Mit dem Photovoltaik-Mikroskop Energieverlusten auf der Spur: Stefan Weber erhält ERC Consolidator Grant

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Perowskit ist kein bestimmter chemischer Stoff, sondern eine Materialgruppe mit einer typischen Kristallstruktur. Professor Stefan Weber vom Institut für Photovoltaik (ipv) erforscht dieses Material, da es sich hervorragend als Lichtabsorber in Solarzellen eignet. „Perowskit-Solarzellen haben sowohl funktionell als auch wirtschaftlich klare Vorteile gegenüber dem etablierten Halbleitermaterial Silizium“, sagt Weber.

Womit Perowskit punktet

Perowskit-Solarzellen könnten zum einen viel billiger als bisherige Solarzellen sein, da der Energieaufwand bei der Herstellung viel geringer ist. Außerdem lässt sich die Perowskit-Zusammensetzung variieren, so sind wichtige Eigenschaften wie die Bandlücke nach Wunsch einstellbar. Die Bandlücke bestimmt, wieviel von der Energie des Sonnenlichts aufgenommen werden kann und in welchem Bereich des Sonnenspektrums die Solarzelle besonders effizient arbeitet. Doch gibt es auch Nachteile, erläutert Weber: Defekte in der mikroskopischen Kristallstruktur einer Perowskit-Solarzelle können zu Energieverlusten führen. „Manche dieser Defekte bremsen den Fluss der durch das Sonnenlicht angeregten Elektronen, andere führen zu vorzeitigen Alterungseffekten in den Zellen.“

Zwillinge als Barrieren

Weber forscht ab September im Rahmen des Projekts „NanoPLOT“ als ERC-Consolidator-Grant-Geförderter nach den Ursachen für diese Schwächen. Am Stuttgarter ipv sind die Bedingungen dafür mit einer Ausstattung auf Weltniveau ideal. Nicht zuletzt ist Institutsleiter Prof. Michael Saliba ebenfalls ein ERC-geförderter Perowskit-Experte.

Weber will Folgendes herausfinden: Wo in der Zelle finden sich welche Defektarten? Wie wirken sie sich auf die Effizienz aus? Und was haben die einzelnen Defektarten mit der verfrühten Alterung von MHP-Zellen zu tun? Keine leichte Aufgabe, denn die Strukturen, welche die Energieverluste erzeugen, sind allesamt Mikro- und Nanostrukturen, also sehr, sehr klein. Eine Perowskitschicht besteht zum Beispiel aus vielen, wenige hundert Nanometer großen Kristallen. „Diese verhalten sich allesamt wie individuelle Mini-Solarzellen“, erklärt Weber. In den Lücken zwischen den Kristallkörnern sitzen besonders viele schädliche Defekte, welche die Ursache für eine beschleunigte Leistungsabnahme der Zellen sein könnten. Ein weiteres Problem, das Weber schon seit Jahren erforscht: die Zwillingsdomänen. Diese Paare von winzigen Streifen, deren Kristallsymmetrie jeweils in genau entgegengesetzte Richtungen laufen, bilden vermutlich so etwas wie Barrieren für die Elektronen, die diese überwinden müssen – wodurch sie langsamer werden.

Neue mikroskopische Kombination

Um den winzigen Übeltätern auf die Spur zu kommen, macht Weber diese Vorgänge im Nanometerbereich erstmals sichtbar. Dafür kombiniert er zwei Methoden: die Rasterkraftmikroskopie (atomic force microscopy, AFM) und die optische Spektroskopie. Bei der Rasterkraftmikroskopie schwebt über der Solarzelle eine winzige, scharfe Spitze. Sie misst zwei bis zehn Nanometer und ist damit etwa zehntausendmal dünner als ein menschliches Haar. Durch die Wechselwirkung zwischen den Atomen am Spitzenende und den Atomen auf der Oberfläche entstehen schwache Kräfte, die die Spitze nach oben oder unten ablenken. So lässt sich die Struktur und die elektrische Aufladung an der Oberfläche der Solarzelle nanometergenau vermessen. Diese Information reicht aber nicht aus, um ein vollständiges Bild zu erhalten. Deshalb kommt auch die optische Spektroskopie zum Einsatz – und zwar auf eine bisher noch nicht erprobte Art.

Der Trick: Über die AFM-Spitze leitet Weber Strom auf die Solarzelle, wodurch dort Licht erzeugt wird. Elektrolumineszenz nennt sich dieser Effekt. Die beleuchteten Stellen lassen sich dann mit dem optischen Mikroskop untersuchen. „So erhalte ich Informationen über lokale Defekte, die direkt mit Energieverlusten zu tun haben. Und zwar in einer räumlichen Auflösung, die nicht mehr durch die Optik, sondern nur noch durch die Größe der Nano-Spitze begrenzt ist“, erklärt Weber.

Perowskit-Silizium-Tandem bringt Effizienzsteigerung

Auch die Ursachen der Instabilität von Perowskit-Solarzellen will Weber mithilfe der Elektrolumineszenz auf der Nanoebene beobachten. Die gewonnenen Erkenntnisse soll die Entwicklung leistungsfähigerer, stabilerer und hochskalierbarer Perowskit-Zellen voranbringen. Vor allem der geringere Produktionsaufwand im Vergleich zu Silizium-Solarzellen könnte beim Markteinstieg helfen. „So einen deutlichen Vorteil muss die neue Technik auch haben, um sich gegen die alte durchzusetzen. Immerhin sind Siliziumsolarzellen ein Milliardenmarkt.“ Was ebenso für Perowskite spricht: Sie lassen sich gut mit Silizium kombinieren. Solche Tandemsolarzellen erreichen jetzt schon einen Wirkungsgrad von bis zu 33 Prozent. Es wird also ein Drittel des Sonnenlichts in Strom umgewandelt. Tandems könnten den Photovoltaikmarkt laut Weber in naher Zukunft aufmischen und der Energiewende nochmal einen kräftigen Schub geben. Mit seinem Projekt möchte Weber einen Beitrag dazu leisten.

Zum ERC Consolidator Grant

Der Forschungspreis „ERC Consolidator Grant“ wird vom Europäischen Forschungsrat vergeben und fördert exzellente vielversprechende Wissenschaftler*innen aller Fachrichtungen sieben bis zwölf Jahre nach ihrer Promotion, deren eigene unabhängige Arbeitsgruppe sich in der Konsolidierungsphase befindet. Er ist mit bis zu zwei Millionen Euro sowie in Einzelfällen mit zusätzlichem Startbudget für fünf Jahre dotiert.