Neue Erdenbürger werden in der Regel mit Freude begrüßt. Neue Unternehmen zumindest mit Neugier. Von beidem war allerdings wenig zu spüren, als die deutsche Q-Cells SE im April die Geburt eines neuen Mitglieds der Unternehmensfamilie verkündete. Stattdessen gab es Irritationen. Zum einen, weil das andere Elternteil, LDK Solar, aus China stammt – ein Land, von dessen wachsender Stärke im PV-Bereich sich viele in der Branche zumindest latent bedroht fühlen. Zum anderen, weil Sprössling LQ Energy im Projektgeschäft aktiv werden soll – also weit entfernt von den elterlichen Kerngeschäften mit Wafern und Zellen. Mehr als Tuscheln hinter vorgehaltener Hand wagt die Branche dann aber doch nicht. „Q-Cells ist immerhin eine Marktmacht“, heißt es in den Unternehmen.
Anlagen in Europa und China
Geht es nach den Entscheidungsträgern in Thalheim, soll LQ Energy dazu beitragen, eben diese Marktmacht zu erhalten. „Da sich ihre Geschäftsmodelle und die jeweiligen regionalen Marktkenntnisse gut ergänzen, wollen die beiden Unternehmen Vorteile aus einer gemeinsamen Optimierung der Wertschöpfungskette und der damit erreichbaren Kostensenkung ziehen“, lässt Q-Cells verlauten. Denn LQ Energy wurde mit dem Ziel gegründet, die Märkte in Europa und China weiterzuentwickeln und dort große PV-Anlagen zu errichten. Verschiedene gemeinsame Projekte sollen in der Planung sein, unter anderem bietet LQ Energy für die Realisierung eines Zehn-Megawatt-Solarparks in Tibet. Und das erste konkrete Projekt, das Unternehmensangaben zufolge bereits in Angriff genommen wurde, ist eine 40-Megawatt-Anlage – „in Deutschland“ war die einzige Detailinformation, die sich Q-Cells- Sprecher Stefan Dietrich dazu entlocken ließ.
Exklusiv ist die Partnerschaft von Q-Cells und LDK nicht, auch unabhängig voneinander wollen sich beide Unternehmen im Projektgeschäft engagieren. Aber LQ Energy soll bei allen Projekten zu 100 Prozent auf Solarzellen von Q-Cells und Wafer von LDK Solar zurückgreifen und so das Kerngeschäft der Unternehmen stützen. Das ist bitter nötig angesichts der aktuellen Stagnation: Die Lager sind voll, die fertigen Produkte verlieren von Tag zu Tag an Wert – und beide Unternehmen korrigierten jüngst ihre Umsatzerwartungen nach unten. Neue Länder und Geschäftsfelder zu erschließen, um Ab- und Umsatz anzuschieben, ist eine logische Reaktion. Q-Cells gründete schon 2007 eine Tochterfirma für Projektgeschäfte: Die Q-Cells International GmbH erwirtschaftete 2008 einen Umsatz von 91,9 Millionen Euro (2007: 13,5 Millionen Euro) und installierte Projekte mit einer Leistung von rund 26 Megawatt (2007: drei Megawatt). Sie soll derzeit mehr als 200 Megawatt Projekte in der Pipeline haben, von denen das Unternehmen 2009 mindestens die Hälfte realisieren will.
Analysten optimistisch
Das gerade gegründete Joint Venture LQ Energy bewerten Analysten daher durchweg positiv. Die Société Générale bezeichnet die Transaktion als reizvoll, da sie die Schaffung eines integrierten Geschäftsmodells erlaube. „Q-Cells braucht LDK für den Markteintritt in China, LDK braucht Q-Cells für den Markteintritt in Europa“, sagt außerdem SES-Analyst Karsten von Blumenthal. Aus seiner Sicht ist das Gemeinschaftsunternehmen in erster Linie eine schnelle Reaktion auf die neuen Pläne der chinesischen Regierung zur Förderung der Photovoltaik. Denn in einem Punkt sind sich alle Analysten einig: Ohne lokale Partner wird kein westliches Unternehmen auf dem chinesischen Markt Fuß fassen können.
Schon vor Monaten hat Q-Cells dafür eine weitere wichtige Verbindung geknüpft. Ab dem zweiten Quartal 2009 liefert der chinesische Modulhersteller Solarfun zwei Jahre lang mindestens 100 Megawatt PV-Module per annum an Q-Cells – hergestellt mit von Q-Cells gelieferten Zellen und gemäß den von Q-Cells erstellten Konstruktionen und Spezifikationen. „Ferner haben beide Parteien die Absicht, einen Vertrag abzuschließen, auf dessen Grundlage die beiden Unternehmen gemeinsam auf das Ziel hinarbeiten werden, die Entwicklung hochleistungsfähiger und dabei kostengünstiger PV-Solarmodule weiter voranzubringen“, heißt es in der Pressemitteilung. Solarfun-Vorstandschef Harold Hoskens: „Wir fühlen uns geehrt, dass uns eine Firma vom Status einer Q-Cells als den ersten chinesischen Lieferanten ausgewählt hat.“
Von Ehre allein können Unternehmen natürlich nicht leben. „Schon in sechs Monaten könnte es bei Q-Cells erste positive Effekte geben – es kann aber auch sehr viel länger dauern, wenn sich der chinesische Markt eher langsam entwickelt“, sagt Karsten von Blumenthal. Michael Tappeiner von UniCredit erwartet diese positiven Effekte frühestens in ein bis drei Jahren. „Aber angesichts der Kreditkrise ist es ein großes Plus, wenn sich zwei Unternehmen die Last der Projektfinanzierung teilen können.“ Frisches Geld ist in beiden Firmen vorhanden. Q-Cells hat gerade durch den Verkauf der REC-Beteiligung etwa 530 Millionen Euro eingenommen, wovon allerdings 360 Millionen für die Tilgung eines Brückenkredites benötigt werden. Und LDK Solar verfügt laut Homepage nach Verhandlungen mit zwei chinesischen Großbanken, der China Development Bank und der Agricultural Development Bank of China, über eine bisher nicht ausgeschöpfte Kreditlinie von 785 Millionen US-Dollar (590 Millionen Euro).
51 Prozent für LDK Solar
„Ökonomisch, politisch, unternehmerisch ist es sicher ein richtiger Schritt, gemeinsam mit einem Waferhersteller den Markt aufzumischen“, sagt ein Branchenvertreter. Als problematisch für Q-Cells wertet er jedoch, dass LDK Solar die Mehrheit des Joint Ventures haben wird. Auch wenn die Unternehmen keine Details zu ihrer Kooperation veröffentlichen: Die Analysten des US-amerikanischen Brokerhauses Wedge Partners melden, dass LQ Energy eine Kapitalausstattung von 180 Millionen US-Dollar haben und zu 51 Prozent LDK Solar gehören wird. Welchem Elternteil LQ Energy langfristig mehr Freude bereiten wird, bleibt also abzuwarten.
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