Batteriespeicher für Gewerbe und Industrie: Hype oder unverzichtbarer Teil der Energiewende?

Lumera Energy, Gründer, Leonie Wagner, Lena Sophia Voss, Simon Wittner

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Stationäre Batteriespeicher für Gewerbe und Industrie (C&I-Speicher) sind derzeit eines der heißesten Themen der Energiewirtschaft. Immer mehr Projektentwickler, Installateure und Hersteller drängen in das Segment. Doch wie attraktiv sind Batteriespeicherlösungen tatsächlich für Unternehmen? Und welche Rolle werden sie künftig für die Energiewende spielen?

Ein boomender Markt

Der Markt für Gewerbe- und Industriespeicher wächst rasant. Im Jahr 2024 stieg der Umsatz im Gewerbe und Industrie Segment um 23 Prozent in Deutschland. Prognosen zufolge wird der Markt bis 2030 jährlich um etwa 15 bis 20 Prozent wachsen.

Im Gegensatz zu netzgekoppelten Großspeichern, die unabhängig von einem spezifischen Endverbraucher operieren (Stand-alone-Batteriespeicher), sind die Realisierungszeiten bei C&I-Projekten deutlich kürzer: Meist ist der Netzanschluss bei Industriekunden bereits vorhanden. Das macht das Segment attraktiv – für Entwickler und Installateure, weil Projekte schnell umgesetzt werden können, und für Hersteller, da höhere Umsätze als im Residential-Segment möglich sind. Währenddessen werden freie Netzkapazitäten für Großspeicher immer knapper, sodass teure Netzausbauten nötig werden.

Wachstumsfaktoren für den C&I-Batteriespeichermarkt

Mehrere Trends treiben die zunehmende Verbreitung von Batteriespeichern im gewerblichen Bereich:

Sinkende Batteriekosten: Durch die Skalierung der E-Mobilität sind Lithium-Ionen-Batterien seit 2010 um rund 89 Prozent günstiger geworden (Quelle: Bloomberg NEF).

Hohe Strompreise: Deutschland hat mit durchschnittlich 25,36 Cent/kWh (2023, Eurostat) für nichtprivilegierte Industrieunternehmen einen der höchsten Industriestrompreise Europas.

Elektrifizierung und Netzausbauengpässe: Viele Industrieunternehmen müssen ihre Prozesse elektrifizieren. Doch oft fehlen freie Netzkapazitäten, der Netzausbau ist teuer und langwierig. Batteriespeicher helfen, bestehende Anschlüsse effizienter zu nutzen.

Rolle der Regulierung

Regulatorische Verbesserungen könnten die Attraktivität von Batteriespeichern weiter steigern. So sind dynamische Stromtarife und atypische Netznutzung bereits attraktive Ansätze. Auch die geplante Reform der Netzentgelte könnte Behind-the-meter-Speicher künftig noch besser stellen. Zwar sind im Koalitionsvertrag der Bundesregierung ein Industriestrompreis und eine Reduktion der Netzentgelte für energieintensive Unternehmen vorgesehen. Dies könnte auf den ersten Blick die Notwendigkeit von Speichern schmälern. Tatsächlich werden sie aber wichtiger, um flexible Energieflüsse optimal zu gestalten. Batteriespeicher helfen Unternehmen, sich gegen Preisschwankungen abzusichern, leisten einen Beitrag zur Netzstabilität und ermöglichen neue Einnahmen durch die Teilnahme an Flexibilitätsmärkten.

Anwendungsfelder für Batteriespeicher in der Industrie

In der Praxis wird das Potenzial von Batteriespeichern oft unterschätzt. Traditionell wurden Speicher vorrangig zur Eigenverbrauchsoptimierung von Photovoltaik-Anlagen oder zur Lastspitzenkappung eingesetzt. Diese Einzelfunktionen führen jedoch häufig zu langen Amortisationszeiten von über zehn Jahren – wirtschaftlich wenig attraktiv.

Dabei ermöglichen moderne Speicher längst eine Vielzahl weiterer Anwendungen: Nutzung von dynamischen Stromtarifen, Teilnahme an Energiemärkten (zum Beispiel Sportmarkt-Arbitrage bei Day-Ahead und Intraday), Regelenergievermarktung sowie Multi-Use-Konzepte, also die gleichzeitige Kombination mehrerer Anwendungsfälle.

Doch noch fehlt es an intelligenter Software, die diese Komplexität zuverlässig und wirtschaftlich von der Planung über die Betriebsoptimierung bis zur Echtzeitsteuerung unterstützt.

Intelligente Speichersteuerung: Warum KI unverzichtbar wird

Im Gegensatz zu Großspeichern, die vor allem auf Marktsignale reagieren, müssen Batteriespeicher im Gewerbe- und Industriebereich eine Vielzahl komplexer Einflussfaktoren gleichzeitig berücksichtigen. Dazu zählen:

Lastprofile: Unternehmen weisen sehr unterschiedliche Lastgänge auf, die stark von Branche, Betriebszeiten und Produktionszyklen abhängen. Hinzu kommen nicht planbare Lastspitzen, etwa durch neue Maschinen oder Produktionsänderungen.

Erzeugungsanlagen: Photovoltaik- oder KWK-Anlagen verändern die Netzeinspeisung und den Eigenverbrauchsanteil. Die optimale Speichersteuerung muss diese Erzeugungsprofile dynamisch einbeziehen.

Energieeinkaufsstrategien: Viele Unternehmen kombinieren fixe Stromkontingente mit variablen Anteilen, etwa dynamischen Stromtarifen, die sich nach Spotmarktpreisen richten. Die intelligente Nutzung günstiger Einkaufszeiten wird damit zentral für die Wirtschaftlichkeit.

Prognosen: Die Wetterentwicklung beeinflusst nicht nur die Photovoltaik-Stromproduktion, sondern zunehmend auch die Strompreise. Daher müssen präzise Wetter- und Erzeugungsprognosen einfließen.

Marktentwicklungen: Schwankungen auf dem Day-Ahead- und Intraday-Markt sowie die Preise für Regelenergie bieten Chancen für zusätzliche Erlöse oder Einsparungen – wenn sie rechtzeitig antizipiert und genutzt werden.

Netzrestriktionen: Engpässe oder Beschränkungen durch den Verteilnetzbetreiber – etwa bei maximal zulässigen Einspeise- oder Entnahmemengen – setzen Rahmenbedingungen, innerhalb derer sich das Speichersystem optimal bewegen muss.

Diese Vielzahl an Abhängigkeiten und deren Wechselwirkungen sind für klassische Regelalgorithmen kaum mehr handhabbar. Hier kommen Machine-Learning-Modelle ins Spiel: Durch die Analyse großer historischer und aktueller Datensätze sowie die laufende Anpassung an neue Situationen können sie Lastspitzen, Preisschwankungen und Flexibilitäten mit hoher Präzision prognostizieren und daraus in Echtzeit optimale Fahrpläne für den Speicherbetrieb ableiten.

Machine Learning ermöglicht es somit, Lastgänge eines Unternehmens – auch unter veränderten Rahmenbedingungen – präzise vorherzusagen, wirtschaftlich sinnvolle Lade- und Entladezeitpunkte sekundengenau zu bestimmen, Multi-Use-Strategien intelligent zu kombinieren (zum Beispiel Eigenverbrauchsoptimierung, Peak Shaving, Arbitrage), freie Kapazitäten dynamisch am Spot- oder Regelenergiemarkt zu vermarkten und zukünftige Szenarien zu simulieren, wie beispielsweise die Auswirkungen von Änderungen bei Netzentgelten oder von weiterem Photovoltaik-Ausbau).

Ohne intelligente Algorithmen bleiben viele wirtschaftliche Potenziale eines Speichers ungenutzt. Erst durch KI wird der Speicher flexibel genug, um je nach Marktsituation und Unternehmensbedarf automatisch zwischen verschiedenen Strategien zu wechseln.

Praxisbeispiel: Potenzial eines KI-optimierten Batteriespeicher bei einem Maschinenbauunternehmen

Wie wirtschaftlich ein Batteriespeicher durch einen solchen Algorithmus sein kann, zeigt das Praxisbeispiel eines mittelständischen Maschinenbauunternehmens. Das Unternehmen hat einen Zwei-Schicht-Betrieb und betreibt eine 300 Kilowatt-Photovoltaik-Anlage. 40 Prozent des Stroms werden über Fixpreise eingekauft, 60 Prozent über dynamische Tarife.

Die Abbildung zeigt die Ergebnisse einer KI-basierten Wirtschaftlichkeitsanalyse mit historischen Last- und Erzeugungsdaten.

Grafik, Wirtschaftlichkeit, Gewerbespeicher
Wirtschaftlichkeit eines Batteriespeichers bei einem mittelständischen Maschinenbauer

Grafik: Lumera Energy

Die ursprünglichen Stromkosten liegen bei 110.000 Euro jährlich. Eine reine Eigenverbrauchsoptimierung hätte Einsparungen von nur 2.000  Euro jährlich gebracht. Durch Lastspitzenkappung und optimierten Stromeinkauf können jedoch Einsparungen von 20.000 Euro erzielt werden. Die optimale Speicherdimensionierung beträgt 66 Kilowatt Leistung und 126 Kilowattstunden Kapazität für die Kombination dieser Anwendungen. Über die Vermarktung freier Speicherkapazitäten am Spotmarkt können zusätzlich 17.000 Euro erwirtschaftet werden.

Insgesamt spart das Unternehmen nun 35 Prozent seiner Energiekosten – eine Investition, die sich in weniger als fünf Jahren amortisiert.

Herausforderungen für Batteriespeicher im C&I-Segment                                         

Trotz aller Chancen gibt es auch Herausforderungen. Da wäre zunächst die individuelle Auslegung: Nicht jedes Unternehmen profitiert gleichermaßen, eine individuelle Analyse bleibt unerlässlich.

Hinzu kommen Zukunftsunsicherheiten: Änderungen bei Netzentgelten, Industriestrompreisen oder Marktdesigns beeinflussen die Wirtschaftlichkeit massiv.

Die Finanzierung ist ein weiteres Thema: Die Komplexität und Unsicherheit erschweren die Finanzierung durch Banken und Investoren. Wirtschaftlichkeitsszenarien müssen transparent aufbereitet werden.

Und es mangelt an Softwarelösungen: Die Hardware wird immer günstiger, aber leistungsfähige Software für Planung, Optimierung und Betrieb fehlt noch häufig.

Ausblick: Batteriespeicher als Schlüssel zur Flexibilität

Unterm Strich aber bleiben C&I-Batteriespeicher ein Schlüssel zur Flexibilität. Sie sind längst kein Nischenthema mehr, sondern werden zu einem unverzichtbaren Baustein der Energiewende. Sie leisten künftig einen wichtigen Beitrag zur Netzstabilisierung und ermöglichen Unternehmen erhebliche Kosteneinsparungen.

Entscheidend wird sein, Speicherlösungen individuell auf die Bedürfnisse der Unternehmen auszulegen und durch intelligente Softwarelösungen das volle Potenzial auszuschöpfen. Wer hier frühzeitig auf die richtige Technologie setzt, verschafft sich einen klaren Wettbewerbsvorteil.

—- Lena Sophia Voß, Simon Wittner und Leonie Wagner sind die Gründerinnen und Gründer von Lumera Energy. Das Start-up aus München bietet KI-basierte Software für den Vertrieb, die Planung und die Optimierung von Batteriespeichern in Gewerbe und Industrie an. Die Lösung wird erstmals auf der The Smarter E Europe vorgestellt (Stand C5.570H). —-

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