Schweizer Photovoltaik-Fassaden im Aufwind

Solarfassade, Schweiz, Swissolar

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Für Freiflächenanlagen fehlte es bisher in der Schweiz an Platz und Akzeptanz. Deshalb fokussierte sich der Photovoltaik-Ausbau schon früh auf die Gebäude. Mit Erfolg: Die Schweiz ist das erste Land mit einem Jahreszubau von über einem Gigawatt, der fast ausschließlich auf Gebäuden und Infrastrukturen stattfindet. Hohe Ansprüche an die Baukultur und an den Erhalt des baulichen Erbes fördern zusätzlich den Einsatz ästhetisch überzeugender Solarlösungen – wozu natürlich auch die hohe Kaufkraft beiträgt. Das alles bot optimale Bedingungen für die Weiterentwicklung der gebäudeintegrierten Photovoltaik (BIPV), mit mehreren darauf spezialisierten Modulherstellern hierzulande.

Diese Produkte kommen mittlerweile nicht nur auf Dächern, sondern vermehrt auch an Fassaden zum Einsatz. Auf den geeigneten Schweizer Fassadenflächen könnten gemäss der Regierungs-Website www.sonnenfassade.ch jährlich rund 17 Terawattstunden Solarstrom produziert werden – 28 Prozent des heutigen landesweiten Stromverbrauchs. Und dies zu rund 45 Prozent im Winterhalbjahr, ein wichtiges Argument in einem Land, in dem die Windenergie nur eine marginale Rolle spielt.

Auch die Politik hat das Potenzial und die Notwendigkeit des Ausbaus erkannt. Seit zwei Jahren gibt es einen Förderbonus für Anlagen mit einem Neigungswinkel von mindestens 75 Grad (250 Schweizer Franken pro Kilowatt für integrierte Anlagen, 100 Schweizer Franken pro Kilowatt für angebaute oder freistehende Anlagen). 2023 beanspruchten über 600 Projekte diese Förderung – Tendenz rasch steigend. Einzelne Kantone haben zudem bereits ein vereinfachtes Meldeverfahren anstelle der aufwändigen Baubewilligung für Fassadenanlagen eingeführt, ab 2025 soll das im ganzen Land der Fall sein. Immer mehr Architektinnen und Architekten entdecken die vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten mit Solarmodulen, und sie können den Bauherrschaften erklären, dass sich die Mehrkosten einer solchen Fassade dank der Energieproduktion oft schon nach wenigen Jahren auszahlt.

Doch mit der raschen Zunahme der Solarfassaden wurden die Gebäudeversicherungen auf den Plan gerufen. In 19 von 26 Kantonen sind diese staatlich organisiert, und die größte unter ihnen – jene von Zürich – änderte im Frühling 2023 aufgrund des neu vereinfachten Meldeverfahrens ihre Bewilligungspraxis für Photovoltaik-Anlagen an Fassaden. Dies führte dazu, dass für Gebäude mittlerer Höhe und Hochhäuser ein Brandversuch benötigt wird, was faktisch einen vorübergehenden Baustopp für Solarfassaden ab einer Höhe von elf Metern auslöste, obwohl in der Schweiz bisher keine Brände von Photovoltaik-Fassadenanlagen bekannt sind.

Einzelne Bauherrschaften machten in der Folge Brandversuche mit hohen Kostenfolgen, andere legten ihre Photovoltaik-Projekte auf Eis. Im Gespräch zwischen Solarbranche und Gebäudeversicherungen zeigte sich jedoch rasch der gemeinsame Wille, praktikable Lösungen zu finden. Innerhalb von wenigen Monaten wurde unter unserer Leitung eine Übergangslösung erarbeitet. Das Dokument «Planung und Brandschutznachweis von hinterlüfteten PV-Fassaden» ist Stand heute von sämtlichen kantonalen Gebäudeversicherungen akzeptiert. Es macht eine Systemkategorisierung, die zeigt, unter welchen Voraussetzungen ein Nachweisverfahren für Gebäude ab elf Metern Höhe mit einem argumentativen Nachweis, also ohne objektspezifischen Brandversuch, möglich ist. Dabei werden Vorgaben zu Photovoltaik-Modulen, Leitungsführung, Brandschutzmassnahmen und vielem mehr gemacht, die anhand bisheriger Brandversuche und Erfahrungswerte abgeleitet wurden.

Weiter wird bis Ende 2024 – wieder unter unserer Leitung und in Zusammenarbeit mit Photovoltaik- und Brandschutz-Experten sowie mit Vertretern der Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen (VKF) – ein »Stand-der-Technik-Papier« für den Brandschutz an Solarfassaden erarbeitet. Dieses wird das erwähnte Übergangsdokument ersetzen und den Bau solcher Anlagen nochmals erleichtern. Zu diesem Zweck werden in den nächsten Monaten standardisierte Brandversuche durchgeführt.

Mit diesem schweizweit abgestimmten Vorgehen wird für betroffene Planer und Bauherren Planungssicherheit gewährleistet und gleichzeitig die Sicherheit in Gebäuden und der Personenschutz sichergestellt. Die Schweiz als Vorreiterin der gebäudeintegrierten Photovoltaik leistet hier Pionierarbeit, die hoffentlich dazu beitragen wird, dass sich diese sinnvolle Form der Energiegewinnung auch in anderen Ländern vermehrt durchsetzt.

— Der Autor David Stickelberger ist seit Mai 2023 Leiter Markt und Politik beim Schweizer Solar-Branchenverband Swissolar. Zuvor führte er den Verband während 25 Jahren und hat dabei den zähen Aufstieg der Solarenergie in der Schweiz hautnah miterlebt, begleitet und mitgeformt. https://www.swissolar.ch/de

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