Gutachten: Geplante Abschöpfung der Mehrerlöse bei Photovoltaik-Anlagen unverhältnismäßig und verfassungswidrig

EU-Flagge, Gerechtigkeit

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Viele Investoren rieben sich vergangene Woche verwundert die Augen, als Pläne des Bundeswirtschaftsministeriums bekannt wurden, wie die Zufallsgewinne am Strommarkt abgeschöpft werden sollen. Das erste Konzept zur Umsetzung der Strompreisbremse sieht technologiespezifische Obergrenzen vor, auf deren Basis die Mehrerlöse ermittelt und abgeschöpft werden sollen. Teilweise sogar rückwirkend bis zum 1. März 2022.

Der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar) hat dazu nun bei der Wirtschaftskanzlei RAUE ein Gutachten beauftragt. Es kommt zu dem Ergebnis, eine rückwirkend und unverhältnismäßig hohe Abschöpfung der Erlöse der Photovoltaik-Betreiber würde zu einem Markteinbruch führen. Die Vorschläge aus dem Ministerium bewegten sich weder in den Vorgaben der EU-Verordnung noch in den Grenzen des Verfassungsrechts. Die Abschöpfung von Erlösen sei bislang nur als Sanktionsmaßnahme im deutschen Recht vorgesehen, heißt es im Gutachten der Kanzlei. Da tatsächlich erwirtschaftete Gewinne nach den bisher bekannten Plänen aus dem Wirtschaftsministerium jedoch überhaupt nicht in die Berechnung einfließen, liege sogar ein ungerechtfertigter Eingriff in das Eigentumsrecht nahe.

Das Kurzgutachten der Kanzlei sieht auch einen Verstoß gegen die am 6. Oktober 2022 verabschiedete EU-Verordnung. „Die verfassungsrechtlichen Vorgaben für eine Rückwirkung zum 1. März 2022 liegen offensichtlich nicht vor. Eine solche ‚echte‘ Rückwirkung ist nur in Ausnahmefällen zulässig“, sagte Rechtsanwältin Anna von Bremen. „Die Fallgruppen liegen hier nicht vor.“ Die Anwältin stuft auch die technologiespezifischen Obergrenzen als rechtswidrig ein. „Die EU-Verordnung lässt solche technologiespezifischen Caps nur unter sehr strengen Voraussetzungen zu. Eingriffe müssen verhältnismäßig und diskriminierungsfrei sein und dürfen Investitionssignale nicht gefährden.“

Der BSW-Solar warnte die Bundesregierung eindringlich vor dem „Tabubruch“ eines rückwirkenden Markteingriffs. Auch sollten die Photovoltaik-Erlöse nicht beschnitten werden. „Derartige Eingriffe würden das Investitionsklima für marktgetriebene Solarkraftwerke nachhaltig vergiften“, erklärte BSW-Solar-Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig. „Sie drohen die Markteinführung der Photovoltaik um viele Jahre zurückzuwerfen.“ Dabei soll nach dem Willen der Bundesregierung und mit Blick auf die Klimaziele der Photovoltaik-Zubau in Deutschland bis 2030 auf 215 Gigawatt fest vervierfacht werden.

Körnig verwies auch auf das geänderte Marktumfeld in den vergangenen Monaten. Aufgrund stark gestiegener Kapital-, Pacht- und Komponentenkosten benötige die Solarbranche derzeit deutlich mehr Kapital. „Wer vor diesem Hintergrund ihre Erlöse beschneidet, raubt den zumeist mittelständischen Unternehmen den nötigen finanziellen Spielraum für die dringend notwendigen Investition in neue Solarprojekte“, so Körnig weiter. Er kritisierte auch, dass das Konzept des Bundeswirtschaftsministers eine Schlechterstellung der Photovoltaik gegenüber fossilen Kraftwerken bedeute, da diese ihren Strom hauptsächlich am Terminmarkt verkaufen, wo Übergewinne nicht rückwirkend abgeschöpft werden soll. Dies betreffe nach aktuellen Plänen nur den Spotmarkt.

Der BSW-Solar forderte die Bundesregierung auf, die Spielräume der EU-Verordnung im Sinne des Vertrauensschutzes und der Investitionssicherheit für die Solarbranche vollumfänglich zu nutzen. Dies umfasst auch das Ausschöpfen der EU-rechtlich vorgesehenen Erlösobergrenze von 180 Euro je Megawattstunde für Photovoltaik-Anlagen, die klare Begrenzung des Instruments auf die von der EU-Verordnung vorgesehene Befristung (1.12.2022 bis 31.05.2023) sowie die vollständige Nutzung der Bagatellgrenzen für kleine Anlagen bis ein Megawatt Leistung.

Entwarnung gab der Verband für Betreiber von privaten Photovoltaik-Dachanlagen. Diese sollen nach bisherigen Erkenntnissen nicht von einer möglichen Abschöpfung der Erlöse betroffen sein. Allerdings könnte diese neben Betreiber von Solarparks auch Besitzer von gewerblichen Photovoltaik-Dachanlagen treffen. Allerdings ist in diesem Segment der Zubau nach der Einführung der Ausschreibungen für Dachanlagen größer 300 Kilowatt mit dem EEG 2021 deutlich eingebrochen. Ab dem kommenden Jahr entfällt diese Vorschrift. Dann müssen sowohl Dach- als auch Freiflächenanlagen erst ab einem Megawatt Leistung an Auktionen teilnehmen.

Der BSW-Solar sieht zudem aktuell eine Zurückhaltung beim Abschluss neuer PPA-Verträge, mit den große Photovoltaik-Anlagen außerhalb der EEG-Förderung finanziert werden können. Es herrsche derzeit große Verunsicherung, so der Verband.

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