EU-Dokument geleakt: Photovoltaik außerhalb von Merit-Order vergüten

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Die Europäische Kommission strebt eine Strommarktreform an und erwägt als mögliche Lösung eine permanente Erlösobergrenze für erneuerbare Energien. Das geht aus einem inoffiziellen Arbeitspapier der Kommission hervor, das pv magazine vorliegt.

Anlass für das Dokument ist die Arbeit zu einem neuen europäischen Strommarktdesign. Der Europäische Rat hat die Kommission damit beauftragt, strukturelle Reformen des Markdesigns anzustoßen. So soll in Zukunft ein stabiler, emissionsfreier und vollständig europäisch integrierter Strommarkt entstehen. Oberster Ziele der Reform, wie es im Papier steht, sind Energieunabhängigkeit und Klimaneutralität bei stabilen Preisen für Verbraucher, Industrie und Investoren, die ihr Geld in erneuerbare Energien stecken wollen.

Anfang 2023 soll ein erster Gesetzvorschlag vorgelegt werden. Ein öffentlicher Konsultationsprozess ist derzeit im Gang. Aus dem inoffiziellen Arbeitspapier gehen vier Eckpunkte heraus, die die Kommission mit besonderem Interesse betrachtet.

Erlösobergrenze keine Ausnahme mehr

Die Kommission liebäugelt mit der Erlösobergrenze aus dem EU-Ratsbeschluss, der Anfang Oktober verabschiedet wurde. Darin wurde die Möglichkeit einer Erlösobergrenze für inframarginale Technologien geschaffen. Als inframarginal bezeichnet man Technologien, bei denen die Gestehungskosten verlässlich deutlich unter dem Markräumungspreis liegen. Die EU-Kommissionen nennt an dieser Stelle erneuerbare Energien und Atomstrom als Beispiele.

Der Ratsbeschluss erlaubt die Erlösobergrenze als Übergangslösung, um im Notfall gegen zu hohe Energiepreise vorzugehen. Die Kommission will nun prüfen, ob eine Erlösobergrenze als ständig verfügbares oder permanent implementiertes Instrument eingeführt werden könnte.

Photovoltaik ohne Merit-Order

Des Weiteren schlägt die Kommission vor, inframarginalen Energietechnologien entsprechend ihrer tatsächlichen Gestehungskosten zu vergüten. Verbraucher sollen sich auf stabile Preise und Investoren auf stabile Renditen einrichten können. Bisher setzt das teuerste Kraftwerk, was noch zur Deckung des Bedarfs benötigt wird, den Preis für alle Kraftwerke – die Merit-Order-Kurve. Aktuell sorgt dieser Effekt dafür, dass Gaskraftwerke hohe Börsenstrompreise auch für Wind und Photovoltaik setzen. Letztere erfreuen sich aktuell an hohen Margen. Das ist nicht nur schlecht für Verbraucher, die gerne weniger für ihren Strom zahlen wollen, sondern Investoren lassen sich auch nicht beirren. Die hohen Margen ergeben sich nur, wenn Gaskraftwerke noch ans Netz gehen müssen. Wenn mehr in erneuerbare Energien investiert wird, wird das immer weniger der Fall sein und das Interesse der Investoren an Erneuerbaren fällt wieder.

Eine Möglichkeit, diese Technologien stabiler zu bepreisen, liegt in PPAs mit langen Laufzeiten. So wären die Erlöse für den Projektierer unabhängig von den Preisen an den Terminmärkten. Das dürfte auch die Investoren in Sicherheit wägen, so die Kommission. Daher wird man überlegen in Zukunft Erneuerbare verstärkt nur über Langzeit-PPAs an den Markt gehen zu lassen.

Einspeisevergütung nur noch als Preisband

Wer mit einer Photovoltaik-Anlage eine Einspeisevergütung erhält, ist durch die öffentliche Hand vor zu niedrigen Preisen an der Börse abgesichert, kann aber dennoch hohe Gewinne einfahren, wenn der Marktsituation das hergibt. Eine unglückliche Situation, wie die EU-Kommission findet. Für eine Strommarktreform zieht die Kommission in Erwägung, dass Energieprojekte, die durch öffentliche Gelder abgesichert werden, nur noch mit einem „Zwei-Wege Contract-for-Difference“ vergütet werden. In dieser Spielart von CfD gibt es einen Höchst- und Mindestpreis. Wie hoch oder niedrig diese Preise liegen, soll durch Ausschreibungen ermittelt werden. Es soll auch die Möglichkeit geschaffen werden, CfDs mit Langzeiot-PPAs zu kombinieren.

Gas soll kleinere Rolle spielen

Damit der Gaspreis in Zukunft weniger ausgeprägt den Strompreis bestimmt, sollten erneuerbare Energien in einem separaten Markt mit neuen Erlösstrukturen ihre Energie anbieten. Auf diese Weise würde die Merit-Order Kurve nicht weiterhin für exzessive Gewinne bei inframarginalen Technologien sorgen, während die wichtigen Aufgaben der flexiblen Gaskraftwerke erhalten bleiben können. Zusätzlich will die Kommission die Möglichkeit ausloten, Demand-Response und Batteriespeicher an den Terminmärkten teilnehmen zu lassen. Die könnten so schrittweise Gaskraftwerke aus dem Markt drängen.

Mehr Verbraucherschutz 

Die gestiegenen Stromkosten in diesem Jahr sorgten bei einigen Schlüsselindustrien für große Sorgen. Geringere Produktion, verkürzte Arbeitszeiten bis hin zu Entlassungen waren die Folge. Volkswirtschaftlich gilt es solchen Schaden zukünftig besser abwenden zu können. Mittels eines „two-tiers“-Modells sollen besonders wichtige Verbraucher ermittelt werden, die im Notfall eine bestimmte geringe Strommenge zu stabilen günstigen Preisen erhalten.

Transparenz, Integrität und Überwachung des Marktes

Ein Teil der enormen volkswirtschaftlichen Kosten der diesjährigen Energiekrise sind entstanden, weil einige Unternehmen, die fossile Brennstoffe sowohl fördern, damit handeln und sie verstromen, besonders hohe Gewinnmargen erzielen konnten. Die Kommission will verhindern, dass solche Unternehmen in Zukunft ihre günstige Position am Markt problemlos ausnutzen können. Die europäische Agentur der Energiemarktregulatoren (ACER) soll zukünftig in enger Abstimmung mit dem Regulierer für Energiemarktintegrität und Transparenz (REMIT) zusammenarbeiten. Die Kommission erkennt an, dass REMIT ein Update braucht, um in der neuen Marktsituation auch weiterhin effektiv sein zu können. Zudem sollen auch die Strafzahlungen die REMIT verhängen kann, zwischen den Mitgliedstaaten harmonisiert werden. Auch der grenzüberschreitende Handel mit Strom könnte laut Kommissions-Arbeitspapier unter besondere Beobachtung gestellt werden.

Noch sind die Punkte lediglich Vorschläge in einem inoffiziellen Arbeitspapier. Bis im Frühjahr ein erster Reformvorschlag auf den Tisch gelegt wird, können noch viele weitere Lösungsansätze für strukturelle Veränderungen im Strommarkt eingereicht werden.

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