Vom Kostenfaktor zur Mehrwert-Fläche
Wer über Freiflächen-Photovoltaik diskutiert, landet schnell bei vermeintlichen Flächenkonflikten: Landwirtschaft, Naturschutz, Wohnungsbau, alles konkurriert um scheinbar knappen Boden. Doch ein Blick auf die Zahlen zeigt, dass es weniger um Mangel als um Wertschöpfung geht. Deutschland zählt heute mehr als 700 Golfplätze – aber weniger als 600 Photovoltaik-Kraftwerke mit einer Leistung über zehn Megawatt. Gleichzeitig verweisen Studien der Agora Energiewende auf gut 100 Gigawatt zusätzlicher Solarpotenziale auf ehemaligen Militär- und Industriearealen, Verkehrsrandstreifen, Gewerbegebieten und schwach ertragreichen Ackerböden. 100 Gigawatt bedeuten eine Leistung, die der bereits installierten Photovoltaik fast entspricht.
Platz ist also da. Die Frage ist: Wie viel Nutzen entsteht pro Quadratmeter – und wer profitiert davon?
Landwirtschaft: 100 Gigawatt Photovoltaik entsprechen einem Prozent der Viehfutter-Anbaufläche
Laut einer Analyse des Thünen-Instituts beträgt der spezifische Flächenbedarf für Photovoltaik-Freiflächenanlagen etwa 1,4 Hektar pro Megawatt installierter Leistung. Demnach würden für 100 Gigawatt (also 100.000 Megawatt) rund 140.000 Hektar benötigt. Dies entspricht etwa 0,8 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche Deutschlands, die insgesamt rund 16,7 Millionen Hektar umfasst. Besonders ertragsarme Äcker könnte man hier gut nutzen.
Ein Hektar schwacher Acker bringt im Schnitt drei bis fünf Tonnen Weizen oder rund 40 Tonnen Silomais. Nach Abzug von Saatgut, Diesel und Pacht bleiben jährlich oft nur 500 bis 700 Euro Deckungsbeitrag. Selbst Gerste, die als genügsamer gilt, kommt selten über 600 Euro hinaus. Eine Photovoltaik-Freifläche erzählt eine andere Geschichte. Schon das bloße Verpachten an einen Betreiber garantiert heute 3.000 bis 4.000 Euro pro Hektar und Jahr. Planbar, inflationsgeschützt, witterungsunabhängig. Geht der Landwirt selbst in den Eigenbetrieb, können die Cashflows steigen – je nach Einstrahlung und Stromabnahmeverträge – auf 15.000 bis 25.000 Euro je Hektar, wie unsere interne Wirtschaftlichkeitsanalyse zeigt. Gleichzeitig bleibt der Boden unversiegelt. Unter und zwischen den Reihen können Blühstreifen angelegt, Schafe geweidet oder in Agri-Photovoltaik-Konzepten sogar Sonderkulturen angebaut werden. Aus dem Preiskämpfer am Weltagrarmarkt wird ein Flächenveredler mit festen Einnahmen – ein Paradigmenwechsel, der vielen Höfen das Überleben sichert.
Gemeinwohl aus jedem Quadratmeter
Neben dem Stromertrag entfalten Photovoltaik-Freiflächenanlagen Wirkung in drei Bereichen, deren Zusammenspiel neue Synergien schafft: Standortentwicklung, Klimaschutz und gesellschaftliche Akzeptanz.
Volkswirtschaft:
Ein Solarpark mit 10 Megawatt Leistung generiert für die Standortkommune jährlich Gewerbe- und Grundsteuereinnahmen sowie Pachtzahlungen, die je nach Region fünf- bis sechsstellige Summen erreichen – finanzielle Mittel, die unmittelbar in kommunale Infrastruktur fließen können: Geld für Kitas, Turnhallen und Dorfstraßen. Jede Megawattstunde, die nicht aus Gas oder Kohle stammt, senkt zudem die Importabhängigkeit und das Handelsbilanzdefizit.
Klimanutzen:
Ein Quadratmeter Modulfläche erzeugt in Deutschland rund 150 bis 200 Kilowattstunden sauberen Strom pro Jahr und spart dabei 60 bis 70 Kilogramm CO₂ ein. Das entspricht etwa einer 400 Kilometern Diesel-Pkw-Fahrt oder einem Economy-Flug von Düsseldorf/München mit Lufthansa.
Gesellschaft:
Beteiligungsmodelle wirken wie sozialer Zement. Studien des Forschungsverbunds Erneuerbare Energien zeigen: Wenn Anwohner und Anwohnerinnen investieren können, steigt die Zustimmung um bis zu 25 Prozentpunkte.
Investoren: Rendite zwischen Sonne und Beton
Wer Kapital anlegt, vergleicht drei Größen: Nettoertrag, Aufwand und Risiko. Eine Wohnimmobilie wirft nach Kosten zwar im Durchschnitt 12,31 Euro pro Quadratmeter und Jahr ab, verlangt aber Sanierungen, Mietmanagement und trägt Leerstandsrisiken. Aktien erreichen in guten Jahren zweistellige Renditen, schwanken jedoch heftig und verlieren bei jeder Marktkorrektur an Wert.
Das Direktinvestment in eine Photovoltaik-Freiflächenanlage liegt mit 2 bis 4 Euro pro Quadratmeter und Jahr nominal darunter, überzeugt jedoch durch einen anderen Dreiklang:
- Planbarkeit – 20‑jährige Einspeisevergütung oder langfristige PPAs sichern Cashflows.
- Geräuschloser Betrieb – kein Mietendeckel, keine Mieterwechsel, niedrige Betriebskosten.
- ESG‑Bonus – jede erzeugte Megawattstunde spart CO₂; Fonds und Banken rechnen diesen Klimabeitrag inzwischen als handfesten Wert an.
Für ein gemischtes Portfolio ist Solarstrom damit eher ein „ruhiger Dauerläufer“: Die Erlöse können mit fallenden Börsenstrompreisen etwas nachgeben, bewegen sich aber in engen Korridoren, passen sich langfristig der Inflation an – und heben gleichzeitig die Nachhaltigkeitskennzahlen.
Das große Ganze: Netze, Speicher, Geschwindigkeit
Photovoltaik-Anlagen entfalten ihren vollen Wert nur, wenn das Netz mithält. Regionale Netzbetreiber melden Investitionsstaus; Co-Location-Speicher werden nach Strompreis-Arbitrage gebaut statt nach Netznutzen. Netzdienliche Zuschläge und schnellere Anschlussportale könnten Abhilfe schaffen – gerade dort, wo untere Landschafts- und Baubehörden bislang Flaschenhals spielen.
Ein Quadratmeter Freiflächen-Photovoltaik liefert messbaren Mehrwert: für Landwirte, Investoren, Kommunen und das Klima. Er ersetzt spekulative Nutzungen durch eine produktive, planbare und breit akzeptierte Alternative. Direktinvestments sind dabei kein Heilsversprechen, aber ein wirkungsvolles Instrument, um das schlummernde Potenzial von 100 Gigawatt zusätzlicher PhotovoltaikLeistung in deutsche Wertschöpfung zu verwandeln. Die Energiewende braucht Fläche – doch sie braucht vor allem kluge Modelle, die aus Fläche echten Nutzen erzeugen. Photovoltaik kann das. Quadratmeter für Quadratmeter.
— Der Autor Fabio Griemens ist Gründer und Geschäftsführer von Helio Connect & Helio Finanz. Helio ist eine Plattform für Investitionen in erneuerbare Energien in Deutschland. Er verantwortet die strategische Entwicklung der Plattform sowie den Auf- und Ausbau des Partnernetzwerks. Mit seinem Hintergrund in digitalen Geschäftsmodellen etabliert er Photovoltaik-Infrastruktur als neue, renditestarke Anlageklasse für anspruchsvolle Investoren. Er ist überzeugt: Investments müssen nicht mehr zwischen Rendite oder nachhaltiger Wirkung unterscheiden, sondern es geht beides. —
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Heißt also, die Förderung von Photovoltaik muss umgehend gestrichen werden, da sie derart auf Kosten der Allgemeinheit ausgewuchert ist, dass die Rendite bei Photovoltaik die aus Landwirtschaft und der Immobilienbranche um bis zu das zigfache(!) übersteigt?
Ansonsten: Es ist nicht alles falsch, was im Text steht. Es ist aber sehr einseitig.
So kann man es auch umdrehen, mit der Erzählung vom Getreide, mit dem der Weltmarkt versorgt wird, das dadurch die Preise denkt und Arme weniger hungern, anstelle der Erzeugung von Photovoltaikstrom der Renditegeier, der vorallem dann entsteht, wenn keiner diesen Strom mehr braucht.
Spätestens wenn als Argument „Golfplätze“ angeführt wird, weiß man, wohin die polemische Pseudo-Klassenkampf-Reise gehen soll.
Nicht zu vergessen die Pferdehaltung. Das ist regelmäßig reines Freizeitvergnügen und keine Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln wie Salami etc.
1,2 Mio Pferde in Deutschland benötigen 400 tsd ha Futterfläche. Umgerechnet in Solarertrag ist reiten ein teurer Spaß.
Angemerkt sollten auch die vielen Pools in den Gärten: Hier wäre viel Platz für schwimmende PV. Da greift sogar der Technologiebonus.
Da ich selber golfe, Landwirtschaft studiert habe und Solarparks auf Agrarland (bitte Öko-Agri-PV bzw. Biodiv-PV ohne Einsatz von Dünger und Chemie) ganz toll finde – jedenfalls toller als Intensive Landwirtschaft, sehe ich es ähnlich wie der Autor. Nur würde ich nicht nur auf etragsarme Flächen setzen, sondern einfach 2-3 % des Agrarlandes jeder Kommune in den Blick nehmen. Da gibt es halt auch Gegenden in D, wo es nur sehr gute Böden gibt, die dann halt auch einen Solarpark bekämen. Aber die Energiewende sollte dezentral und gemeinwohlorientiert stattfinden und alle Bürger sollten möglichst vor Ort mitmachen können.
Es gibt keine ehemaligen Militärgelände, es gibt nur künftige… Dies ist der weltpolitischen Lage geschuldet.
Der ziellose PV-Zubau geht zu Ende, viel hilft viel war gestern. Die Grünen sind Geschichte und werden absehbar nie wieder an die Regierung kommen. Wenn doch, ist Deutschland endgültig erledigt.