „Der Konflikt eskaliert derzeit.“ Nach seiner Interpretation nimmt ihnen die Photovoltaik zunehmend Marktanteile weg, und sie haben noch kein Geschäftsmodell, wie sie von der Technologie profitieren können. Das nächste Jahr werde „entscheidend sein für die Zukunft der Photovoltaik in Deutschland“.
Die Branche hängt immer noch am Tropf, und der Bundesverband scheint erkannt zu haben, dass er offensiv damit umgehen muss, um in der politischen Diskussion gehört zu werden. Er präsen tierte den „Wegweiser Solarwirtschaft“, eine Roadmap für das Jahr 2020, bei der die Kosten eine wesentliche Rolle spielen. Der Verband beauftragte die Unternehmensberatung Roland Berger und Prognos. Prognos steht inzwischen für eine hohe Glaubwürdigkeit, da das Unternehmen bekannt ist für energiewirtschaftliche Analysen und seit einiger Zeit Studien für alle Seiten erstellt. So ließ die schwarz-gelbe Bundesregierung dort die Grundlagen des Enegiekonzepts rechnen, mit dem sie die Verlängerung der Kernkraftwerkslaufzeiten rechtfertigte. Der WWF ließ Prognos dagegen letztes Jahr anlässlich des Kopenhagener Klimagipfels ausrechnen, wie Deutschland bis 2050 nahezu Kohlendioxid-emissionsfrei werden könnte – nur mit Erneuerbaren und ganz ohne Kernkraft und Kohle.

Szenario für 2020

Der Spagat funktioniert, da verschiedene Auftraggeber verschiedene Ziele vorgeben. Der BSW-Solar gab vor, ein Szenario zu entwickeln, das den Nationalen Aktionsplan der Bundesregierung mit 52 Gigawatt Photovoltaikzubau bis 2020 umsetzt. Diese Zahl meldete die Regierung im Sommer nach Brüssel. Außerdem sollten die Experten noch ein etwas forscheres Szenario entwickeln, in dem 70 Gigawatt zugebaut werden. Laut Roadmap will der BSW ein Ziel zwischen den beiden Werten erreichen.
Heraus kam das Bild einer aus Branchensicht schönen Zukunft für das Jahr 2020, eine Mischung aus Zielsetzungen und Berechnungsergebnissen. Klare Visionen sollen die Orientierung erleichtern. Erstens soll Photovoltaik einen wesentlichen Beitrag zum Wandel des Energiesystems leisten und zu einer bedeutenden Säule desselben werden. Zweitens soll die Industrie die besonderen Vorteile der Technologie ausspielen. Drittens soll die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie am Standort Deutschland erreicht werden. Damit ist klar, dass die Roadmap umfassend sein muss. Neben den Kosten muss sie auch die technologischen Fragen der Netzintegration berücksichtigen.
Trotzdem, über allem stehen die Systemkosten, die man erwarten kann. „In unserem Bottom-up-Ansatz haben wir mit 30 Akteuren entlang der Wertkette gesprochen, vom Siliziumhersteller bis hin zum Handwerker. Wir haben dann einen unteren und einen oberen Preispfad bestimmt“, sagt Torsten Henzelmann, Partner im Kompetenzzentrum Civil Economics bei Roland Berger Strategy Consultants und Professor für Sustainable Business an der Fachhochschule Trier. Er und seine Kollegen schätzen ab, dass im Jahr 2020 Systeme nur zwischen 1,32 und 1,52 Euro kosten werden, circa die Hälfte im Vergleich zu heute. Ab 2017 sollen die Systeme, die einen hohen Eigenverbrauchsanteil erreichen, im Vergleich zum Netzstrom günstig
genug sein, dass sie an einigen Standorten ohne Förderung profitabel sind. Das ist allerdings nicht zu vergleichen mit der Netzparität, die bereits 2013 erreicht werden soll. Solange nämlich der Eigenverbrauch gering ist, braucht man das Stromnetz als Speicher und damit das EEG.

Tabubruch Industriepolitik

Neu ist für den BSW, dass er von der Vorstellung Abschied nimmt, wie in der Vergangenheit mit einer hohen Einspeisevergütung die produzierenden Unternehmen stützen zu wollen. Stattdessen tritt er nun für eine wie auch immer geartete Indus triepolitik ein. Die Roadmap setzt Ziele, wie groß der Weltmarktanteil deutscher Firmen in den verschiedenen Segmenten sein soll. Der Maschinenbau hat heute schon 50 Prozent. Das soll so bleiben, er ist in Deutschland besonders stark. Doch der BSW wünscht sich auch 8,5 Gigawatt Modulproduktionskapazität in Deutschland. Dafür fordert er Selbstverpflichtungen und politische Maßnahmen.
Besonders begeistern wird die Branche, dass die hiesigen Installateure nach den Vorstellungen des BSW-Solar weiter fleißig Anlagen zubauen können, ohne dass die EEG-Umlage, die die Stromverbraucher zahlen müssen, noch einmal signifikant steigt. Zu diesem Ergebnis kommen die Experten durch Analyse der beiden Szenarien, einmal 52 Gigawatt Photovoltaik im Jahr 2020, einmal 70 Gigawatt. Nach einem erwarteten Zubau von neun Gigawatt für 2010 und sechs Gigawatt für 2011 bliebe dann zwischen 2012 und 2020 ein Zubaupotenzial von drei bis fünf Gigawatt pro Jahr.
Diese Höhe ist sinnvoll, wie Volker Quaschning, Professor an der Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Berlin, in seinem Vortrag vorrechnete. Deutschland habe ein Photovoltaikpotenzial von rund 200 Gigawatt. Ist es erst einmal realisiert und halten die Anlagen 20 bis 30 Jahre, müssten jedes Jahr Anlagen von circa sechs Gigawatt gebaut werden. Diese Installationskapazität ist also langfristig sinnvoll in Deutschland.
Aus den angenommenen Zubauzahlen ergeben sich Degressionen für die verschiedenen Jahre entsprechend dem jetzigen EEG. Auf Seite 19 der Präsentation, die man über die BSW-Homepage beziehen kann, steht dann, was des Pudels Kern ausmacht. Als einen der größten Kritikpunkte an der Förderung der Photovoltaik führen Politiker und Verbraucherschützer die Kosten an, die durch den Solarstrom entstehen. Für jede Anlage, die ans Netz geht, müssen die Netzbetreiber 20 Jahre lang die nach dem EEG vorgeschriebene Einspeisevergütung zahlen. Die Differenz zum Strompreis, den der Sonnenstrom an der Leipziger Strombörse wert ist, wird auf alle Stromverbraucher umgelegt.
Ein Balkendiagramm schlüsselt die EEG-Umlage auf, die sich aus den Zahlen der BSW-Roadmap ergibt (siehe Grafik). Von 2009 auf 2010 steigt die Umlage von 2,5 auf 3,3 Cent pro Kilowattstunde. (Das sind die Berechnungen nach dem Szenario. Den tatsächlichen Wert hat die Netzagentur vor kurzem mit 3,53 Cent festgelegt.) Photovoltaik macht mit 0,67 Cent den Hauptteil der Steigerung aus. Das ist logisch bei dem angenommenen enormen Zubau dieses Jahr.

Keine zusätzlichen Kosten

Doch dann offenbaren die Balken etwas, was vielen Zuschauern wie ein Wunder vorkommen musste. Von 2011 bis 2013 bleibt die photovoltaikbedingte Umlage im Szenario nach dem Nationalen Aktionsplan nahezu konstant, und auch in den Jahren danach übersteigt sie nicht die Obergrenze von rund 2,10 Cent.
Das Beinahe-Wunder – Photovoltaikzubau ohne Kostensteigerung – erklärt sich unter anderem durch den Strompreis, der in die Rechnung eingeht. Nach Szenarien-Vorgaben simulierte Prognos mit einer zeitlichen Auflösung von einer Stunde, wie sich Angebot und Nachfrage bis 2020 entwickeln und wie viel eine Kilowattstunde an der Strombörse kostet. „Die Strompreise waren wegen der Wirtschaftskrise im Keller“, erklärt Jens Hobohm, Marktfeldleiter Energiewirtschaft bei Prognos. Prognos nimmt Rohstoffpreise nach den Daten des World Energy Outlooks an, mit dem Resultat, dass die Strompreise steigen. Das hat einen dämpfenden Effekt auf die EEG-Umlage. Ein weiterer dämpfender Effekt für die Werte nach 2011 ist, dass die Umlage 2011 eine Art Nachzahlung für 2010 enthält. Die zusätzlich berechneten 0,3 Cent gehen 2012 wieder runter.
Zu den Vorgaben des BSW gehörte auch der Atomausstiegsbeschluss. Das erhöht in dem Modell von Prognos den Strompreis im Vergleich zu einem Szenario, das die beschlossene Verlängerung der Atomkraftwerklaufzeiten berücksichtigen würde. Kommt die Verlängerung wirklich, sinken die Preise und die Umlage steigt. Der Effekt wird schon bald bedeutsam. „Etwa sieben Kernkraftwerke würden ohne Laufzeitverlängerung in den nächsten drei Jahren vom Netz gehen“, sagt Hobohm. Allerdings sollte man den Effekt auch nicht überbewerten. Die Umlage „wird nicht über fünf Cent steigen“, schätzt er. Er bezieht sich auf die gesamte Umlage der erneuerbaren Energien, die zu 50 bis 60 Prozent durch Solarstrom verursacht wird.
Zwar bezweifelt zum Beispiel Ulrich Kelber, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD im Bundestag und unter anderem verantwortlich für Umwelt und Nachhaltigkeit, dass es tatsächlich zu einer Laufzeitverlängerung kommen wird, obwohl sie bereits im Bundestag verabschiedet wurde. Trotzdem offenbart sich daran der Schwachpunkt der BSW-Strategie. Die Erklärung, dass bestimmte Annahmen zu Strompreisen und ein angenommener Atomausstieg zum Ergebnis führen, gibt nicht der Verband, sondern einige Tage später die Presse. Wenn BSW-Pressesprecher Daniel Wedepohl die PR-Panne damit begründet, dass der Ausstieg zum Zeitpunkt der Auftragsvergabe geltendes Gesetz gewesen sei, klingt das schon wieder sehr defensiv. Umso mehr, als BSW und Roland Berger die Antwort darauf noch schuldig bleiben, welcher Strompreis in den Szenarien berechnet wurde und wie sich die Umlage bei einer Laufzeitverlängerung entwickeln würde.

Dabei wäre es durchaus auch möglich, die Atomausstiegsrechnung offensiv zu verkaufen. Denn daran, dass mit Laufzeitverlängerung die EEG-Umlage steigt und die Erneuerbaren scheinbar teurer werden, zeigt sich der Systemkonflikt zwischen den Energieformen, den die Bundesregierung partout nicht sehen will. Ebenso könnte man ausschlachten, dass die EEG-Umlage nicht die wirklichen Kosten widerspiegelt. Die liegen darunter, da der Erfolg der Erneuerbaren an der Strombörse eine preissenkende Wirkung hat, was paradoxerweise die EEG-Umlage erhöht.
Man muss die Zwischentöne hören, um zu ahnen, was der Branche alles drohen könnte. CDU-Staatssekretärin Katharina Reiche ist in ihrem Vortrag am 11. November zunächst voll des Lobes für das Erneuerbare-Energien-Gesetz und die Branche, „die Kosten dürften den Nutzen nicht überdecken“. Doch sie sagt auch, dass über die „Kosteneffizienz“ gesprochen werden müsse, dass sie „die Zustimmung zum EEG nicht gefährden“ wolle. Und sie betont, dass die Markt- und Netzintegration bei dem fluktuierenden Angebot eines der wichtigen Themen sei. Und sie verweist auf die Chancen, die das Energiekonzept bie

Angriff aufs EEG

Wer darin liest, findet auf Seite A-120 der begleitenden Rechnung die Tabelle, die es in sich hat. Danach ist bis 2020 ein Ausbau von nur 33 Gigawatt vorgesehen, 20 Gigawatt weniger als im Nationalen Aktionsplan, den die Bundesregierung nach Brüssel gemeldet hat. Berücksichtigt man, dass 2010 schon rund 15 Gigawatt installiert sind, blieben danach nur rund 1,5 Gigawatt jährlicher Zubau bis 2020 übrig. Transparenz ist auch hier Fehlanzeige. Wie das Energiewirtschaftliche Institut an der Universität Köln, das für diesen Teil verantwortlich ist, auf die 33 Gigawatt kommt, bleibt unklar.
Trotzdem sollte man die Zahl ernst nehmen. Auf Anfrage des grünen Bundestagsabgeordneten Hans-Josef Fell antwortete das Ministerium, dass der Nationale Aktionsplan den Hinweis enthalte: „Es ist … nicht auszuschließen, dass im vorliegenden Nationalen Aktionsplan enthaltene zukunftsbezogene Daten und Aussagen durch das Energiekonzept geändert werden.“ Hans-Josef Fell berei tet es große Sorgen, was mit der Novelle auf die erneuerbaren Energien zukommen wird. Die Branche wird alle Hände voll zu tun haben, um bei drei großen Themen das Schlimmste abzuwenden. Das sei erstens der Einspeisevorrang der Erneuerbaren, der besagt, dass der Strom aus Erneuerbaren immer vergütet werden muss, auch wenn gerade genug Strom vorhanden ist, den zum Beispiel Atomkraftwerke erzeugen. Zweitens drohe eine Deckelung. Drittens könnte die Vergütung unter die Wirtschaftlichkeitsgrenze fallen.
Da ist es auch keine Entwarnung, dass nach Auskunft der Presseabteilung des Umweltministeriums vermutlich der Bundesrat zustimmen muss, in dem die Regierung keine Mehrheit hat. Man müsse sich einigen, da durch den hohen Zubau die Kosten steigen. „Der Druck im Kessel wird groß sein“, sagt Fell. Dem werden sich auch die Landesregierungen im Bundesrat nicht entziehen können.

So billig wie Offshore-Wind sein

Für die Branche ist die Frage interessant, ob sich der BSW mehr Gehör wird verschaffen können als dieses Jahr, wo er kaum Einfluss auf die Entscheidung nehmen konnte. Hans-Josef Fell hält das Vertrauen in die BSW-Aussagen für angekratzt. Er hält die Roadmap zwar für „einen guten Schritt“ der Branche, da sie Probleme aufgreife, die objektiv vorhanden seien. Aber: „Der BSW hat in der Vergangenheit immer wieder Prognosen gemacht, die dann nicht eingehalten wurden“, sagt Fell. Ein Weg, das Vertrauen zurückzugewinnen, sei, nicht nur Ziele, sondern auch Maßnahmen vorzuschlagen. Bezogen auf die Roadmap heißt das, dass der Verband konkrete Schritte aufzeigen muss, mit denen die EEG-Umlage wirklich unter den angegebenen Limits zu halten ist.
Auf die Frage, ob es gute Lobbyarbeit sei, dass die Presse die Studienannahmen aufgedeckt habe, antwortet Ulrich Kelber: „Nein. Ich bin immer dann vorsichtig, wenn mir nicht eine Anlage dazugegeben wird mit den Annahmen, das gilt übrigens für die Dena-Netzstudie wie für die RWI-Rechnung wie für das Szenario des BSW.“ Er rät dem BSW-Solar, weitere Akzente zu setzen, um zumindest die Öffentlichkeit für sich zu gewinnen. Die Branche könne das Angebot machen, dass ab 1. Januar 2013 Großanlagen nur noch die Förderung bekommen, die der von Offshore-Windkraft entspricht. Diese Technologie hat in der Bundesregierung und bei den Energiekonzernen Freunde, denen dann die rationalen Argumente fehlen, sich gegen die Photovoltaikförderung zu wenden. (Das vollständige Interview mit Ulrich Kelber finden Sie unter www.photovoltaik.eu und dem Webcode 0011.)
Unerledigte Hausaufgaben hat der BSW-Solar auch bezüglich seiner Ziele, für die er eine Industriepolitik fordert. BSW und Roland Berger haben da nur diffuse Vorstellungen. Meist fällt das Stichwort KfW, Kreditanstalt für Wiederaufbau. Ein Anruf klärt schnell darüber auf, dass die Bank bisher nur kleine und mittlere Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitern mit billigen Krediten unterstützt. Dass große Produktionsanlagen von größeren Unternehmen gefördert werden könnten, sei eher unwahrscheinlich. Das einzige Beispiel dafür gab es beim Konjunkturprogramm der Bundesregierung. Und ob sich die Regierung davon überzeugen lässt, die Photovoltaik mit einer ähnlichen Ausnahme zu fördern, darf mehr als bezweifelt werden.
Günther Cramer scheint darum zu wissen. „Das ist ein Thema, das in Deutschland neu ist, dass wir Industriepolitik in einer Art und Weise machen, dass wir bestimmten Industriezweigen ermöglichen, wettbewerbsfähig zu agieren zu anderen Nationen, besonders zu asiatischen Wettbewerbern“, sagt er. Der Weg ist mutig, aber gewagt. Ulrich Kelber von der SPD ist den Forderungen gegenüber aufgeschlossen. „Die SPD ist die einzige Partei, die von sich sagt, dass sie aktiv Industriepolitik machen möchte“, sagt er. Doch selbst Solarfreund Hans-Josef Fell kann sich nicht richtig dafür erwärmen. Er sieht keinen Spielraum, dass die Regierung dafür wirklich Geld in die Hand nimmt. Angesichts der Haushaltslage sei es „schlicht nicht mehr möglich, groß zu subventionieren“. Da müsse die Branche findiger werden.
BSW und Roland Berger verweisen bei den Kritikpunkten auf die Langfassung der Studie, die in einigen Wochen erscheinen soll. Auch sollen die Szenarien jetzt noch einmal mit Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke berechnet werden. Darauf, ob dann wirklich der Dialog mit der Politik und insbesondere mit der schwarz-gelben Regierung beginnt, darf man gespannt sein. Auf dem Forum Solarpraxis hat die Staatssekretärin nicht einmal Fragen zugelassen. So konnte sie auch nicht auf die Verwirrung eingehen, die die verschiedenen Zahlen aus der Bundesregierung verursachen.

Markteinschätzungen auf Branchentreff Forum Solarpraxis

„Drauß‘ vom Weltmarkt komm ich her, ich muss euch sagen, es graut mir nicht mehr. Denn auf all diesen Tannenspitzen sah ich deutsche, sah ich Solarworld-Module blitzen.“ So antwortet Frank Asbeck, CEO von Solarworld, humoristisch auf die Frage nach der Marktentwicklung auf dem CEO-Panel des Forums Solarpraxis.
Solcher Infotainment-Talk vom Feinsten hat einen ernsten Hintergrund. Auf dem wieder mehr als ausgebuchten Branchentreff Anfang November zeigten sich die wichtigen Frontlinien der Branche, auch in den vielen ernsthafteren Sessions. Abgesehen von der Diskussion um die politischen Rahmenbedingungen ging es etwa um Qualität und Wirtschaftlichkeit, Europa und China. Vormittags verkündeten sechs Analysten auf dem Podium einmütig, dass Modulproduktion in Deutschland keine Zukunft habe. Nachmittags erklärte Frank Asbeck ihnen, dass das nicht stimmt und dass sie noch einmal bei ihm vorbeikommen könnten, um etwas über die Kostenstruktur deutscher Produktion zu lernen. Die anderen Modulproduzenten auf dem Podium, Martin Heming von Schott Solar, York zu Putlitz von Aleo Solar und Alexander Kirch von der Centrosolar Group, stimmen ihm zu. Jijun Shi vom chinesischen Modulproduzenten Eging erträgt derweil auf dem Podium die Angriffe und Spitzen von Asbeck ebenfalls mit Humor und erklärt, dass nicht alle chinesischen Produzenten unlautere Subventionen bekämen.
Erstaunlich ist, dass sich die meisten Analysten und Produzenten einig in ihren Schätzungen sind, wie groß nächstes Jahr der Zubau in Deutschland sein wird: vier bis sechs Gigawatt. Obwohl die Solarworld-Module angeblich überall in der Welt blitzen, sieht niemand andere Märkte, die nächstes Jahr annähernd so groß werden wie der deutsche. Da sich die Märkte insgesamt sehr schnell wandeln, vor allem dort, wo sie nicht durch kleine Anleger wie in Deutschland, sondern von großen Investoren bestimmt sind, lohnt trotzdem der Blick in Regionen, die – was Photovoltaik betrifft – noch exotisch anmuten.
Sanjay Chakrabarti von Ernst & Young etwa wirbt damit, schon jetzt über einen Einstieg in den indischen Markt nachzudenken, bei einer Vergütung von sieben Cent und einer Zellproduktionskapazität von 600 Megawatt. „Es ist kein Markt für morgen, sondern für heute. Wer heute nicht kommt, für den wird es morgen zu spät sein.“ Das Potenzial liege bei 600.000 Megawatt, realisiert seien erst zwölf. Für 2020 strebt die Regierung 20 Gigawatt an. Man müsse bedenken, dass die Förderpolitik zu einem großen Teil von den einzelnen Staaten gemacht werde. „Es ist einfacher, mit ihnen zu reden, da sie flexibel reagieren könnten.“
Stefan Müller von Enerparc rät, Osteuropa nicht außer Acht zu lassen. Investoren aus Westeuropa sähen vor allem Risiken, weil sie Photovoltaikanlagen hier mit solchen dort verglichen. Investoren aus den jeweiligen Ländern sähen aber die Chancen, weil für sie Solarparks eine Alternative zu Immobilien im eigenen Land seien. Immerhin erwartet er zum Beispiel für die Ukraine bis zu 400 Megawatt Zubau.
Die Videoaufnahme des CEO-Panels und weitere Berichte vom Forum Solarpraxis finden Sie unter dem Webcode 0010 auf:
www.photovoltaik.eu

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