Übertragungsnetzbetreiber schlagen Netzanschlussverfahren für große Batteriespeicher nach Reifegrad vor

50 Hertz Energiemarktdialog 2025, Präsentation des Reifegradverfahrens durch Valerie Bischof von 50 Hertz

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51 Gigawatt an Netzanschlusszusagen haben die vier Übertragungsnetzbetreiber in Deutschland für die kommenden Jahre gewährt. Dies erklärte Valerie Bischof von 50 Hertz auf dem dritten Energiemarktdialog ihres Arbeitgebers bereits vor einigen Wochen. Die Netzkapazitäten, mitsamt dem dafür notwenigen Ausbau in den nächsten Jahren, seien mit diesen Zusagen im Übertragungsnetz erschöpft. Doch gleichzeitig warten und hoffen weitere Petenten, die ein Netzanschlussbegehren für ihre Batteriespeicher – in der Regel mit mehr als 100 Megawatt Leistung – gestellt haben, auf kurzfristige Zusagen.

Zudem hat das Bundeswirtschaftsministerium von Katherina Reiche (CDU) kürzlich einen Entwurf veröffentlicht, wonach Netzanschlussbegehren für große Batteriespeicher mit mehr als 100 Megawatt Leistung nicht mehr unter die Kraftwerks-Netzanschlussverordnung – abgekürzt KraftNAV – fallen sollen. Diese Änderung soll möglich noch in diesem Jahr in Kraft treten. Doch welches Prozedere dann künftig für diese Netzanschlussanfragen gelten soll, ist unklar und wird wohl auch mit der Gesetzesänderung zunächst offen bleiben.

Dabei ist ein neues Verfahren dringend geboten, denn immerhin liegen den Übertragungsnetzbetreibern noch etwa 160 Gigawatt an unbeschiedenen Netzanschlussbegehren für große Batteriespeicher vor. Allzu große Erwartungen an einen raschen Netzanschluss sollten die Betreiber jedoch nicht haben. „Wir müssen klar kommunizieren, dass die ausstehenden Netzanschlussbegehren keine Chance auf eine Realisierung ihrer Projekte vor 2030 haben“, sagt Bischof. Zudem würden auch immer noch neue Netzanschlussbegehren für solche Projekte gestellt. „Wir müssen auch bei diesen Speicherbetreibern das klare Bewusstsein schaffen, dass kurzfristig kein Netzanschluss möglich sein wird.“

Dass diese Situation zu Lasten von Projekten gehen könnte, die über einen viel fortschritteneren Reifegrad verfügen als die Projekte, die nun eine Netzanschlusszusage haben, ist den Übertragungsnetzbetreibern durchaus bewusst. Sie wollen daher auch eine Änderung des Netzanschlussverfahrens in diese Richtung erreichen und haben dabei auch viele Speicherprojektierer auf ihrer Seite. Bisher gilt das Prinzip „first come, first serve“, also die Prüfung der Netzanschlussbegehren nach zeitlichem Eingang beim Netzbetreiber. Dieses Verfahren ist so in der KraftNAV vorgesehen, die die Übertragungsnetzbetreiber für die Batteriespeicher über 100 Megawatt anwenden.

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Davon wollen die Netzbetreiber weg. Ihre Idee ist, die Zahl der Anträge durch eine höhere Transparenz bei Anschlusszusagen und erhöhte Nachweispflichten auf ein realistischeres Maß zu bringen, wie Bischof erklärt. Von ihrer Seite versprechen sie dabei eine bessere Information über zeitlich und örtliche Anschlussmöglichkeiten in ihrem Netzgebiet sowie standardisierte und sachgerechte Antragsanforderungen. Auf der anderen Seite sollte es jedoch auch vereinbarte Meilensteine im Zuge der Realisierung der Projekte geben, um die Reservierung des Netzanschlusses aufrecht zu erhalten. Dabei sollen Teilzahlungen des Baukostenzuschusses helfen, die die Ernsthaftigkeit des Projektvorhabens nachzuweisen.

Netzanschlüsse nach Reifegrad der Projekte vergeben

Valerie Bischof wirft schließlich das sogenannte „Reifegrad-Verfahren“ an die Wand. Damit verbunden sei eine zyklische Antragsabarbeitung, die weniger als ein Jahr dauern soll. Das unter den Übertragungsnetzbetreibern geeinte Verfahren ist in verschiedene Phasen untergliedert.

Am Anfang steht die Ankündigung durch die Übertragungsnetzbetreiber, Netzkapazitäten auszuschreiben. Damit verbunden ist im nächsten Schritt, dass sie transparent über die Netzsituation in ihrem Gebiet online informieren. Zudem sollen in den ersten drei Monaten nach Ankündigung des Verfahrens informelle Netzanschluss-Anfragen gestellt werden dürfen. Einen Monat vor Abschluss dieser Phase ist zudem eine öffentliche Antragskonferenz geplant. All das soll für die Interessenten kostenlos bleiben. Wer sich nach den drei Monaten für das Einreichen eines Netzanschlussantrags entscheidet, soll eine Antragspauschale entrichten müssen.

Auf Basis dieser dann eingereichten Anträge erstellen die Netzbetreiber eine sogenannte Cluster-Studie. Dafür sind von den Übertragungsnetzbetreibern rund fünf Monate eingeplant. Diese Phase umfasst demnach auch eine Auswahl und Priorisierung von anschließbaren Leistungen. Am Ende steht ein Angebot inklusive Ergebnisbericht für jeden Antragsteller. Auch in diesem Verfahren sollen Ablehnungen nur aus zwingenden technischen Gründen erlaubt sein.

Einen Monat sollen Speicherbetreiber nach Angebotserteilung Zeit bekommen, die Offerte zu prüfen. Mit der Zahlung der ersten Rate für den Baukostenzuschuss können sie das Angebot dann annehmen. Wenn sich Petenten gegen die Annahme entscheiden, ist im Verfahren der Übertragungsnetzbetreiber ein Nachrückverfahren vorgesehen.

Für das darauffolgende Jahr sieht das „Reifegrad-Verfahren“ der Übertragungsnetzbetreiber zunächst die Vorprojekt-Phase vor. Nach spätestens 22 Monaten soll dabei der Abschluss des Anschlusserrichtungsvertrags (AEV) oder des Netzanschlussvertrags (NAV) erfolgen, mit dem schließlich eine zweite Tranche zum Baukostenzuschuss fällig wird. Mit Baubeginn des Batteriespeichers ist dann eine weitere Rate des Baukostenzuschusses vorgesehen, während die vierte und letzte Tranche dann mit der Inbetriebnahme zu zahlen ist.

Die kontinuierlich fällig werdenden Raten sollen sicherstellen, dass die Projekte wirklich vorangetrieben und umgesetzt werden. „Die Teilzahlungen dienen als Ernsthaftigkeitsnachweis“, sagt Bischof.

Doch eine effiziente Netzanschlussvergabe ist das eine. Damit möglichst viele große Batteriespeicher auch wirklich gebaut und in den nächsten Jahren ans Netz gehen werden, braucht es auch neue Standards beim Netzanschluss selbst. Dazu gehören etwa Cable-Pooling und Überbauung der Netzanschlüsse oder eben flexible Netzanschlusskonzepte, die bedarfsgerecht ausgerollt werden können.

Skepsis bei Projektierern und Investoren

Das sogenannte Reifegrad-Verfahren ist mittlerweile auf weiteren Veranstaltungen diskutiert worden. Bei Speicherprojektierern und Investoren zeigten sich dabei auch Bedenken an dem Vorschlag. So äußerten sie unter anderem Zweifel, ob ein Reifegrad-Verfahren auch rechtssicher ausgestaltet werden könne. Zudem betonten Investoren, dass es wichtig sei, zunächst über eine Netzanschlusszusage zu verfügen, ehe man für die Projekte eine finale Investitionsentscheidung treffen könne. Wenn es den Netzbetreibern um eine hohe Realisierungswahrscheinlichkeit der Projekte gehe, sei eine Reservierungsgebühr für Netzanschlüsse wahrscheinlich die bessere Stellschraube.

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