Versagt Deutschland beim marktgetriebenen XXL-Speicher-Rollout wie bei Smart Metern?

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Eigentlich ist alles gut. Das Zeitalter der speicherbaren Solarenergie ist angebrochen und die Schlagzeilen lauten: „Sonne bei Nacht“, „Sonne bei Wolken“, „Wind bei Flaute“, „Sonne und Wind auf Knopfdruck“, „Kein Strom mehr wegwerfen“, „Verbraucher versorgen, wenn sie Energie brauchen“, „Netze überall stabilisieren und im Notfall wieder aufbauen“, „Netzausbaukosten um 200 Milliarden Euro minimieren“, „Endlich macht die Energiewende Sinn“ und so weiter.

Und das Beste: Für all das wird kein Cent an Subventionen benötigt. Speicher sind günstig, massenhaft verfügbar und werden von Tag zu Tag leistungsfähiger und günstiger.

Die Vision „Sonne bei Nacht“ ist Realität: Mit über 1,8 Millionen Heimspeichern ist sie für Millionen von Bundesbürgern bereits gelebter Alltag. Was lange Zeit viel finanzielles Entgegenkommen der Betreiber erforderte, ist heute auch für Balkonanlagen ein „No Brainer“. Seit meinem „Schiffsblog“ vom November 2024 sind die Speicher nicht nur günstiger, sondern auch vielfältiger in den angebotenen Lösungen geworden. Vom Balkonspeicher (den es jetzt auch mit „Notstrom“-Funktion gibt) bis zum XXL-Großspeicher. Und die XXL-Großspeicher sind jetzt schon Bestandteil von neuen Solarparks, in deren PPA-Verträgen „Sonne auf Knopfdruck“ realisiert wird, alles rein wettbewerblich.

Also alles in Ordnung? Leider keineswegs.

In einem Land, das nicht nur beim Smart-Meter-Rollout völlig versagt, sondern landauf, landab massive Probleme hat, neue industrielle oder gewerbliche Verbraucher ans Netz zu bringen, sind die Befürchtungen eines erneuten Versagens sicher nicht unbegründet.

Und ist es wirklich so eilig mit den Speichern? Schließlich wissen wir nicht nur aus dem „Smart-Meter-Desaster“, sondern auch aus Jahrzehnten von „deutsch bräsig“, dass es auch mit fortgesetztem Versagen immer weiter geht. Während immer mehr Bürger wütend oder fassungslos über all das Hinnehmen sind, steht die Energiewende angesichts der Milliardeninvestitionen und der sichtbaren Veränderungen unter besonderem Druck.

Wer will den Menschen noch erklären, dass wir wider besseres Wissen Strom „wegwerfen“ und dafür bezahlen? Für hunderte Milliarden Euro Gaskraftwerke oder Netze bauen, die wir zum Teil einfach nicht brauchen – nur weil unsere politische Führung nicht in der Lage war, veraltete Szenarien neu zu berechnen und das Naheliegende zu tun: Die lang ersehnten Speicher sofort und massenhaft nutzbar zu machen – zumal es keine Subventionen braucht und technologisch recht einfach umzusetzen ist. Ja – leider lässt sich die Gesetzgebung und die zuständige Bundesnetzagentur extrem viel Zeit respektive bleibt im Vagen oder steht sogar auf der Bremse.

Battery Business & Development Forum

BBDFHaben Sie Fragen an Karl Heinz Remmers? 

Treffen Sie ihn auf dem Batterey Bussiness & Development Forum BBDF am 16. Juli in Frankfurt, organisiert von Conexio PSE und pv magazine. Dort diskutieren wir an einem kompakten Tag die Themen, die Projektentwickler, Investoren und andere Player im Segment Großspeicher derzeit am meisten umtreiben, unter anderem zu Netzanschluss, Baugenehmigung, technische Planung, Vermarktung oder Finanzierung. Der Fokus des englischsprachigen europäischen Events liegt dieses Jahr auf Deutschland und Italien, dazu gibt es einen Ausblick auf andere europäische Länder. Bereits am Vorabend können Sie auf der Networking-Reception Projektentwickler und Kapitalgeber treffen. Mehr Infos und zur Anmeldung

Meine Erfahrungen, die Gespräche im Rahmen meiner Lobbyarbeit für die Branche und auch die Diskussionen in der Politik, deren Beraterkreis sowie der Finanz- und Energiewirtschaft beinhalten, zeigen ein Bild, das oft von Angst und Unsicherheit und stark bremsendem Verhalten dominiert wird. „Von „reicht nicht für die Dunkelflaute“ auf der Meta- Ablehnungsebene oder auch konkret im Detail, „Speicher können wir nicht einschätzen, die sind netzgefährdend“, wird zu viel Raum gegeben.

Dass wir einen XXL-Business-Case für marktfähige Speicher in Deutschland haben, zeigen die von pv magazine ermittelten über 340 Gigawatt an Netzanfragen. Das entspricht Investitionsabsichten von über 120 Milliarden Euro. Und für die Investoren buchstäblich „Schlange stehen“.

Wie verbindlich und realistisch diese 340 Gigawatt sind, wird in der Branche heiß diskutiert. Und es dürfte ziemlich klar sein, dass damit alles gemeint ist, vom genehmigten und finanzierten 300 Megawatt-Projekt bis zur reinen Luftnummer a la wir haben da einen Acker gepachtet und den Netzantrag gestellt.

Weshalb viele Netzbetreiber zum Teil sehr ungehalten sind und öffentlich der Branche vorwerfen, „was sind das für Anträge ohne Substanz, die nur Kapazitäten und Geld fressen?“ Worauf die Branche ebenso ungehalten reagiert „warum ist rund zwei Jahre nach Beginn der Speicherwelle immer noch kein verbindlicher Anfrageprozess bei den Netzbetreibern erkennbar?“

So heizt sich die Diskussion massiv auf, vielfach werden die alten Gräber zwischen Verbrauchern, Erzeugern auf der einen und den Netzbetreibern auf der anderen Seite mit einer Wucht wieder aufgerissen, die ich kaum für möglich gehalten hätte. Es sind Aussagen zu hören wie: „300 Megawatt als Nachfrage an Bezugsleistung für einen Speicher ist mehr als 20 Kleinstädte“ (Netzbetreiber); „100 Megawatt Nachfrage haben selbst sehr große Rechenzentren selten als Bedarf und den können wir im größten Teil Deutschlands auch nicht decken“ (Wirtschaftsentwickler), „Dass es auch mit Netzanschlüssen mit Baugenehmigungen oder als Teil von Solar- oder Windparks nicht klappt, ist doch verrückt“, „Berechnete Netzaussagen sind schon nach Versand der E-Mail vom Netzbetreiber ungültig“, „die xyz Netzgesellschaft reagiert nicht mehr“ (Stimmen von Entwicklern oder Betreibern).

Die einen sehen einen (gottgegebenen) Netzanschluss, der alle möglichen Speicher-Business-Cases mit einem Speicher fahren will, immer als „netzdienlich“ an. Und warum sollte ausgerechnet ein Entwickler auf attraktive Teile der Speicher-Wirtschaftlichkeit („revenue stacking“) verzichten?

Aber die schon lange bekannte unangenehme Wahrheit wird jeden Tag deutlicher: Deutschland hat nur ein Preissignal, aber keine Kupferplatte. Und eine Kupferplatte wird es auch nie geben. Und so kann das in einem Teil Deutschlands sehr netzdienliche Preissignal in einem anderen Netzgebiet durchaus ernsthafte Probleme bereiten. Es sei denn, man macht durchgehende Fahrpläne oder spezifische Anschlussvereinbarungen wie bei konventionellen Verbrauchsanschlüssen und Kraftwerken.

Was dann sofort die Entwickler- und Betreiberszene spaltet – aus einer Branchenrunde: „So eine Sperrzeit von morgens bis abends akzeptiere ich auf keinen Fall“, direkte Entgegnung: „Her mit dem Vertrag über die Sperrzeit, damit wir anfangen können.“

Netzanschlüsse als knappes Gut – damit sind die Anschlüsse für den Strombezug gemeint. Über deren „Vergabe“ wird heftig diskutiert. Von Baukostenzuschüssen über Auktionen ist die Rede. Dies gilt wohlgemerkt auch für gewerbliche und industrielle Verbraucher, zu denen auch die derzeit im Koalitionsvertrag so „gehypten“ Rechenzentren gehören. Diese sollen sich nach dem Willen mancher ausschließlich dort ansiedeln, wo Platz im Netz ist. Wenn es dort aber keine Gewerbegebiete gibt oder beispielsweise die Unternehmen einen ganz anderen regionalen Hintergrund haben oder schlicht keine Arbeitskräfte vorhanden sind, zeigt sich, wie einseitig diese Sichtweise ist. Generell ist es aus meiner Sicht ein Armutszeugnis, dass wir unseren Standort dadurch ausbremsen, dass Unternehmen nicht wachsen können, weil es vor Ort keinen Stromanschluss gibt – eine Situation, die ich vor Ort in den regionalen Gewerbegebieten immer wieder erlebe. Hier zeigt sich ein eklatanter Webfehler im Anreizsystem des Netzbetreibers: Es gibt keinen Anreiz, alle schnell mit Netzen zu versorgen oder die Menge an Kilowattstunden, die darüber transportiert wird, zu erhöhen, um die Infrastruktur gut auszulasten und den Preis pro Kilowattstunde zu senken.

„Aber ein Speicher ist ein Speicher und kein Verbraucher.“ Auch diese Binse ist offensichtlich nicht angekommen – denn natürlich kann sich ein Speicher beim Laden wie ein Verbraucher verhalten, muss es aber nicht. Wohl kaum, wenn der Speicher die ohnehin ausgebauten 160 Gigawatt für Windkraft- und Photovoltaik-Anlagen nur auf der Einspeiseseite nutzt. Und so ist ein reiner „Ökostromspeicher“, der nur bis zur maximalen Leistung der Solaranlage einspeist, eigentlich kein Problem. “Kann ich das bitte auch schriftlich haben, gegebenenfalls mit einem flexiblen Netzanschlussvertrag, sollte doch als Muster vorliegen?“, Flexible Netzanschlussverträge als Muster – haben wir nicht“. Haben wir nicht, auch nicht als Branchenvereinbarungen oder von staatlicher Seite, trotz expliziter Erwähnung im Energiewirtschaftsgesetz EnWG.

Bei den Netzbetreibern ist zudem das Personal vor Ort seit Jahren „am Anschlag“. Deshalb sind viele der aus meiner persönlichen Erfahrung positiv gestimmten und fachlich interessierten Ansprechpartner nur noch in der Lage, die Dinge irgendwie abzuarbeiten. Auf dieser Ebene gibt es auch kaum Anreize für die Unternehmen, das notwendige Personal aufzubauen oder Interessierten auch eine Perspektive zu geben. Es herrscht gleichzeitig eine babylonische Sprachverwirrung auf höchster Ebene rund um die Nutzungsarten von Speichern. „Ich verstehe die Geschäftsmodelle nicht“, gibt beispielsweise ein Vorstand eines Übertragungsnetzbetreibers im Januar 2025 ungewohnt offen zu.

Hinzu kommen durchaus zögerliche Eigeninteressen hinsichtlich der eigenen Möglichkeiten, Speicher wirtschaftlich zu nutzen oder nach den Regeln des Unbundling nutzen zu können. Wie soll der weithin als sinnvoll erachtete Einsatz von Speichern im Rahmen des „Redispatch“ umgesetzt werden, wenn der Speicher dem Photovoltaik-Anlagenbetreiber gehört, der Redispatch aber vom Netzbetreiber veranlasst wird und die Entschädigung auch ohne Speicher gezahlt wird? Warum sollte hier jemand investieren?

So rollen die Züge aufeinander zu, und wenn es so weitergeht, haben wir statt einer rekordverdächtigen Speicherwelle bald eine rekordverdächtige Prozesswelle, in der dann die Gerichte mühsam klären müssen, was die Marktpartner und die Politik im Innovationstempo der Speicher offensichtlich bisher nicht hinbekommen haben.

Wenn ich mir etwas wünschen vom dürfte

  • von der künftigen Bundesministerin für Wirtschaft und Energie sowie der Bundesnetzagentur dürfte, wäre das Folgendes:

Voll auf Speicher setzen. Langfristszenarien und Netzentwicklungspläne komplett neu durchrechnen und endlich ALLE Speicher-Use-Cases abbilden (ich wette, dann sparen wir ein paar hundert Milliarden Euro). Die Lücken im EnWG, EEG und anderen Gesetzen für Speicher im Rahmen der 100-Tage-Gesetzgebung schließen. Entsprechende Verfahren in der Bundesnetzagentur abbilden, gegebenenfalls Musterverträge für flexible Verträge. Es gilt, eine vollständige Netztransparenz für die Fachebenen herzustellen.

  • Von den Mutter- und Tochtergesellschaften der Netzbetreiber, Speicher und Erneuerbaren-Anlagenbetreiber und Verbänden wäre es Folgendes:

Bitte verheizt nicht die guten Leute an der Basis. Geht sofort raus aus den x- Einzelverhandlungen und Einzellösungen. Zudem sollte notfalls abseits der üblichen „Kampflinien“ auch zwischen den Verbänden Transparenz über die X-Use-Cases (inklusive der grundsätzlichen Unterschiede von Speichern mit und ohne Bezug) und mögliche Netzrückwirkungen geschaffen werden. Auch sollte es klare Vereinbarungen zum Umgang mit Netzanfragen, Reservierungen, Zeiten und anderer Dinge auf Basis von Netzanschlussverträgen geben.

Wie in all den Jahrzehnten wieder viel Diskussionsstoff für die The Smarter E Europe (Intersolar) inklusive Konferenz vom 6. bis 9.5.2025 in München.

Aber auch ganz anders als früher: Denn die Speicherfrage in Deutschland wäre für mindestens sechs von zwölf Monate im Jahr gänzlich gelöst, wenn wir es denn hinbekommen.

— Der Autor Karl- Heinz Remmers ist seit 1992 als Solarunternehmer tätig. Zu Beginn mit der Planung und Montage von Solaranlagen sowie der Produktion von Solarthermie-Kollektoren. Seit 1996 dann parallel unter dem Namen Solarpraxis mit eigenen Fachartikeln, Buch- und Zeitschriftenverlag und dem bis heute aktivem Solarpraxis Engineering. Zu den erfolgreichen Gründungen zählen auch die nun von namhaften Partnern gemachte pv- magazine Group und die Konferenzserie „Forum Solar Plus“. Neben Solarpraxis Engineering sind heute Entwicklung, Planung, Errichtung und Betrieb von Solaranlagen als „IPP“ im Fokus der Aktivität. Zudem betreibt er aktive politische Arbeit im Rahmen des Bundesverbandes Neue Energiewirtschaft (bne). Mehr hier: https://www.remmers.solar/ueber-mich/ —

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