Der Paragraf 14a EnWG wird heißer gekocht als gegessen!

Die App auf dem Handy und die Ladestation / Gründer des Startups 'clever-PV GmbH': Hannes und Danny Klose / die App 'clever-PV' steuert die Ladestation / PV-Anlage auf dem Hausdach

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Die Historie des Paragrafen 14a EnWG ist lang und ein Paradebeispiel für die zunehmende Bürokratisierung des deutschen Energierechts. Schon vor rund zehn Jahren gab es Forderungen von Netzbetreibern, die damalige Regelung zur Steuerung von Verbrauchern in der Niederspannung sei nicht ausreichend. Bei einer Flut neuer Elektroautos und Wärmepumpen müssten die Netzbetreiber das Recht haben, alle Anlagen zu steuern, da diese sonst zu Netzengpässen führen würden. Die Vertreter der Hersteller dieser Geräte hielten dagegen: Eine direkte Steuerung durch die Netzbetreiber bringe Nachteile für die Nutzer. Es sei zielführender, mit dynamischen Netzentgelten eine Verschiebung des Stromverbrauchs anzureizen. Es ging also um nicht weniger als die Frage: Wer soll zukünftig all die neuen Geräte steuern?

Ein erster Gesetzesentwurf aus dem Bundeswirtschaftsministerium wurde vom damaligen CDU-Minister Peter Altmaier nach Gespräch mit Interessensvertretern wieder kassiert. Als Robert Habeck nun die heiße Kartoffel übernahm, gab er sie an die Bundesnetzagentur weiter, die dann vor fast einem Jahr eine neue Verordnung vorlegte. Die Behörde duckte sich dabei vor einer klaren Entscheidung und schrieb einfach beide Ansätze parallel in die Verordnung: Netzbetreiber dürfen Anlagen steuern, aber sie müssen den Kunden auch ein zeitlich variables Netzentgelt anbieten. Es drängt sich der Eindruck auf, die Regulierungsbehörde wollte es allen recht machen und möglichst wenig Angriffsfläche bieten.

Der Preis dafür ist aber enorm: Alle Marktteilnehmer haben erheblichen Aufwand bei der Implementierung der Regelungen – insbesondere die Netzbetreiber. Sie müssen Steuerungstechnik aufbauen und zeitgleich ihre Abrechnungssysteme ertüchtigen. Das kostet nicht nur. Es bindet auch Fachkräfte, die an anderer Stelle dringend benötigt werden. Die Komplexität verunsichert aber auch viele Marktteilnehmer und Endverbraucher. Diese Unsicherheit nutzen einige Anbieter aus. So wird mitunter mit einem lokalen Heim-Energiemanagementsystem (HEMS) geworben, das unbedingt erforderlich sei, um Geräte „14a konform“ anzubinden. Aber brauche ich das wirklich?

Ein Recht, das nicht genutzt wird

Ich kenne bisher keinen Netzbetreiber, der beabsichtigt, demnächst Verbrauchseinrichtungen nach dem Paragraf 14a EnWG zu steuern. Die meisten Netzbetreiber haben keinen Bedarf, viele fürchten die Konsequenzen und für fast alle lohnt sich Netzausbau deutlich mehr. Die Verordnung schafft hohe Hürden für Netzbetreiber, ihr Recht auf Steuerung zu nutzen. Denn wer Kundenanlagen steuert darf nach zwei Jahren nur noch reaktiv abregeln – also nur noch dann Steuerbefehle versenden, wenn eine Messung im betroffenen Netzelement einen Engpass feststellt. Nach meiner Einschätzung werden die meisten Verteilnetzbetreiber die technischen Voraussetzungen für diese Echtzeit-Steuerung frühestens im nächsten Jahrzehnt erfüllen. Hinzu kommt, dass die Netzbetreiber zu einer vorausschauenden Netzplanung verpflichtet sind. Sie müssen das Netz an den meisten Stellen also früher oder später ohnehin ertüchtigen. Ein Steuern der neuen Verbraucher würde den Netzausbau nur leicht aufschieben. Ob sich der Aufwand für die Implementierung da lohnt? Mit dem Ausbau der Netze haben die Verteilnetzbetreiber außerdem ohnehin mehr Erfahrung als mit der Beschaffung und dem Einsatz digitaler Steuertechnik.

Niklas Verstermann von der Bundesnetzagentur hat auf dem HEMS-Symposium der Hochschule Ansbach an der TU München Anfang September die Position der Behörde daher auch treffend zusammengefasst: Es sei das Ziel der Verordnung, dass die Steuerung durch die Netzbetreiber nie Anwendung finden muss. Für Endkunden heißt das also: Sie müssen nicht damit rechnen, dass ihre Elektroautos oder Wärmepumpen regelmäßig vom Netzbetreiber gesteuert werden. Und falls doch: maximal zwei Stunden täglich darf die Leistung je Gerät auf 4,2 Kilowatt „gedimmt“ werden. Als Endkunde muss ich mir also keine Sorge machen, dass mein Elektroauto nicht ausreichend geladen wird oder mein Haus kalt wird.

Wer clever ist, kann von den Regelungen finanziell profitieren

Angeschlossen werden müssen die Anlagen aber dennoch an die Steuertechnik der Netzbetreiber. Und das kann sich für Anlagenbetreiber finanziell lohnen: Je steuerbarem Gerät erhalten sie jährlich eine pauschale Entschädigung von rund 110 bis 190 Euro. Dafür wird kein Hardware-basiertes Energiemanagement benötigt. Zudem kann man durch eine Verschiebung des Stromverbrauchs auch von den zeitvariablen Netzentgelten profitieren, die nächstes Jahr kommen. Auch das geht über Cloud-basierte Systeme. Übrigens können auch Betreiber von Geräten, die vor dem 1. Januar 2024 installiert wurden, diese indirekte Förderung erhalten.

Anrecht auf die Entschädigung hat bereits, wer bei der Installation neuer steuerbarer Verbrauchsgeräte die Anbindung zur Steuereinrichtung des Netzbetreibers nur vorbereitet. Dafür gibt es Stand heute unterschiedliche Technologien. Weit verbreitet ist die Steuerung über Relais. Dabei wird als Signal von der Steuereinrichtung Strom an einem potenzialfreien Kontakt angelegt. Alle Wärmepumpen mit SG Ready Schnittstelle können so bereits heute gesteuert werden. Auch viele Ladesäulen verfügen über potenzialfreie Kontakte zur Steuerung.

Darüber hinaus sollen auch IP-basierte Protokolle eingesetzt werden, beispielsweise EEBus oder KNX. Die Bundesnetzagentur hat mit der Festlegung die Netzbetreiber aufgerufen, Vorschläge für eine Standardisierung der Schnittstelle zwischen den Verbrauchsgeräten und der Steuereinrichtung des Netzbetreibers vorzulegen. Ob der Prozess dazu führt, dass die Technischen Anschlussbedingungen der Netzbetreiber vereinheitlicht werden, ist aber noch offen.

Bei der Installation der neuen Wallbox oder Wärmepumpe sollte man daher darauf achten, dass das Gerät eine solche Schnittstelle zur Steuerung besitzt. Mit einer Relais-Schnittstelle geht man dabei in meinen Augen das geringste Risiko ein, da es international weit verbreitet ist und daher noch lange von deutschen Netzbetreiber akzeptiert werden sollte. Das Gerät sollte dann über eine Steuer- oder Datenleitung zum Zählerschrank für den Anschluss an die Steuereinrichtung des Netzbetreibers vorbereitet sein.

Mit diesem Set-up erfüllt der Anlagenbetreiber damit bereits die Anforderungen der Verordnung. Ein lokales Heim-Energiemanagementsystem, das Steuerbefehle des Netzbetreibers aufnimmt und an die Geräte verteilt, bietet dabei keinen Mehrwert. Denn wird der Netzbetreiber wie beschrieben nur selten oder nie steuern, entsteht dem Anlagenbetreiber dadurch kein Vorteil. Jedoch übersteigen die Kosten für das System die jährlichen Entschädigungszahlungen um ein Vielfaches.

Deutlich interessanter ist stattdessen ein Energiemanagement, das die Geräte kontinuierlich auf die variablen Netzentgelte optimiert. Dabei muss kein lokales Heim-Energiemanagementsystem zum Einsatz kommen. Auch ein Cloud-basiertes Energiemanagement wie unseres ist dafür geeignet. Man kann leicht nachprüfen, wie wenig Aufwand das ist und welch geringe Kosten für solch ein System anfallen. Das kann man zum Beispiel in dem Artikel nachlesen, der vor einem Jahr anlässlich der Auszeichnung als pv magazine highlight top business model veröffentlich wurde.

Es bleibt damit nur die Frage offen, warum die Politik beziehungsweise die Regulierungsbehörden die Entscheidung nicht einfach klar getroffen hat. Wenn der politische Wille ist, dass marktliche Anbieter mit ihren Lösungen die Geräte steuern und die Netzbetreiber mit Preisanreizen eine Verschiebung von Lasten incentivieren: Warum musste ein für alle gesichtswahrender Kompromiss gefunden werden, der vor allem unglaublich hohe Implementierungskosten verursacht und Ressourcen bindet? Kein anderes Land leistet sich einen so teuren „Hosenträger zum Gürtel“ – das sollte uns zu denken geben.

— Der Autor Willi Appler ist einer der Mitgründer von Clever-PV, einer Hersteller-unabhängigen HEMS-App. Im Laufe seiner beruflichen Laufbahn verantwortete er für drei Jahre die Geschäftsentwicklung bei GridX und war acht Jahre beim Übertragungsnetzbetreiber 50 Hertz tätig – unter anderem als Projektleiter für „Redispatch 2.0“. —

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