Habeck will CCS einführen – was das BMWK verschweigt

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In seiner Pressemitteilung „Habeck will den Einsatz von CCS ermöglichen“ rückt das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) die umstrittene CCS-Technik in ein ausschließlich positives Licht. Zahlreiche Fakten müssen hierfür allerdings ausgeblendet werden. Im Folgenden werde ich anhand einiger Zitate aus der Mitteilung auf solche Auslassungen aufmerksam machen.

Darin heißt es: „Die Eckpunkte und der Gesetzentwurf sind eine Richtungsentscheidung. Ihr waren intensive Vorarbeiten vorangegangen, unter anderem ein eingehender Dialogprozess mit Umweltverbänden, der Wirtschaft und der Wissenschaft im vergangenen Jahr zur Meinungsbildung.“

Welche Meinung zu bilden war, wurde nicht dem Dialogprozess überlassen, sondern diesem regierungsseitig vorgegeben: Nämlich dass CCS eingesetzt werden muss. Dass Umweltverbände als Beteiligte des Dialogprozesses an erster Stelle genannt werden, erweckt den Eindruck, dass auch sie CCS befürworten. Dass dem nicht so ist, haben sie in einer Presseerklärung „Umweltverbände: Einigung zur Kraftwerksstrategie öffnet Büchse der Pandora durch CCS an Gaskraftwerken“ zum Ausdruck gebracht. Ehrlich wäre gewesen, wenn das Bundeswirtschaftsministerium dies mitgeteilt hätte.

Das Ministerium schreibt weiter: „Im Zentrum unserer Anstrengungen steht immer, Emissionen erst gar nicht entstehen zu lassen. Deshalb forcieren wir mit enormer Kraft und Erfolg den Ausbau der Erneuerbaren Energien.“

Das ist leider nur eine fromm klingende Beteuerung. Die Tatsachen sehen anders aus: die frühere Positionierung, dass CCS nur für industrielle Emissionen in Frage komme, nicht aber für die Energiewirtschaft, da für diese der Umstieg auf die erneuerbaren Energien das angebrachte Dekarbonisierungsmittel sei, wurde mit der de Mitteilung des Ministeriums “Einigung zur Kraftwerksstrategie“ fallen gelassen. Dort heißt es: „Die CO₂-Abscheidung und -speicherung für Verstromungsanlagen mit gasförmigen Energieträgern wird im Rahmen der Carbon-Management-Strategie aufgegriffen.“ (siehe den Artikel „Die Katze ist aus dem Sack: CCS auch für Kraftwerke“)

„Und es gibt Emissionen in der Industrie, die nur sehr schwer oder gar nicht vermeidbar sind. Das gilt vor allem bei der Herstellung von Zement und Kalk und der thermischen Abfallbehandlung. Hier müssen wir verbleibendes CO₂ abscheiden und speichern.“

Hierzu schreibt Hans-Josef Fell: „Für die Zementherstellung selbst gilt das Gleiche wie für die Stahlherstellung. Ein großes Einsparpotential liegt brach. Holzbauten brauchen außer für Fundamente gar keinen Zement, und Textilbeton kommt mit bis zu zwei Dritteln weniger Zement aus als Stahlbeton.

Zudem gibt es innovative Zementherstellungsverfahren, die den CO2-Ausstoß um zwei Drittel reduzieren können, wenn zum Beispiel ein bisher ungenutzter Abraum aus dem Bauxitabbau als Rohstoff genutzt wird. Diese Alternative erweist sich als genauso stabil wie der herkömmliche Portlandzement: https://phys.org/news/2021-08-alternative-cement-carbon-footprint.html

Bezüglich CCS bei der Müllverbrennung („thermische Abfallbehandlung“) beachte man die Untersuchung von „BiofuelWatch“ zur Problematik akzeptabler Abscheideraten.

„Wir blicken mittlerweile auf viele Jahre der Erforschung, Erprobung und Anwendung der CCS-Technologie zurück. Mit diesem Erfahrungsschatz können wir heute sagen: Diese Technologie ist sicher. Risiken sind – wie die im Bergbau oder in der Chemieindustrie – managebar.“

Diese Sätze sind ein Bilderbuchbeispiel für das System von Behauptungen, welches durchweg die Substanz des CCS ausmacht! In ihrem „Evaluierungsbericht“ räumt die Bundesregierung selbst ein, dass 70 Prozent der weltweit unter „CCS“ laufenden Projekte gar nicht der CO2-Speicherung dienen, sondern der Effektivierung der Gas- und Ölförderung (Enhanced Gas Recovery EGR, beziehungsweise Oil Recovery, EOR), mithin der Vermehrung von CO2-Emissionen.

Zum Thema „Sicherheit“: Warum wird die Studie von Grant Hauber „Norway’s Sleipner and Snøhvit CCS: Industry models or cautionary tales?“ (Norwegens Sleipner und Snøhvit CCS: Industriemodelle oder abschreckende Beispiele?) von allen CCS-Befürwortern gezielt totgeschwiegen? Weil sie ausgerechnet an den Speichern, die bisher als Vorzeigebeispiele galten, die hochgradige Unsicherheit der CO2-Endlagerung aufzeigt.

Und wenn man zu lesen bekommt, dass die Risiken „managebar“ seien, fragt man sich doch, warum der Blowout östlich von Schottland, wo seit 1990 pro Sekunde geschätzte 1000 Liter Methan austreten, nicht längst geschlossen wurde und warum im CCS-Gesetz die sofortige Beseitigung von „Leckagen und erheblichen Unregelmäßigkeiten“ vorgeschrieben wird, ohne auch nur mit einer einzigen Silbe anzudeuten, wie das technisch geschehen soll.

„Auch dafür brauchen wir eine CCS-Infrastruktur. Mein Haus arbeitet deshalb ebenfalls mit Hochdruck an einer Strategie für Negativemissionen. Sie wird eine Art Schwesterstrategie zur Carbon Management-Strategie.“

Und wohin mit dem vielen CO2? Laut Geoforschungszentrum Potsdam (GFZ) würden die auf deutschem Boden vorhandenen Lagermöglichkeiten die deutschen Emissionen von 13 Jahren – theoretisch – aufnehmen können (in der Praxis weniger). Wo sollten weitere Milliarden Tonnen von rückgeholtem CO2 untergebracht werden?

„Die Speicherung Onshore wird weiterhin nicht ermöglicht.“

Bereits Anfang 2023 hatte ich geschrieben: „Will Habeck CCS auf dem norddeutschen Festland wirklich? Wenn CO2 in den Nordseeboden gepresst wird, verbleibt es dort nicht sicherer als in einer Formation an Land, aber einige Probleme, wie insbesondere die Kontaminierung des Trinkwassers, fallen dort weg. Außerdem bleibt der Öffentlichkeit verborgen, wo und wieviel CO2 entweicht, und Bürgerinitiativen haben praktisch keine Aktionsmöglichkeiten.“ Das war also eine korrekte Einschätzung.

Die Endlager können durch das Ausweichen aufs Meer einer öffentlichen Kontrolle entzogen werden. Die Pipelines, die es zum Transport dorthin braucht, aber nicht. Die Menschen in den betroffenen Gebieten sollten sich damit frühzeitig beschäftigen, denn auch die Pipelines sind „nicht ohne“, und 19.000 Kilometer davon sollen in Europa entstehen. Als Einstieg in diese Thematik sei der Artikel von Michael Barnard „Proposed European Carbon Dioxide Pipelines & Terminals Would Endanger Tens Of Millions“ (Vorgeschlagene europäische Kohlendioxid-Pipelines und -terminals würden zig Millionen gefährden) empfohlen.

— Der Autor Christfried Lenz, politisiert durch die 68er Studentenbewegung, Promotion in Musikwissenschaft, ehemals Organist, Rundfunkautor, Kraftfahrer und Personalratsvorsitzender am Stadtreinigungsamt Mannheim, Buchautor. Erfolgreich gegen CCS mit der BI „Kein CO2-Endlager Altmark“, nach Zielerreichung in „Saubere Umwelt & Energie Altmark“ umbenannt und für Sanierung der Erdgas-Hinterlassenschaften, gegen neue Bohrungen und für die Energiewende aktiv (https://bi-altmark.sunject.com/). Mitglied des Gründungsvorstands der BürgerEnergieAltmark eG (http://www.buerger-energie-altmark.de/). Bis September 2022 stellvertretender Sprecher des „Rates für Bürgerenergie“ und Mitglied des Aufsichtsrates im Bündnis Bürgerenergie (BBEn). Seit 2013 100-prozentige Strom-Selbstversorgung durch Photovoltaik-Inselanlage mit 3 Kilowattpeak und Kleinwindrad. —

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