Das Ende des Tuckerns

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Sanft tuckert der Diesel, Abgasschwaden wabern übers Möhrenfeld. Die Maschine schleppt im Schritttempo einen sogenannten Jäteflieger: Auf langen Ausliegern rechts und links liegen bäuchlings Menschen, die Möhrenreihen vor und unter sich fest im Blick, und rupfen das Unkraut von Hand heraus. Denn da Bio-Bauern keine chemischen Pflanzenschutzmittel einsetzen dürfen, stecken in ihren Möhren viele Stunden sorgsame Arbeit. Andere Gewächse wie Gurken oder Salat sind so empfindlich, dass sie von Hand geerntet werden müssen – von ähnlichen Maschinen aus. Aufklappbare Dächer schützen die Arbeiter auf ihren Fliegern vor Regen oder der brennenden Sonne.

Umweltfreundliche Lösung

Schutz vor der brennenden Sonne? Die Österreicher Peter Prohaska und Franz Emminger haben eine Maschine entwickelt, deren Dach mehr kann als Schatten spenden: Solarmodule erzeugen genug Energie, um den Flieger anzutreiben. „Wir haben nach einem umweltfreundlichen Traktor für die Landwirtschaft gesucht“, sagt Franz Emminger. Bio-Bauern aus Niederösterreich hatten sich mit dem Wunsch nach einer solarbetriebenen Erntemaschine an ihn und seinen Kollegen Peter Prohaska gewandt. Denn etliche Studien belegen, dass die Land- und Forstwirtschaft mit ihren Emissionen wesentlich zur Umweltverschmutzung beiträgt, bei Dieselmotoren vor allem durch Partikel und Stickoxide. Grund ist fehlende Kontrolle: In Deutschland beispielsweise sind land- oder forstwirtschaftliche Zugmaschinen und andere selbstfahrende Arbeitsmaschinen von der Pflicht zur Abgasuntersuchung ausgenommen.Die beiden Erfinder haben schnell verstanden, dass aus Sicht der Bauernökologische Landwirtschaft und Verbrennungsmotoren nicht richtig zusammenpassen. Viele Stunden verbrachten sie daraufhin auf dem Feld, um auch zu verstehen, was die eingesetzten Geräte jenseits des Umweltschutzes können müssen – beispielsweise sollten sie leicht sein, um den Boden nicht mehr als nötig zu verdichten. Unterstützung für die Idee einer solarbetriebenen Maschine fanden sie bei Open Energy, einer österreichischen Vereinigung zur Förderung erneuerbarer Energien. Das Ergebnis, gerade als Patent angemeldet: der Horus solar tractor, ein für verschiedene Obst- und Gemüsearten geeignetes Raupenfahrzeug, auf dem ein Metallgerüst mit einer 26 Quadratmeter großen Solarfläche thront. „Die Fläche wird stets der Sonne nachgeführt und ist somit um 40 Prozent leistungsfähiger als statische Anlagen“, sagt Emminger. Bei Schrittgeschwindigkeit müsse man die Batterien sogar während Schlechtwetter-Perioden kaum mit Strom aufladen, bei Sonne sei das Gerät völlig autark. 500 Kilogramm wiegen die Solarmodule, weitere 500 Kilo der Unterbau. Daher haben die Erfinder die schweren Teile der Maschine – Motoren, Akkus – bodennah in den Bereich der Raupen platziert. Ziel war es laut Emminger, den Schwerpunkt der Maschine möglichst weit nach unten zu legen. „So fällt der Solartraktor trotz Sonnensegel auch bei Wind nicht um.“ Bei technischen Fragen werden die Erfinder allerdings schweigsam, immerhin wird auch in anderen Ländern an solargetriebenen landwirtschaftlichen Maschinen getüftelt: „In dieser Phase unserer Entwicklungsarbeit müssen wir uns mit technischen Daten zurückhalten.“ Zurzeit bauen Emminger und Prohaska einen ersten Prototyp. Konzipiert ist er für ein bis zwei Fahrer. Diese lenken mit den Füßen, um ihre Hände für die Arbeit auf dem Feld frei zu haben; zwischen ihnen befindet sich ein Fließband, das das geerntete Gemüse in eine Kiste im hinteren Bereich des Fahrzeugs befördert. 100 Maschinen sollen in diesem Jahr gebaut werden, der Start der Serienproduktion ist für 2010 geplant. Aber die Erfinder denken schon weiter. Emminger: „Wir planen bereits eine zweite, größere Variante, wo vier bis fünf Bauern nebeneinander Platz haben werden.“ Außerdem tüfteln sie an einer selbstfahrenden, über Satellit gesteuerten Maschine: Da sich die Daten des Aussäens – also der genaue Standort jeder Pflanze – speichern lassen, könne der Solartraktor mit GPS jede Frucht eigenständig und gezielt zur Bewässerung oder zur Ernte anfahren. Probleme beim Absatz erwarten Emminger und Prohaska nicht. Denn ihr Solartraktor ist nicht nur für Arbeiten wie das Jäten und Ernten einsetzbar, er soll auch einen Anhänger ziehen können – laut Emminger ist der Prototyp für eine Zuglast von fünfeinhalb Tonnen ausgelegt. Auch steile Berghänge sollen wegen der starken Motoren kein Problem sein. Und überschüssige Solarenergie könne in das Stromnetz eingespeist werden. „So verdient unser Traktor Geld, selbst wenn er steht.“ Sinnvoll ist der Solartraktor den beiden Erfindern zufolge für Betriebe mit Flächen von bis zu 15 Hektar. Es gebe bereits internationale Anfragen, auch aus Afrika, wo die Maschine beispielsweise zur Bewässerung von Feldern eingesetzt werden könne. Für großes Interesse spreche auch der Preis – der Solartraktor soll nicht mehr kosten als sein dieselgetriebener Kollege. Und auch wenn manchen Bauern das sanfte Tuckern fehlen wird: Auf Abgase werden sie gerne verzichten.

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