Fegen, kratzen oder abwarten?

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Zwar ist Schnee in unseren Breitengraden seltener geworden und der Klimawandel tut sein Übriges, dass weiße Winter immer rarer werden. Trotzdem gibt es sie gelegentlich noch, die Schnee bedeckten Landschaften. Auch in Deutschland. Und wenn dann nach langem Schneefall die Sonne scheint, ist das zwar ein Bilderbuchwetter für Skifahrer. Für Besitzer von Photovoltaikanlagen ist aber der Schnee ein dicker Wermutstropfen. Denn die verschneiten Module können die paar kostbaren Sonnenstrahlen im Winter dann leider nicht nutzen.

Aber heißt das auch, dass der Schnee so schnell wie möglich von den Modulen geholt werden sollte? Nicht unbedingt. Grundsätzlich gilt: Je steiler die Neigung der Module, desto eher rutscht der Schnee von alleine ab und gibt die Module wieder zur Stromerzeugung frei. Mindestens 30 Grad Modulneigung, besser noch etwas mehr, sollten es deshalb schon sein. Rahmenlose Module sind bei gleicher Neigung klar im Vorteil, weil die Schneeschicht ungehindert abrutschen kann und nicht am unteren Modulrahmen hängen bleibt. „Wir sehen das bei unseren eigenen Photovoltaikanlagen ganz eindeutig“, sagt Bernhard Beck, Geschäftsführer der Beck Energy. „Bei den rahmenlosen Modulen – und mittlerweile verbauen wir fast aus schließlich rahmenlose Module – rutscht der Schnee ruckzuck runter.“

Nur geringe Ertragseinbußen

Aber auch, wenn der Schnee nicht ganz so schnell von den Modulen rutscht, ist das noch kein Beinbruch. Denn die Statistik (siehe dazu auch www.pv-ertraege.de) zeigt, dass im Winterhalbjahr von Oktober bis März nur rund ein Viertel des Jahresertrages anfällt. In den Sommermonaten von April bis September hingegen sind es rund drei Viertel. An einem durchschnittlichen Sommertag (Monatsertrag geteilt durch 30 Tage) erzeugt eine Photovoltaikanlage rund 4,5 Kilowattstunden pro Kilowatt Peak. An einem Wintertag hingegen nur knapp eine Kilowattstunde pro Kilowatt Peak. Auch ein sonniger Wintertag ist im Hinblick auf die erzeugten Strommengen nicht so ertragreich wie ein Sommersonnentag. Das liegt am wesentlich flacheren Stand der Sonne.

Damit ist ein einzelner sonniger Tag im Sommer durchaus ertragreicher als eine ganze durchschnittliche Woche im Winter. Diese Relation macht deutlich, dass die Verluste bei der Solarstromerzeugung durch eine Schneebedeckung zwar vorhanden und messbar sind, aber aus dem Gefühl heraus deutlich überschätzt werden. Ein Schneeräumen ist daher im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit einer Photovoltaikanlage nicht unbedingt erforderlich. „Im Januar haben mich viele angerufen, was sie denn machen sollen, um den Schnee von der Anlage zu bekommen“, sagt Beck. „Meine Antwort ‚Abwarten, bis der Schnee geschmolzen ist‘, hat viele nicht zufriedengestellt. Aber trotz der gelegentlichen Schneebedeckung im Januar hatten viele meiner Kunden bereits im November den prognostizierten Jahresertrag erreicht.“

Vorsicht, Absturzgefahr!

Wer es trotzdem nicht lassen kann und den Schnee auf seinen Modulen beseitigen will, sollte sich auf jeden Fall eine optimale Standsicherheit verschaffen und sich zum Beispiel mit einer Sicherheitsleine gegen das Abstürzen vom Dach sichern. Schneebedeckte Dächer sind noch rutschiger als nasse und damit doppelt gefährlich. Bei einem Sturz vom Dach wären die wenigen zusätzlichen Kilowattstunden sehr teuer erkauft.

Bei nicht allzu großer Firsthöhe lässt sich der Schnee auch vom Boden aus entfernen. Ein verlängerter Besenstiel oder eine Teleskopstange können dabei gute Dienste leisten. Allerdings besteht bei beiden Methoden die Gefahr, dass die Module verkratzt und damit beschädigt werden. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Schnee zunächst erst etwas antaut und dann wieder festfriert. Deshalb wäre es natürlich sinnvoll, die Module sofort nach dem Schneefall vom Schnee zu befreien.

Neben den Ertragseinbußen birgt der Schnee auf Dach und Modulen aber noch eine andere Gefahr: Im Winter 2005 / 06 ist stellenweise so viel Schnee gefallen, dass die Unterkonstruktion der Module diese Last nicht mehr tragen konnte. Die Gestelle haben sich verformt und dadurch zu Beschädigungen des darunter liegenden Daches geführt. Um hier im möglichen Schadensfall nachweisen zu können, dass die Schneelast „nicht unüblich“ gewesen ist, empfiehlt Christian Keilholz, Sachverständiger und Obmann des Güteausschusses der Gütegemeinschaft Solarenergieanlagen, die Wettereinflüsse genau zu dokumentieren: „Entscheidend ist, dass die Schneehöhe auf den Solarelementen zusammen mit der Lufttemperatur gemessen wird. Sollte dies wegen Unzugänglichkeit nicht möglich sein, sind Fotos vom Modul- oder Kollektorfeld, zusammen mit einem Größenvergleich, sehr zu empfehlen. Diese Fotos sind in jedem Fall hilfreich, um zum Beispiel auch ungleichmäßige Schneehöhen darzustellen.“

Denn bei einer möglichen späteren Ursachenforschung – zur Klärung der Frage: Wer zahlt den Schaden? – ist es von entscheidender Bedeutung, ob die aufgetretene Schneelast die Vorgaben in den einschlägigen Normen überschritten hat oder nicht. Keilholz erläutert weiter, dass in den meisten Fällen die zulässige Schneelast noch deutlich unterschritten würde. Der Installationsbetrieb könne sich dann bei später ersichtlichen Schäden nicht auf „die damals zu hohe Schneelast“ herausreden, falls dies bei Schneebedeckung entsprechend dokumentiert wurde. Der Gutachter warnt auch deutlich davor, die Solarmodule vom Schnee zu befreien: „Die scharfen Kanten von Räumwerkzeugen können die Glasoberflächen durch Kratzer irreparabel be-schädigen und so ebenfalls – auch nach langen Zeiträumen – zu Glasbrüchen und Moduldefekten führen.“

Wer also nicht riskieren will, selbst Hand an den Schnee zu legen, der kann inzwi-schen auch auf automatische Lösungen zurückgreifen. Dabei wird der Schnee ent-weder mechanisch entfernt oder durch elektrische Beheizung weggetaut.

Sichere Räumsysteme

So bietet die Firma Schletter aus Haag in Oberbayern ein Schneeräumsystem namens „SnowAway“ an. Das System kann entweder gleich beim Anlagenneubau installiert werden oder problemlos bei den meisten bestehenden Anlagen nachgerüstet werden. „Der Schnee muss allerdings leicht angetaut sein, damit wir ihn mit unserem System vom Dach bekommen“, sagt Hans Urban, Leiter des Geschäftsbereichs Solare Montagesysteme bei Schletter. „Wenn er festgefroren ist, können wir auch nichts machen.“

Dafür gibt es bei dieser Räummethode auch keine Beschädigungen der Solarmodule. „Wir haben bei der Konstruktion des SnowAway darauf geachtet, dass nur weiche Kunststoffteile mit den Modulen in Berührung kommen“, sagt Urban. „Bei sachgerechter Anwendung können wir eine Schädigung der Solarmodule nahezu ausschließen.“ Bleibt die Frage, ob die Kosten für das System, die Urban mit „rund 600 bis 800 Euro für eine Drei- bis Fünf-Kilowatt-Anlage“ angibt, den Mehrertrag aufwiegen.

Laut der Ertragsdatenbank des Solarenergie-Fördervereins Deutschland e. V. (www.pv-ertraege.de) beträgt der Dezemberertrag für das südliche Bayern rund 30 Kilowattstunden pro Kilowatt Peak. Geht man davon aus, dass etwa die Hälfte des-sen, also rund 15 Kilowattstunden pro Kilowatt Peak, wegen Schneebedeckung nicht produziert werden können, dann betragen die Mehrerlöse bei einer Fünf-Kilowatt-Anlage rund 37 Euro pro Jahr (15 kWh x 5 kW x 49,21 Cent/kWh). In zwanzig Jahren sind das rund 740 Euro – also in etwa der Anschaffungspreis des Systems.

Diese grobe Abschätzung ist sicherlich nur ein erster Anhaltswert, denn es ist ganz klar eine Einzelfallentscheidung: Je schneereicher die Gegend, desto eher wird sich das System amortisieren.

Auch die Firma „Schneerutsch und Futsch“ aus Mitterfels setzt auf eine mechanische Beseitigung des Schnees – und zwar, bevor er auf die Module fällt. „Bei beginnendem Schneefall lässt sich mit unserem System entweder von Hand oder vollautomatisch eine spezielle Kunststoffgitterplane über die Module ziehen“, erläutert Geschäftsführer Herbert Schneeweis. Diese Plane bedeckt dann die Module und der Schnee bleibt auf der Folie liegen. In einstellbaren Intervallen von drei bis fünf Stunden wickelt das System die Plane wieder auf eine Rolle am unteren Ende der Module und streift den Schnee dabei ab.

Aber lohnt sich das überhaupt? „Für St. Englmar haben wir eine umfangreiche Vergleichsrechnung auf der Basis der vom Deutschen Wetterdienst mitgeteilten Sonnenstunden und Schneetage durchgeführt“, sagt Schneeweis. „Mit unserem System vermeiden wir hier einen Ertragsausfall von bis zu 60 Prozent in einem Wintermonat.

60 Prozent mehr Ertrag

Auf das Jahr hochgerechnet sind das immerhin 16 Prozent des Jahresertrages.“ Bleibt auch hier die Frage, ob die Kosten für das recht aufwändige System in einem wirtschaftlichen Verhältnis zu den höheren Erträgen stehen. Die Kosten für das System gibt Schneeweis mit „rund 15.000 Euro für eine 30-Kilowatt-Photovoltaikanlage“ an. Bei einer Zehn-Kilowatt-Anlage seien es circa 8.000 Euro. Umgerechnet auf die Anlagenleistung wären das etwa 500 bis 800 Euro pro Kilowatt. Auch dieses System würde sich also – genauso wie das von Schletter – gerade eben so rechnen. Einen anderen Weg geht die Firma Inek Solar aus Bischofsheim bei Rüsselsheim. Sie kehrt das Funktionsprinzip einer Solarzelle einfach um. Denn ein Solarmodul kann nicht nur Strom erzeugen, wenn Licht auf die Solarzellen fällt, sondern auch Strom verbrauchen, wenn man eine Spannung anlegt. Dabei erwärmt sich das Modul. Inek Solar bietet dafür eine sogenannte De-Icing-Box an, die sich allerdings nur an Solutronic-Wechselrichter anschließen lässt.

Vier sonnige Tage genügen

Ist das aber nicht eine gigantische Energieverschwendung? Strom, der zu Heizzwe-cken missbraucht wird? Im Widerspruch zum elften Gebot der Effizienzgesetze: Du sollst aus Strom keine Wärme machen! Doch eine Diplomarbeit der FH Darmstadt kommt zu dem Ergebnis, dass das keineswegs der Fall ist. Im Versuch legten die Darmstädter eine Wärmeleistung von rund 90 Prozent der Nennleistung an ein Referenzmodul an. Bereits nach einer Viertelstunde war eine große Menge des Schnees abgetaut. Nach sechs Stunden war das Referenzmodul komplett schneefrei. Die bisherigen Untersuchungen zeigen, dass nur vier sonnige Wintertage genügen, um die für die Modulheizung verbrauchte Energie wieder zu erzeugen. Besser noch wäre es allerdings, wenn man dafür sorgen würde, dass der Schnee gar nicht erst auf dem Modul liegen bleibt.

Mit einer Wärmeleistung, die etwa 90 Prozent der Nennleistung des Moduls entspricht, kann man die Oberflächentemperatur des Moduls um etwa zwei bis drei Grad erhöhen. Da Schneefall meist bei Temperaturen um den Nullpunkt auftritt, kann diese leichte Temperaturerhöhung in der Regel schon vermeiden, dass sich eine Schneeschicht bildet. Auch wenn schon Schnee auf dem Solardach liegt, muss man nicht den gesamten Schnee elektrisch abtauen. Meistens genügt es, das Modulfeld anzutauen, dass ein Teil der Zellfläche schneefrei ist. Durch anschließendes Kurzschließen der Module, erledigt die Photovoltaikanlage den Rest von selbst. Der erzeugte Strom wird so in den Modulen gleich wieder in Wärme umgewandelt.

Fazit: Abwarten, bis der Schnee von alleine wieder verschwunden ist, ist auf jeden Fall die kostengünstigste und in den meisten Fällen auch die beste Lösung – selbst wenn es dem Anlagenbetreiber hin und wieder schwer fallen sollte, mit seiner schneebedeckten Photovoltaikanlage nicht jeden einzelnen Sonnenstrahl in elektrische Energie umwandeln zu können.

Zum Weiterlesen

• Gesammelte Empfehlungen von Anlagenbetreibern zum Thema „Schneeräumen bei Photovoltaik-Anlagen“: http://www.sfv.de/lokal/mails/phj/schneera.htm

• SnowAway von Schletter: http://solar.schletter.de/produkte_DE.html

• De-Icing-Box von Inek: http://www.invert-inek.de

• Solarrutsch-und-Futsch-System: http://www.solarrutsch-und-futsch.de

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