Die Energiewende zählt zu den größten Herausforderungen unserer Zeit. Ganz im Gegensatz zum aktuellen politischen Diskurs, wo das Thema gerne ausgeklammert wird, hat Deutschland hier in jüngster Zeit beeindruckende Fortschritte erzielt. Erstmals scheint der Weg zur Klimaneutralität kein Gedankenspiel für eine ferne Zukunft mehr zu sein, sondern er kann durch einen konsequenten weiteren Umbau des Energiesystems tatsächlich bestritten und die Energiewende somit zum Erfolg geführt werden. Hier zwei Zahlen, die den aktuellen Trend eindrucksvoll untermauern: Allein im Jahr 2024 wurden Photovoltaik-Anlagen mit einer Gesamtleistung von über 16 Gigawatt installiert, ein neuer Rekord. Auch die Kapazität der Batteriespeicher hat sich verdreifacht: Ende letzten Jahres waren rund 17,3 Gigawattstunden am Netz, und die Zahl wächst weiter.
Doch Unklarheiten in der politischen Strategie und Verzögerungen bei zentralen Entscheidungen, wie der Kraftwerksstrategie und dem Kapazitätsmechanismus, belasten zunehmend die Stimmung und drohen dringend benötigte Investitionen zu behindern. Es stellt sich nicht nur die Frage pro oder kontra Kraftwerksstrategie, pro oder kontra Subventionierung des weiteren Erneuerbaren-Ausbaus oder – wie neuerdings im Bundestagswahlkampf zu beobachten ist – pro oder kontra Atomenergie. Eine mindestens ebenso große Gefahr wie von politischen Fehlentscheidungen geht von politischem Vakuum aus, in dem erforderliche Investitionen zurückgehalten werden – und so der gesamte Energiemarkt gelähmt wird. Nach dem Aus der Ampel-Regierung scheint diese Lähmung leider flächendeckend eingetreten zu sein und muss schnellstmöglich überwunden werden.
Politische Unentschlossenheit blockiert Investitionen
Wenn Deutschland in den kommenden Jahren mit Versorgungssicherheitsproblemen konfrontiert wird, wird dies nicht an der Grundsatzfrage liegen, ob ein Energy-Only-Markt (EOM), der auf freie Preisbildung und Marktanreize setzt, oder ein Kapazitätsmechanismus, der gezielt Reservekapazitäten finanziert, das bessere System ist – sondern ob vorausschauende und zukunftssichere Rahmenbedingungen für den Markt etabliert wurden, auf die die Akteure im Energiemarkt vertrauen können.
Die Entwicklungen der letzten Monate sind ein lehrbuchartiges Beispiel dafür, wie Investitionen in die Energieinfrastruktur aktiv verzögert oder gar verhindert werden: Regulierungen und zugehörige Subventionen und Förderungen für eine Kraftwerkstrategie wurden zwar angekündigt, doch ihre Umsetzung bleibt aus. Kein rational denkender Akteur wird in einer solchen Situation neue Kraftwerke bauen. Stattdessen warten Investoren verständlicherweise auf Klarheit und hoffen auf staatliche Förderungen, bevor sie ihre Mittel einsetzen. Und das, obwohl der Energy-Only-Markt längst klare Knappheitssignale liefert. Die Preisspitzen während einer kalten Dunkelflaute in diesem Winter haben gezeigt, dass es wirtschaftliche Anreize gibt, in neue Erzeugungskapazitäten und Speicher zu investieren. Doch auf diese Marktsignale reagiert die Branche nur unzureichend: Ankündigungen konkreter Investitionsentscheidungen in neue Speicher bleiben hinter dem Bedarf zurück (stattdessen wird über einen “Batterie-Tsunami” fabuliert, hinter dem aber lediglich erste Netzanschlussanfragen stehen) und die Errichtung grundlastfähiger H2-ready Gaskraftwerke scheint ohne umfangreiche Subventionierung gänzlich außer Frage zu stehen. Im Ergebnis wird die Flexibilitätslücke im Energiesystem immer größer und die Energieversorgung langfristig instabiler und teurer.
Kapazitätsmechanismus: Mehr Unsicherheit als Stabilität
Die Diskussion über die Einführung eines Kapazitätsmechanismus ist berechtigt: Zusätzliche Reservekapazitäten könnten in Zeiten hoher Nachfrage oder geringer erneuerbarer Erzeugung eine entscheidende Rolle spielen. Doch bisher hat die Debatte mehr Fragen als Antworten geliefert. Wie hoch ist der Bedarf an Kapazitäten, die der Markt nicht von sich aus schafft, tatsächlich? Wie technologieoffen muss ein Mechanismus ausgestaltet sein? Soll er zentral oder dezentral ausgestaltet werden, oder gar zentrale und dezentrale Elemente kombinieren? Ankündigungen bleiben ohne konkrete Umsetzungen, wodurch der Markt verunsichert und Investitionen weiter verzögert werden.
Dabei ist es unerlässlich, klare Leitplanken für den Energiemarkt zu setzen. Ob ein Kapazitätsmechanismus oder der bestehende Energy-Only-Markt die bessere Lösung ist, ist weniger entscheidend als die Belastbarkeit einer einmal getroffenen politischen Richtungsentscheidung, die dann mit entsprechender Konsequenz umzusetzen ist. Ohne klare Entscheidungen riskiert Deutschland ernsthafte Probleme bei der zukünftigen Stabilität des Energiesystems und der Versorgungssicherheit.
Batteriespeicher: Hoffnungsträger trotz politischer Hindernisse
Trotz der Unsicherheiten hat der Markt das Potenzial von Batteriespeichern längst erkannt. Allein im Jahr 2024 wurden fast 6 Gigawattstunden neue Kapazitäten in Betrieb genommen, hiervon immerhin etwa 700 Megawattstunden davon an netzgekoppelten Großbatteriespeichern, die direkt auf Knappheitssignale an den Märkten reagieren können. Bis 2030 könnten allerdings weit über 50 Gigawattstunden Batteriespeicherkapazitäten notwendig sein, um den wachsenden Anteil erneuerbarer Energien effizient zu integrieren.
Diese Anlagen bieten flexible und schnell umsetzbare Lösungen, um Engpässe zu überbrücken und die Netzstabilität zu sichern. Besonders Kurzfristspeicher mit einer Speicherdauer im Bereich von zwei bis vier Stunden spielen hier eine entscheidende Rolle. Sie werden oft unterschätzt, doch genau in den kritischsten Momenten, wie untertägig auftretenden Prognosefehlern bei erneuerbaren Energien entfalten sie ihr volles Potenzial.
Es ist ein Irrtum, anzunehmen, dass Kurzfristspeicher in Situationen wie einer über viele Tage andauernden kalten Dunkelflaute keinen Beitrag zur Versorgungssicherheit leisten. In der Realität sind die kritischsten Zeiträume oft nur wenige Stunden lang – beispielsweise während der Rampen in den Morgen- oder Abendstunden – und genau hier stützen Kurzfristspeicher das System, ohne nach einem Cent an Subventionen zu fragen. Doch diese Vorteile wurden von zentralisierten Planungsinstitutionen, wie dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, bei der Ausarbeitung bisheriger Strategien und Regulierungen sträflich vernachlässigt. Ein viel zu statischer Blick aufs Gesamtsystem ergab stattdessen einen enormen scheinbaren Bedarf an grundlastfähigen Kraftwerken, die sich aber aufgrund des tatsächlich viel geringeren Bedarfs am Markt nicht rechnen. Kurzfristspeicher blieben in der Betrachtung weitgehend außen vor.
Ein Appell an die nächste Bundesregierung
Deutschland hat das Glück, dass der Markt trotz politischer Unsicherheiten handelt und für eine Investitionswelle – keinen unbeherrschbaren “Tsunami” – bei Batteriespeichern sorgt. Doch die nächste Bundesregierung muss klar erkennen, dass wie bisher angedachte sogenannte “Übergangslösungen” wie Gaskraftwerke als Teil einer Kraftwerksstrategie und eines Kapazitätsmechanismus nicht die Zukunft sind – insbesondere, wenn diese Kraftwerke noch über Jahrzehnte hinaus mit fossilem Erdgas betrieben werden. Stattdessen braucht es mutige politische Entscheidungen, die den Ausbau flexibler Speicherlösungen in den Mittelpunkt stellen, um weitere Schäden einzudämmen.
Wenn wir in einigen Jahren hoffentlich keine Probleme mit unserer Versorgungssicherheit haben, wird dies vor allem dem Erfolg der Batteriespeicher zu verdanken sein. Speicher, die trotz fehlender Subventionen und halbherziger bis schädlicher politischer Entscheidungen längst in Betrieb gegangen sind, werden die Grundlage eines stabilen und nachhaltigen Energiesystems bilden. Im Gegensatz hierzu droht der exzessive Aufbau neuer fossiler Erzeugungskapazität in Form von Gaskraftwerken, oder gar der Wiedereinstieg in die Atomenergie, jeden Zeit- und Kostenrahmen zu sprengen und zu einem Grab für öffentliche Subventionen zu werden. Diesen Weg dürfen wir nicht einschlagen, diesen Weg können sich weder das Klima noch die öffentlichen Haushalte, und auch nicht die Stromkunden leisten!
Fazit: Klare Entscheidungen für eine sichere Energiezukunft
Die Energiewende ist ein Kraftakt, der nur mit einer Mischung aus politischem Mut, technologischer Innovation und wirtschaftlichem Engagement gelingen kann. Die bisherigen Fortschritte zeigen, dass der Markt bereit ist, zu handeln. Doch ohne stabile Rahmenbedingungen drohen Verzögerungen und Versorgungslücken. Eine klare kombinierte Kraftwerks- und Speicherstrategie und schnelle Entscheidungen zur Herstellung von Investitionssicherheit sind keine optionalen Schritte – sie sind essenziell.
Konkret: Vor allem beschäftigt die Speicherbranche das Auslaufen der Netzentgeltbefreiung für netzgekoppelte Großspeicher, das im Jahr 2029 droht und das schon heute seine Schatten wirft. Dies wäre das Ende der aufstrebenden Speicherindustrie und würde die Marktverzerrung zugunsten von fossilen sogenannten “Übergangtechnologien” auf Jahrzehnte zementieren. Zumindest netzgekoppelte Speicher müssen dauerhaft von Netzentgelten befreit werden, und zwar auch dann, wenn sie nicht ausschließlich vom Netzbetreiber zur Behebung lokaler Netzprobleme betrieben werden.
Eine mutige Politik darf sich hier auch nicht von der Speicherfeindlichkeit der Bundesnetzagentur beeindrucken lassen, die aktuell jede Chance zur Torpedierung des Speicherausbaus ergreift – Stichwort Baukostenzuschüsse. Stattdessen muss eine ganzheitlich denkende Politik die volkswirtschaftlichen Chancen von Speichern erkennen, bei der am Ende die Stromrechnung für die Verbraucher sinkt. Soweit nötig, muss die Politik sich die Kompetenzen, die in der Vergangenheit an die Bundesnetzagentur abgegeben wurden, wieder zurückholen, um handlungsfähig zu werden. Auch europarechtlich dürfen keine Denkverbote bestehen.
Eine zukunftsgerichtete Politik muss auf flexible und innovative Technologien setzen. Der Fokus sollte stärker auf der Schaffung von fairen und verlässlichen Rahmenbedingungen für Batteriespeicher und anderen nachhaltige Lösungen liegen, anstatt sich auf überholte Gas- oder Atomkraftwerke zu verlassen. Die Chance, wieder zum Vorreiter in der globalen Energiewende zu werden, ist greifbar – jetzt liegt es an der Politik, diese Chance zu nutzen.
— Der Autor Benedikt Deuchert ist Head of Business Development & Regulatory Affairs bei Kyon Energy, einem der führenden Projektierer für Batteriegroßspeicher in Deutschland. Er ist verantwortlich für die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle und leitet Initiativen zur Gestaltung des regulatorischen Umfelds für Flexibilitätsdienste im Stromnetz im Allgemeinen und für Batteriespeicher im Besonderen. —
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Hier kann man jedes Wort unterstreichen. Sehr gut auf den Punkt gebracht. Danke Benedikt!
Nun das sehe ich vollkommen anders. Warum sollte ein Speicherbetreiber keine BKZ zahlen? Er ist eine Last wie jede andere auch. Für diesen Speicher muss evtl. sogar das Netz massiv ausgebaut werden. Das ist reine Lobby. Die Rendite der Speicher ist so exorbitant hoch, eine Beteiligung an den Kosten gehört dazu.
@Chris227, ein Speicher ist nicht eine Last wie jede andere. Er ist auch ein Generator !!! Und das mit dem Netzausbau ist auch nicht notwendig. a) er kann da stehen, wo schon ein altes Kraftwerk ( auch ein AKW ) stand. b) viele KLEINE verteilen, dezentral ( direkt in die Kommunen )
Aber aus Sicht eines Netzbetreibers ist es eine Last. Und wenn da 500 MW stehen, muss das Netz auf diese Last ausgebaut werden. Also kommt sogar mehr Netzausbau als ohne Speicher im dümmsten Fall.
Und die Speicher stehen ja gerade nicht da wo Kraftwerke sind oder waren. Die stehen mitten in der Pampa, Hauptsache Platz und ein Umspannwerk in der Nähe.
Glaubst du ein Bundesland braucht mehr als 40 GW Speicherleistung? Niemals, aber derzeit sind das die Anfragen.