Erstes Agri-PV-Projekt mit Tracker in Deutschland: Sechs Lehren aus vier Jahren Betrieb

Doppelernte, Agri-Photovoltaik, Schletter

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2019 errichteten Doppelernte und Schletter im bayrischen Althegnenberg auf einem zwei Hektar großen Acker eine 750 Kilowatt Agri-Photovoltaik-Anlage mit einem Tracker. Als die Anlage im März 2020 ans Netz ging, war sie ein Pionier-Projekt: Die erste kommerzielle Agri-Photovoltaik-Anlage mit einem Nachführsystem in Deutschland. In vier Jahren Betrieb haben der Landwirt und die Eigentümer nicht nur eine Menge Strom geerntet, sondern auch viel Erfahrung gesammelt. Sechs Lehren aus einem wegweisenden Projekt.

  1. Nachführsysteme bringen deutlichen Mehrertrag an Strom
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Die Grafik zeigt die Ertragskurve an einem typischen Juni-Tag.

Quelle: Schletter

Ein Tracking-System erleichtert nicht nur die landwirtschaftliche Bewirtschaftung: Bei Aussaat, Bodenbearbeitung und Ernte werden die Tische in ihre maximale Senkrechtstellung gebracht, und ermöglichen die Durchfahrt von Landmaschinen. Dabei kann durch variabel wählbare Reihenabstände sowohl Bio- als auch konventionelle Landwirtschaft betrieben werden. Module auf einem Nachführsystem erzeugen zudem deutlich mehr Strom als jene in fest aufgeständerten Photovoltaik-Anlagen.

Insbesondere kann dadurch der Stromertrag über den Tag hinweg besser verteilt werden. So erzeugt das Nachführsystem durch seinen steilen Anstellwinkel morgens früher und abends länger Strom. Auf diese Weise entstehen bis zu 30 Prozent Mehrertrag im Vergleich zu einer klassischen Freiflächenanlage Hinzu kommt, dass sich der erzeugte Strom deutlich besser vermarkten lässt. Denn die Ertragskurve wird flacher und breiter. Dadurch speist die Anlage vor allem in den Morgen- und Abendstunden Strom ins Netz ein, also dann, wenn der Mangel an Photovoltaik-Strom am größten ist.

  1. Erhöhter Ertrag bei trockenheitsempfindlichen Feldfrüchten

Vor allem in Phasen mit wenig Niederschlag konnte bei einigen Kulturen ein erhöhter Ertrag pro Quadratmeter Anbaufläche erzielt werden. Dies betrifft vor allem trockenheitsempfindliche Feldfrüchte wie etwa Winterweizen und Hafer. Hintergrund ist, dass die Teilverschattung durch die Solarmodule zwischen den Reihen für ein Mikroklima sorgt, das feuchtigkeitsregulierend wirkt. So geht nicht nur der Wasserbedarf zurück. Auch Bodenfeuchte und Lufttemperatur, zwei entscheidende Faktoren für den Wachstumsprozess, konnten verbessert werden. Zudem trägt der Schattenwurf in der Mittagszeit, wenn die Sonnenintensität am höchsten ist, zu einer geringeren Verdunstungsrate bei.

  1. Schattentolerante Pflanzen eignen sich gut – Mais weniger

Grundsätzlich kommen alle Kulturpflanzen für den Anbau unter einer Agri-Photovoltaik-Anlage infrage. Bei der Fläche, die nach Prinzipien des ökologischen Ackerbaus bewirtschaftet wird, ist die Einhaltung bestimmter Fruchtfolgen erforderlich, damit sich der Boden möglichst natürlich wieder mit Nährstoffen anreichern und regenerieren kann. Dadurch ist die Entscheidung, welche Feldfrüchte angebaut werden, stärker eingeschränkt als in der konventionellen Landwirtschaft.

Generell hat sich gezeigt, dass schattentolerante Pflanzen, die tendenziell etwas feuchtere Bedingungen bevorzugen, besonders geeignet sind. Dazu zählen etwa Kartoffeln. Auch mit verschiedenen Getreidearten wie Dinkel und Weizen konnten quantitativ und qualitativ sehr gute Ergebnisse erzielt werden. So lag der Ertrag bisher auch in schlechten Erntejahren immer bei mehr als 70 Prozent des so genannten Referenzertragswerts, also des Drei-Jahres-Durchschnittsertrags auf derselben Fläche reinen Ackerlandes. Das EEG fordert für Agri-Photovoltaik-Anlagen einen Mindestertrag von 66 Prozent.

Mais hingegen, eine der meistangebauten Nutzpflanzen in Deutschland, erwies sich als nur bedingt geeignet. Selbst kleinere Maissorten, die nur auf eine Wuchshöhe von knapp zwei Metern kommen, sorgen im Herbst für eine Verschattung der Modul-Ränder und damit für einen Rückgang der Stromerträge. Davon abgesehen wachsen in den an die Module angrenzenden Maisreihen weniger Kolben, da die Pflanzen an diesen Stellen zu wenig Sonnenlicht abbekommen.

  1. Stromerträge sind deutlich höher als Erträge aus Ackerbau

Zwar gehen durch die Installation einer Photovoltaik-Anlage zunächst etwa zehn Prozent der Gesamtackerfläche verloren. Doch die daraus resultierenden Ernteeinbußen können durch die erwirtschafteten Stromerträge mehr als ausgeglichen werden. So lag der durchschnittliche landwirtschaftliche Jahresertrag bei circa 1000 Euro pro Hektar. Bei einer installierten Photovoltaik-Leistung von 500 Kilowattpeak pro Hektar erzeugte die Anlage je Kilowatt Leistung rund 1350 Kilowattstunden Strom im Jahr.  Auf Grundlage einer Einspeisevergütung von 8,2 Cent konnten damit rund 55.000 Euro Stromertrag pro Hektar und Jahr erzielt werden. Insgesamt überstieg der wirtschaftliche Ertrag aus der Stromvermarktung den landwirtschaftlichen Ertrag also um mehr als das 50-fache.

Hinzu kommt: Der etwa 70 bis 100 Zentimeter breite Streifen entlang der Aufständerungen ist keineswegs „verschenkter“ Platz: Er eignet sich für Biotope, Ausgleichsmaßnahmen oder für andere landwirtschaftliche Nutzungen, etwa Spalierobst.

  1. Ausgewogene Verträge und Aufgabenteilung als Erfolgsfaktor

Bei der Planung der Anlage in Althegnenberg standen von Anfang an zwei Dinge im Vordergrund: Erstens wollte der Landwirt die Anlage selbstbetreiben und von den Erträgen profitieren (und nicht, wie üblich, sein Land an einen externen Betreiber verpachten). Zweitens sollte sich bei dem Projekt jeder auf das konzentrieren, was er am besten kann: Der Landwirt auf die Landwirtschaft und ein Solarprofi um die Projektentwicklung und den Betrieb.

Die Planung und Umsetzung lag daher federführend bei Doppelernte als Projektentwickler, der sich um sämtliche technischen und administrative Themen kümmerte. Dazu zählten unter anderem die Flächenauswahl, das Einholen der notwendigen Genehmigungen, die Auswahl des Montagesystems sowie Auslegung, Installation und Wartung. Darüber hinaus übernimmt Doppelernte auch den Betrieb der Photovoltaik-Anlagen und kümmert sich um die technische Wartung sowie bürokratische Sachverhalte wie Steuernachweise und Ausgleichszahlungen.

Nur eine Konstellation, in der der Landeigentümer den Großteil der Anlage besitzt, garantiert, dass die Wertschöpfung auch bei diesem ankommt. Dies stärkt die regionale Wirtschaft und schafft eine zusätzliche Einnahmequelle, die gerade in Jahren mit schlechter Ernte dazu beiträgt, die Verluste auszugleichen. Die Landwirte profitieren davon, indem sie die Marge für sich behalten können – statt lediglich die Fläche gegen eine Pachtzahlung bereitzustellen. 

  1. Man lernt nie aus

Eine wichtige Erkenntnis aus dem Projekt ist, dass es stets Möglichkeiten gibt, eine Anlage noch effizienter zu gestalten. Besonders im Bereich der Anlagensteuerung zeigt sich dies deutlich: Aktuell arbeiten wir bei Doppelernte an einer neuen Software, die durch die Integration von Wetterdaten eine Optimierung der Modul-Ausrichtung ermöglicht. Bei anhaltendem, diffusem Tageslicht, wie es unter konstanter Wolkendecke vorkommt, richtet die Software die Module nicht nach astronomischen Gegebenheiten aus, sondern positioniert diese in einer optimalen Stellung, um den Energieertrag zu maximieren. Parallel dazu wird eine App entwickelt, die das Monitoring der Anlage erleichtert. Diese ermöglicht es den Anlagen-Besitzern wichtige Daten, wie Stromertrag und Bodenfeuchtigkeit in Echtzeit zu überwachen, was eine effizientere Bewirtschaftung und Steuerung der Anlage gewährleistet. Bei Ausfällen von Modulen, Wechselrichtern oder Kabeln, sowie bei einer Abschaltung der Anlage oder bei Unterbrechungen des Trackings, sollen die Anlagen-Besitzer umgehend eine Benachrichtigung erhalten, was eine schnelle und effektive Optimierung der Betriebsabläufe ermöglicht.

Bei der Hardware, das heißt dem verwendeten Nachführsystem von Schletter, kommt es vor allem auf Stabilität und zuverlässige Funktion an. Hier gab es in gut vier Jahren Betriebszeit keinerlei Ausfälle. Im Bereich der Feuchtigkeitsoptimierung testet DoppelErnte, wie Abtropfkanten vermieden werden können und das dadurch aufgefangene Wasser zielgerichtet eingesetzt werden kann. Eine mögliche Lösung sind Wasserspeicher, die in Dürreperioden zur Bewässerung genutzt werden können.

Eckdaten zur Agri-PV-Anlage in Althegnenberg
MontagesystemSchletter Tracking System 2V
Module3.996  Jinko 565
Wechselrichter12 Sungrow 250
Anzahl der Reihen14
Reihenlänge60 bis 220 Meter
Reihenabstand14 Meter
Durchfahrtsbreite12 Meter
Höhe der Anlage4,4 Meter

 

Über die Autoren:

 Till Skudelny, Gesellschafter der Doppelernte GmbH, ist für Marketing und Software verantwortlich. Bei der Doppelernte GmbH fördert er die Entwicklung neuer, innovativer Technologien. www.doppelernte.de

Cedrik Zapfe ist CTO der Schletter Group und in dieser Position verantwortlich für die Produktentwicklung, Softwareentwicklung und Projekt-Engineering. www.schletter-group.com

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