Energiewende: das Alte kämpft gegen das Neue

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Die „Klimakonferenz“ in Dubai war insofern wertvoll, als sie deutlicher denn je machte, von wem Schritte in Richtung Klimaschutz – und damit überhaupt in Richtung Schutz des Planeten – nicht zu erwarten sind: nicht nur nicht von der konventionellen Energiewirtschaft, sondern ebenso wenig von der großen Mehrheit der Staaten.

Die Elemente jeglicher Strukturen: Individuen

Dies veranlasst Klimaschützer, nach neuen Orientierungen zu suchen. Von der Kalkulation mit den organisierten und institutionalisierten gesellschaftlich/politischen Kräften kommen einige Akteure herunter auf die Individuen, die ja letzten Endes die Elemente jeglicher Strukturen darstellen. Hans-Josef Fell etwa spannt den Bogen weit: „Wir alle sind nicht nur Opfer, sondern auch Täter“. An „Gier, Egoismus, Gleichgültigkeit und Lügen“ haben wir somit alle unseren Anteil. Fell unterlegt es mit einem Zitat von Gus Speth: „Unsere größten Umweltprobleme liegen in der Gier und unserer Gleichgültigkeit … und um damit umzugehen brauchen wir einen spirituellen und kulturellen Wandel – und wie wir diesen Wandel anstoßen und vollziehen können, das wissen wir Wissenschaftler nicht.“

Vom naturwissenschaftlichen Denken zum „spirituellen und kulturellen Wandel“

Ja, das ist auch nicht zu erwarten. Wie Einstein feststellte, können Probleme mit der Denkweise, durch die sie verursacht wurden, nicht gelöst werden.

Die naturwissenschaftliche Denkweise hat in den letzten 250 Jahren einen Techniksprung hervorgebracht, der die Situation auf dem Planeten grundlegend veränderte. Dinge, die früher nur als Zauberei hätten erklärt werden können, wurden Normalität. Arbeiten wurden erleichtert, naturbedingte Gefahren minimiert, die Befriedigungen der materiellen Bedürfnisse der Menschen insgesamt ungemein bequem gemacht.

Doch hat die Sache bekanntlich eine Kehrseite: Während die Menschheit wächst wie nie zuvor, sterben Tier- und Pflanzenarten aus. Der Planet als Rohstoffquelle wird raubbaumäßig ausgebeutet, sein Aufnahmevermögen für vom Menschen verursachte Abfälle überschritten. Dass wir den Bogen überspannt haben, zeigt sich am drastischsten an der Klimaerhitzung, die durch Verbrennung von Kohlenstoff zwecks Deckung des gewaltigen Energiebedarfs der Bequemlichkeiten hervorgerufen wird.

Die technische Seite der Lösung, der hundertprozentige Wechsel auf die erneuerbaren Energien, steht seit Jahren zur Verfügung, die Umsetzung verläuft allerdings schleppend. Dies kann nun nicht durch technische Maßnahmen geändert werden, denn die Gründe sind gesellschaftsstruktureller und letztlich psychischer Art. Sie erfordern den oben erwähnten „spirituellen und kulturellen Wandel“.

Technik der Erneuerbaren: Manifestation einer neuen geistigen Haltung

Die erneuerbaren Energien stellen einen epochalen Fortschritt dar, doch ist dieser von einer anderen Art als technischer Fortschritt bisher. Letzterer besteht darin, den Anteil menschlicher Arbeit an einem Produktionsprozess zu minimieren: Steigerung der Anzahl der Produkte bei gleichzeitiger Reduktion der benötigten menschlichen Arbeitskräfte.

Auch bei der Herstellung etwa von Solarzellen ist eine möglichst weit automatisierte Massenproduktion selbstverständlich wünschenswert. Auch bei der Errichtung großer Solarparks handelt es sich um Massenfertigung. Bei der ureigenen, mit keinerlei Flächenverbrauch verbundenen Domäne der Photovoltaik, den Dächern, ist es aber anders. Hier muss die Installation der jeweiligen individuellen Situation angepasst werden, was einen Mehrbedarf an Arbeitskräften generiert. Damit hängt es auch zusammen, dass bei der Versorgung durch erneuerbare Energien – jedenfalls in der Aufbauphase – mehr neue Arbeitsplätze entstehen als bei der alten Energie wegfallen.

Technischer Fortschritt bedeutet Komplizierung und Diversifizierung der Technik. Bei den erneuerbaren Energien sehen wir ein Zusammenwirken modernster Hightech mit Lowtech: Hightech bei der Verwandlung von Licht in Strom, Lowtech bei der Montage der Module. Grundlage der Windkraft ist eine jahrtausendealte Technik. Durch Verbindung mit modernen Möglichkeiten wurde sie erstaunlich optimiert.

In der Eigenart der Erneuerbaren-Techniken selbst manifestiert sich eine neue geistige Haltung: Statt invasivem Durchsetzungskampf gegen die Natur werden Kräfte, die diese quasi freiwillig anbietet, aufgenommen und entsprechend menschlichen Bedürfnissen lediglich modifiziert

Emanzipation der Akteure

Bei der „freiwilligen Anbietung“ macht die Natur keine Unterschiede. „Die Sonne scheint über Gerechte und Ungerechte.“ Die erneuerbaren Energien stehen (fast) überall zur Verfügung, also dezentral. Man kann sie dort ernten, wo sie gebraucht werden.

Für das Ernten müssen die Menschen allerdings etwas tun. Sich beim Versorger beschweren, dass zu wenig Strom kommt, geht nicht. Sie sind frei von ihm, müssen allerdings auch die Verantwortungsbereitschaft mitbringen, ohne die es Freiheit nicht gibt. Mit anderen Worten: sie müssen sich auf einen emanzipatorischen Prozess einlassen.

Im Zuge dessen könnten ihnen ihre persönlichen Grenzen bewusst werden und dass andere Individuen andere Fähigkeiten haben, so dass es auf der Hand liegt, sich gegenseitig zu ergänzen. Kooperation also, statt in Konkurrenzkämpfen zu versuchen, andere Potentiale auszuschalten.

Sie könnten weiter darauf kommen, dass Ähnliches auch für Völker gilt, dass Krieg nicht nur untragbar für Umwelt und Klima, sondern heute schiere Dummheit, geistige Zurückgebliebenheit ist.

Sie würden sich vielleicht nicht mehr als Zugehörige bestimmter Nationen, sondern als Weltbürger fühlen. Damit verbunden wäre, dass die Verantwortung fürs eigene Haus, die pflegliche Behandlung des eigenen Gartens heute auf die Verantwortung für den gesamten Planeten und seine pflegliche Behandlung auszuweiten ist.

Es könnte sein, dass es nicht mehr Gesetze und Vorschriften braucht, die ein konstruktives Handeln ohnehin nur durch äußeren Druck erzwingen können, sondern dass dieses zu einem inneren Bedürfnis wird, dass Liebe nach ihm drängt. In solcher Weise könnte sich der „spirituelle und kulturelle Wandel“ konkretisieren.

Viele, die sich der letztlich doch überschaubaren Mühe unterziehen, auf erneuerbare Energien umzusteigen, mögen das in der Hauptseite aus ökonomischen Gründen tun, wollen sich den Strom billiger und sicherer beschaffen – und doch ist dies nicht ihr ausschließliches Motiv. Ein inneres Bedürfnis, etwas dazu beizutragen, dass die Ramponierung des Planeten aufhört, ist durchaus mit im Spiel, wenn auch nicht immer an der Oberfläche.

Gegenfeuer des „Ancien Régime“

Den Kampf des Alten gegen das Neue hat es schon immer gegeben. In der Vergangenheit hat er jedoch nie lang gedauert, da das Neue im Sinn des „mehr, schneller, besser“ dem Alten stets eindeutig überlegen war. Die Weber-Aufstände hatten keine Chance.

Auch die erneuerbaren Energien sind dem Alten eindeutig überlegen – aber in einer anderen Weise. Nicht als brutale Kraftentfaltung, sondern im Sinn von Lebensfreundlichkeit, Zartheit. Es ist die Überlegenheit der Blume, die den Asphalt durchdringt oder die des Wassers, das durch Nachgiebigkeit Felsen formt. Diese Formung benötigt freilich Zeit, viel Zeit.

Analog haben es die erneuerbaren Energien mit einem sehr hartnäckigen Konterpart zu tun, dem konventionellen Energiesystem, das obendrein mit dem Staatsapparat auf Innigste verquickt ist. Es mobilisiert seine Macht und seine Fähigkeiten, um die erneuerbaren Energien zurückzuhalten. Da Letzteren beim Versuch, den Planeten zu sanieren, die Schlüsselrolle zukommt, erfordert ihre Bremsung den Einsatz von Lügen.

Es fing damit an, dass Ölkonzerne Wissenschaftler dafür bezahlten, dass sie gegen besseres Wissen verbreiteten, es gebe keinen Klimawandel. Die Energiewende sei daher überflüssig – zumal die erneuerbaren Energien ohnehin niemals mehr als fünf Prozent zum Strommix beitragen könnten.

Als aufgrund immer erdrückenderer Fakten die Leugnung des Klimawandels nicht mehr aufrecht zu erhalten war und das im Jahr 2000 verabschiedete Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) einen derartigen Aufschwung erneuerbarer Energien auslöste, dass 2010 deren Anteil bereits bei 18 Prozent lag, wurde den Konzernen klar, dass ihre bisherige Lügerei der Marke Billigheimer nicht mehr ausreichte. Sie gingen es nun raffinierter an, und man muss zugeben, dass die Lügekunst, die sie nun entwickelten, beeindruckend ist. Gemeinsam mit passenden staatlichen Stellen ließen sie die Berechnungsweise der EEG-Umlage derart verändern, dass diese steil anstieg. Die Produzenten von erneuerbarem Strom hatten davon nichts, im Gegenteil: die Einspeisevergütungen wurden gesenkt. Der breiten Bevölkerung präsentierte man aber die von Jahr zu Jahr steigende EEG-Umlage als Beweis, dass die erneuerbaren Energien „Strompreistreiber“ seien. Alle relevanten Medien übernahmen dieses Narrativ. Es wurde zur herrschenden Meinung und warf jahrelang einen Schatten auf das Image der erneuerbaren Energien.

Die schwarz-gelbe Merkel-Regierung mit Rösler (FDP) als Wirtschaftsminister sekundierte eifrig: Das EEG wurde mit absurden bürokratischen Vorschriften aufgebläht, deren Zweck einzig darin bestand, Menschen vom Aufbau erneuerbarer Energien abzuschrecken.

Sigmar Gabriel (SPD), Wirtschaftsminister in der schwarz-roten Koalition führte die destruktive Politik seines Vorgängers getreulich weiter. Die erneuerbaren Energien verglich er mit Welpen, deren Schutz nun aufhören müsse, da sie zu gefährlichen Jagdhunden herangewachsen seien. Praktische Auswirkung dieser Politik: 100.000 Arbeitsplätze in der Solarbranche wurden in den Jahren nach 2010 vernichtet.

Die Aufbruchstimmung der frühen 2000er Jahre war erfolgreich vermiest worden. Bei vielen Leuten, die die Situation nicht wirklich analysieren konnten, die aber merkten, dass eine Menge schiefläuft, übertrug sich der Zorn über hinterhältige administrative Maßnahmen auf die erneuerbaren Energien selbst: Die ganze Energiewende sei ein durch und durch verlogenes Projekt. Politische Kräfte kamen hoch, die die Leugnung des Klimawandels aktualisierten und die Energiewende für dummes Zeug erklärten. Die Gründung der AfD 2013 ist kein Zufall. Man sollte sie meines Erachtens nicht unabhängig von der Zerrüttung der Energiewende sehen, die von der konventionellen Energiewirtschaft gemeinsam mit den Merkel-Regierungen ausgeklügelt betrieben wurde.

Greenwashing der fossilen Energien durch CCS

Parallel zur Strangulierung der erneuerbaren Energien überarbeitete die konventionelle Energiewirtschaft ihre Strategie zur Fortsetzung des fossilen Geschäftsmodells. Den Klimawandel und seine Verursachung leugnete sie nicht mehr, präsentierte aber einen Weg, wie die CO2-Emissionen unschädlich zu machen seien: Das CO2 könne aus den Abgasen fossiler Kraftwerke abgeschieden, durch Verpressung in ausgeförderte Öl- oder Gaslager von der Atmosphäre ferngehalten und seine Treibhauswirkung somit eliminiert werden („Carbon Capture and Storage“, CCS). An die Stelle der früheren simplen Klimawandelleugnung trat ein Konzept, das kompliziert ist und geeignet, lange, breit gefächerte Diskussionen anzustoßen und gerade auch solche Kräfte zu binden und zu verunsichern, die in Aktivitäten der Energiewende involviert sind. Zusätzlich enthält die CCS-Idee den bemerkenswerten Vorteil, dass eine neue Industriebranche entsteht mit neuen Profitquellen für die Konzerne.

Das Kalkül der Konzerne ist im Großen und Ganzen aufgegangen. Wesentlich finanziert von dem weltweit agierenden „Atlasnetzwerk“ haben mehr als 500 Institute in mehr als 100 Ländern dafür gesorgt, dass eine Szene von Wissenschaftlern entstand, die versuchen, die CCS-Idee mit einer wissenschaftlichen Rechtfertigung auszustatten und dies öffentlich zu machen. Allenthalben kommt es zu Für-Wider-Diskussionen mit Titeln wie etwa „CCS: Chance oder Risiko?“. Auch wenn der Titel eine kritische Haltung vermuten lässt, wie „CCS: Brückentechnologie oder Krückentechnologie?“ wird eine gründliche Beschäftigung mit den Details der Thematik für angebracht gehalten – und damit genau das getan, was die fossile Wirtschaft erreichen will. Denn solange Menschen sich die Köpfe darüber heiß reden, wieviel Prozent des CO2 wie lange im sogenannten „geologischen Speicher“ verbleiben, gerät die Absicht der ganzen Übung aus dem Blick, die in der Fortsetzung der Kohlenstoffverbrennung besteht, und nicht etwa im Klimaschutz

„Brückentechnologie Erdgas“

Anscheinend nach dem Motto „doppelt genäht hält besser“ hat die fossile Energiewirtschaft eine weitere „Brückentechnologie“ zwecks Zurückdrängung der erneuerbaren Energien ins Spiel gebracht: Erdgas. Es sei klimafreundlicher als Kohle und müsse als Übergangstechnik zwischen Kohle und die Erneuerbaren geschaltet werden – aber warum in Dreiteufelsnamen? Warum kann die Kohle nicht direkt von den Erneuerbaren abgelöst werden?

Eine Beantwortung dieser Frage wird übergangen, statt dessen durch Vermischung von Wahrheit und Lüge die Öffentlichkeit in eine weitere Diskussion verwickelt: Zutreffend ist, dass die Gasflamme weniger CO2 emittiert als die Kohleverbrennung. Verschwiegen wird, dass in der Vorkette der Gasproduktion Methan (in den ersten 10 Jahren hundertfache Klimawirkung des CO2) in derartiger Größenordnung freigesetzt wird, dass Erdgas unter dem Strich mindestens so klimaschädlich ist wie Kohle. Wenn es durch Fracking gewonnen wurde, ist es eindeutig klimaschädlicher als Kohle – und wenn dann noch ein Drittel der in ihm enthaltenen Energie für Verflüssigung zu LNG und Transport eingesetzt wird, entsteht der mit Abstand klimaschädlichste Brennstoff überhaupt. Mit Klimaschutz hat diese „Brücke“ also rein gar nichts zu tun. Ihr Zweck besteht ausschließlich darin, den Umstieg auf 100 Prozent Erneuerbare für weitere Jahrzehnte zu blockieren.

Bollwerk aus konventioneller Energiewirtschaft und Staatsapparat ist farbunabhängig

Gabriel trat in die Fußstapfen seines Vorgängers Rösler, der derzeitige Wirtschaftsminister Habeck mit grünem Parteibuch macht das Entsprechende in Bezug auf seinen CDU-Vorgänger Altmaier. Dieser wollte anstelle der Erneuerbaren das Gas als „saubere Energie“ im großen Stil einführen. Er initiierte den „Dialogprozess Gas 2030“ und verkündete 2019: „Als erste Bilanz des Dialogs ist festzuhalten, dass gasförmigen Energieträgern in der Energieversorgung der Zukunft weiterhin eine zentrale Rolle zukommen wird.“

Altmaier kam über Vorstellungen und Vorhaben nicht hinaus. Sein Nachfolger macht nun aber Nägel mit Köpfen. Um seine grüne Klientel nicht zu krass vor den Kopf zu stoßen, bekommen die Erneuerbaren gelegentlich ein Bonbon zugeworfen. Im Zentrum seiner Energiepolitik und seines Geldeinsatzes steht aber der Aufbau einer LNG-Infrastruktur – schmackhaft gemacht mit der Behauptung, diese in Zukunft mit grünem Wasserstoff zu betreiben.

Aus der ganzen Geschichte wird Eines deutlich: Das Bollwerk aus konventionellen Energiekonzernen und Staatsapparat arbeitet – weitgehend unabhängig von der gerade vorherrschenden politischen Farbe – für den Erhalt der fossilen Energiewirtschaft und gegen den vollständigen Wechsel auf erneuerbare Energien

Die Erneuerbaren Energien brauchen neue Menschen und neue Strukturen

Dem Wechsel hilfreich sind ausschließlich Kräfte aus der Gesellschaft: Mittelständische Unternehmen haben unverdrossen die Erneuerbaren weiterentwickelt und installiert, Firmen anderer Branchen, Bürger-Energiegesellschaften und Pionierpersönlichkeiten sind ihre Kunden. Dass die Erneuerbaren es trotz vielgestaltigem Störfeuer geschafft haben, im Jahr 2023 fast 60 Prozent zum Strommix beizutragen, ist erstaunlich und zeigt, was für ein Potential in ihnen steckt.

Entscheidend für die weitere Entwicklung wird sein, ob es erneut gelingt, CCS abzuwehren. Leicht ist die hierfür nötige Aufklärung nicht. Es liegt nicht nur an der Verwirrung, die von Politik und entsprechenden Medien gezielt gestiftet wird (Beispiel: Habecks Aussage, dass verpresstes CO2 sich im Untergrund in Kohle verwandeln würde), es liegt auch daran, dass uns allen eine Tendenz innewohnt, uns mit dem Bestehenden zufrieden zu geben, auch wenn bekannt ist, dass es zu einem schlimmen Ende führt. Es mangelt eben noch am Bewusstseinssprung von der Ausrichtung an der unmittelbaren momentanen Umgebung zu einer übergreifenden Sichtweise. Bei seiner Feststellung „Wir alle sind nicht nur Opfer, sondern auch Täter“ hat Fell dies wohl im Sinn.

Wenn wir Täter sind, bedeutet dies aber auch, dass wir es in der Hand haben, wofür wir unsere Tatkraft einsetzen: zur Zementierung des Bestehenden oder für den Gang ins Neuland. Wenn wir uns für Letzteres entscheiden, eröffnen sich erhebliche Möglichkeiten. Denn ganz unabhängig von ihrer aktuellen Stärke oder Schwäche sind diejenigen Faktoren, die auf Bewegung und Veränderung drängen, zwangsläufig führend. Beharrungskräfte können niemals führend sein, denn sie lehnen Veränderung ja ab.

Als aufgrund des Ukraine-Kriegs das russische Gas wegfiel, war dies eine Steilvorlage, um nun endlich zu 100 Prozent auf die erneuerbaren Energien zuzugreifen. Die Regierung vermied das aber und bevorzugte, bei fragwürdigen Staaten um LNG bittstellen zu gehen.

Anders die Bevölkerung! Sie hatte zwischenzeitlich gemerkt, dass Photovoltaikanlagen keine Preistreiber sind, sondern dafür sorgen, dass Strompreiserhöhungen endgültig der Vergangenheit angehören. Steckermodule gingen weg wie warme Semmeln, Installationsfirmen waren überlastet und benötigten Lieferfristen bis zu einem Jahr.

Dass normale Bürger eine intelligentere Entscheidung getroffen haben als der Staat, ist ein Zeichen der Hoffnung. Es macht zuversichtlich, dass die autonome Nutzung der erneuerbaren Energien um sich greifen wird. Einzelne Menschen, Genossenschaften, Dorfgemeinschaften, regionale Zusammenschlüsse werden Energieinseln schaffen, die sich ausdehnen und schließlich zu Kontinenten zusammenwachsen.

Ob die Menschheit den Sprung in eine zukunftsfähige Daseinsweise schafft oder nicht, ist unentschieden. Doch egal, wie es ausgeht – für das Individuum ist wichtig, sich sagen zu können: „Das mir Mögliche trage ich bei.“ Im „selber tun“, auch wenn es klein und schwach erscheint, steckt eine unwahrscheinliche Power.

— Der Autor Christfried Lenz, politisiert durch die 68er Studentenbewegung, Promotion in Musikwissenschaft, ehemals Organist, Rundfunkautor, Kraftfahrer und Personalratsvorsitzender am Stadtreinigungsamt Mannheim, Buchautor. Erfolgreich gegen CCS mit der BI „Kein CO2-Endlager Altmark“, nach Zielerreichung in „Saubere Umwelt & Energie Altmark“ umbenannt und für Sanierung der Erdgas-Hinterlassenschaften, gegen neue Bohrungen und für die Energiewende aktiv (https://bi-altmark.sunject.com/). Mitglied des Gründungsvorstands der BürgerEnergieAltmark eG (http://www.buerger-energie-altmark.de/). Bis September 2022 stellvertretender Sprecher des „Rates für Bürgerenergie“ und Mitglied des Aufsichtsrates im Bündnis Bürgerenergie (BBEn). Seit 2013 100-prozentige Strom-Selbstversorgung durch Photovoltaik-Inselanlage mit 3 Kilowattpeak und Kleinwindrad. —

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