Statt Ausweg CCS – an den Problemlösungen arbeiten!

Blick in den Bundestag, Reichstag

Teilen

Seit einiger Zeit war es um CCS etwas stiller geworden. Man konnte meinen, dass die Novellierung des CCS-Gesetzes vor der Wahl vielleicht doch nicht mehr durchgezogen wird. In den letzten Tagen haben einige Medien das Thema aber wieder hoch gebracht. In der vergangenen Woche titelte das Handelsblatt „Parteien könnten CO2-Speicherung doch noch beschließen“. Am Tag darauf veröffentlichte Tagesspiegel Background einen „Standpunkt“ von Ralf Dickel (Oxford Institute for Energy Studies) mit der Überschrift „CCS als unverzichtbares Instrument der Klima- und Energiepolitik“. Dann brachte die „Wirtschaftswoche“ den Artikel „Deutschland bleibt nur noch eine Woche, um CCS zu ermöglichen“.

Allen drei Veröffentlichungen ist gemeinsam, dass sie die öffentliche Diskussion, in der aus der Faktenbetrachtung klar hervorging, dass CCS dem Bestandsschutz der fossilen Energiewirtschaft dient, nicht aber dem Klimaschutz, komplett übergehen. Die Überprüfungen, in denen sich herausstellte, dass

  • CO2-Deponien in ausgeförderten Gas- oder Ölfeldern unmöglich dicht sein können,
  • der „Sleipner-Speicher“ das Funktionieren der CO2-Deponierung gerade nicht beweist, da das Gas in Schichten aufstieg, in denen es niemals hätte sein dürfen und man zusätzlich jahrelang wesentlich größere entsorgte CO2-Mengen angab als tatsächlich verpresst wurden,
  • der „Reagenzglas-Versuch“ in Ketzin mit einmaliger Verpressung von 67.000 Tonnen CO2 erst recht nicht als Nachweis des Funktionierens der CCS-Technik gewertet werden kann,
  • laut Evaluierungsbericht der Bundesregierung 70 Prozent der weltweit unter den Begriff „CCS“ subsumierten Anlagen die dauerhafte Speicherung nicht einmal intendieren, sondern das CO2 in die Lagerstätte pressen, um die Öl- oder Gasausbeute zu erhöhen (Enhanced Oil Recovery EOR, Enhanced Gas Recovery EGR), dadurch die CO2-Emission also nicht nur nicht vermindern, sondern auf das Doppelte steigern,

all das wird von den Autoren schlicht als nicht existent behandelt. Offenbar gilt ihnen CCS als Dogma, das nicht hinterfragt werden darf.

Erfreulicherweise befinden sich aber im Deutschen Bundestag nicht wenige Menschen, die in die öffentliche Diskussion involviert waren und sich dadurch auch kundig gemacht haben. Man findet sie in der SPD, bei den Grünen und allemal bei den Linken. Leider gehen wohl viele von ihnen bisher nicht so weit, CCS in Gänze abzulehnen. In der Energiewirtschaft sollte CCS aber nichts zu suchen haben. Denn hier stehen erneuerbare Energien samt den nötigen Speichern bereit, um die Energieversorgung in kürzester Zeit und für geringere Kosten als für CCS zu 100 Prozent zu übernehmen – sofern  es denn politisch gewollt ist. Das wäre die Vermeidung von Emissionen statt dem fragwürdigen Versuch, sie zu „behandeln“.

Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) wollte ursprünglich nicht nur Kohle-, sondern auch Gaskraftwerken, den Anschluss an ein CCS-System verwehren, um den Wechsel von fossiler auf erneuerbare Energiegewinnung nicht zu hemmen. Vermutlich ließ er sich vom Koalitionspartner FDP umstimmen, der gemeinsam mit der CDU/CSU-Opposition eine lange Laufzeitperspektive via CCS für Gaskraftwerke sicherstellen wollte. Jetzt schlägt Habeck Widerstand unter anderem in der eigenen Partei entgegen, und es sieht so aus, dass er sich davon zur Rolle rückwärts anregen lassen könnte.

FDP und CDU/CSU, denen er zu Willen war, zeigen sich jetzt „großzügig“:  Merz kündigte an, dass auch einem die Gaskraftwerke ausschließenden Gesetz zugestimmt würde. Er ist sich sicher, dass ein Ausschluss von Gaskraftwerken ohnehin nicht lange Bestand hätte. Diese Erwartung dürfte realistisch sein, denn eine CCS-Struktur aufzubauen und diese dauerhaft auf einige industrielle CO2-Quellen zu beschränken, würde die spezifischen Kosten auf eine Höhe treiben, die dann doch zu astronomisch wäre. Wenn die Struktur erst einmal besteht, muss sie ausgelastet werden, und das geht nur mit Einbeziehung der Energiewirtschaft. Auch in der EU wird davon ausgegangen, dass die „Dekarbonisierung“ der Industrie nur dem Einstieg und Erfahrungsgewinn dient, um dann mit Einbezug der Energiewirtschaft zu skalieren.

Wer jetzt daran denkt, einem „kleinen“ CCS-Gesetz ohne Einbezug der Gaskraftwerke zuzustimmen, muss sich also darüber im Klaren sein, dass er oder sie damit zum Türöffner für den Auf- und Ausbau der CCS-Strukturen sein wird. Und: Sie oder er untergräbt damit ernsthafte Bemühungen, auch im Bereich prozessbedingter industrieller Emissionen Entwicklungen zur Vermeidung von Emissionen voranzutreiben. „Unvermeidbare Emissionen“ gibt es in Wirklichkeit nicht. Noch gibt es aber einen mangelnden Willen, Alternativen zu entwickeln.

Die AfD leugnet den Klimawandel – oder jedenfalls, dass die Menschheit dafür verantwortlich ist und etwas dagegen tun muss und kann. Das ist Vogel-Strauß-Politik: den Kopf in den Sand stecken, um die Herausforderungen, die an uns herantreten, nicht sehen zu müssen. Angst steckt dahinter, Angst vor dem Unbekannten, dem man zwangsläufig begegnet, wenn man Neuland betritt.

Diejenigen, die CCS wollen, machen im Prinzip das Gleiche. Auch sie scheuen sich vor den tief gehenden Umstellungen, die nötig sind, um unsere Daseinsweise in eine Harmonie mit den Gegebenheiten des Planeten zu bringen. Sie wollen die Probleme „aus den Augen, aus dem Sinn“ schaffen, um wie bisher weitermachen zu können. Das ist aber keine Option.

Mögen diejenigen, die es zu entscheiden haben, dem irrigen Ausweg CCS eine klare Absage erteilen, damit den Kräften, die an der echten Lösung arbeiten wollen, die Bahn geöffnet wird!

— Der Autor Christfried Lenz, politisiert durch die 68er Studentenbewegung, Promotion in Musikwissenschaft, ehemals Organist, Rundfunkautor, Kraftfahrer und Personalratsvorsitzender am Stadtreinigungsamt Mannheim, Buchautor. Erfolgreich gegen CCS mit der BI „Kein CO2-Endlager Altmark“, nach Zielerreichung in „Saubere Umwelt & Energie Altmark“ umbenannt und für Sanierung der Erdgas-Hinterlassenschaften, gegen neue Bohrungen und für die Energiewende aktiv (https://bi-altmark.sunject.com/). Mitglied des Gründungsvorstands der BürgerEnergieAltmark eG (http://www.buerger-energie-altmark.de/). Bis September 2022 stellvertretender Sprecher des „Rates für Bürgerenergie“ und Mitglied des Aufsichtsrates im Bündnis Bürgerenergie (BBEn). Seit 2013 100-prozentige Strom-Selbstversorgung durch Photovoltaik-Inselanlage mit 3 Kilowattpeak und Kleinwindrad. —

Die Blogbeiträge und Kommentare auf www.pv-magazine.de geben nicht zwangsläufig die Meinung und Haltung der Redaktion und der pv magazine group wieder. Unsere Webseite ist eine offene Plattform für den Austausch der Industrie und Politik. Wenn Sie auch in eigenen Beiträgen Kommentare einreichen wollen, schreiben Sie bitte an redaktion@pv-magazine.com.

Dieser Inhalt ist urheberrechtlich geschützt und darf nicht kopiert werden. Wenn Sie mit uns kooperieren und Inhalte von uns teilweise nutzen wollen, nehmen Sie bitte Kontakt auf: redaktion@pv-magazine.com.

Popular content

Photovoltaik-Dachanlage, Deutschland
BSW-Solar veröffentlicht Merkblatt zum Solarspitzen-Gesetz
18 Februar 2025 Der Bundesverband Solarwirtschaft hat die wesentlichen Neuerungen, die für neue Photovoltaik-Anlagen mit dem Solarspitzen-Gesetz gelten, in einem Merk...