BDEW sieht noch viele Stellschrauben für beschleunigten Photovoltaik-Zubau

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pv magazine: Sind die Maßnahmen im EEG-Osterpaket geeignet, um den Photovoltaik-Ausbau in Deutschland unmittelbar zu beschleunigen?

Kerstin Andreae: Mit der Anhebung der Ausschreibungsvolumina für große Dachanlagen und für Freiflächen-Photovoltaik wurden zunächst einmal die Ausbauziele im EEG umgesetzt. Zur Beschleunigung des Ausbaus trägt beispielsweise die Anhebung der Ausschreibungsschwelle auf ein Megawatt bei. Leider gibt es jedoch auch Vorgaben im Osterpaket, die den Ausbau ausbremsen können. Das ist zuallererst die geplante Vorgabe, dass Kommunen in ihren Verträgen mit Anlagenbetreibern zur finanziellen Beteiligung jetzt zusätzliche naturschutzfachliche Anforderungen vorgeben dürfen. Vor dem Hintergrund, dass wir den Ausbau dringend beschleunigen müssen, ist diese Regelung für mich nicht nachvollziehbar. Des Weiteren ist die Bundesregierung viel zu vorsichtig bei der Öffnung der Flächenkulisse. Wenn wir die ambitionierten Ausbauziele erreichen wollen, braucht es ein deutlich mutigeres Vorgehen. Neben Verbesserungen für Photovoltaik-Anlagen in der Volleinspeisung braucht es außerdem weitere regulatorische Vereinfachungen für Prosuming- und Mieterstrom-Projekte.

Neben höheren Ausschreibungsvolumina wird auch eine Anhebung der Einspeisevergütung vorgeschlagen, allerdings nur für Volleinspeiser. Ist das aus Ihrer Sicht sinnvoll und ist die vorgeschlagene Erhöhung ausreichend?

Aus Sicht des BDEW ist gerade der Mix aus Volleinspeisung, Prosuming, gesetzlichen Ausschreibungen und privaten PPA wichtig, damit Investorinnen und Investoren aus den für sie passenden Refinanzierungsformen wählen können. In den letzten Jahren ist der Ausbau von kleinen Photovoltaik-Anlagen in der Volleinspeisung stark eingebrochen. Dieses Segment muss wiederbelebt werden. Das gelingt beispielsweise durch eine Anhebung der Vergütungssätze und eine Verbesserung des Degressionsmechanismus. Die Vorschläge im Osterpaket gehen da schon in die richtige Richtung. Um weitere Prosuming-Potenziale zu erschließen, müssen insbesondere die regulatorischen Vorgaben vereinfacht werden. Die Absenkung der EEG-Umlage auf null zum 1. Juli 2022 und die Umgestaltung der Umlagensystematik durch das Energie-Umlagen-Gesetz sind ein erster Schritt hierfür. Darüber hinaus darf das Merkmal der Personenidentität kein Hemmnis mehr für das Prosuming darstellen.

Große Photovoltaik-Anlagen können sich ja auch schon ohne Förderung rechnen. Was sollte aus ihrer Sicht bei PPAs getan werden, dass dieser Markt weiter wächst?

Wir beobachten aktuell bereits eine erhöhte Nachfrage der Industrie nach PPA, die die Energiewirtschaft gerne bedienen möchte. Um den Abschluss von PPAs weiter voranzutreiben, ist es wichtig, dass die technischen Anforderungen an Erneuerbare-Energien-Anlagen außerhalb der EEG-Förderung nicht höher sind als für Anlagen, die über das EEG gefördert werden. Die Möglichkeiten langfristiger Verträge werden momentan allerdings teilweise durch das Kartellrecht begrenzt. Daher muss im nationalen und im europäischen Rechtsrahmen klargestellt werden, dass zukünftig langfristige Stromlieferverträge technologieunabhängig ausdrücklich gestattet sind. Zudem muss die Regulatorik in Deutschland so angepasst werden, dass stromintensive Unternehmen auch dann die vollständigen CO2-Kosten-Kompensation erhalten, wenn sie Strom aus Erneuerbare-Energien-Anlagen beziehen. Um in Zukunft eine Differenzierung und erhöhte Wertigkeit der grünen Eigenschaft im Rahmen von green PPAs zu ermöglichen, könnten beispielsweise bestehende oder neue Handelsplattformen eine wichtige Rolle spielen. Hier könnten die Transparenz und die Vergleichbarkeit für die Werthaltigkeit von Herkunftsnachweisen für alle Marktteilnehmer erhöht werden.

Was wären sinnvolle Maßnahmen, um den Zubau von Floating- und Agri-Photovoltaik zu beschleunigen?

Auch hier gibt es gleich mehrere Stellschrauben, die der Gesetzgeber optimieren kann. Zunächst einmal sollten die Ausschreibungen dieser Photovoltaik-Technologien schnell in die EEG-Regelausschreibungen überführt werden. Dabei sollten für innovative Photovoltaik-Konzepte eigene Ausschreibungssegmente geschaffen werden, weil sie sich noch nicht mit den kostengünstigeren klassischen Freiflächenanlagen werden messen können. Gleichzeitig können so Erfahrungen für die Entwicklung dieser Technologien gesammelt und Kostensenkungspotenziale für die Zukunft gehoben werden. Zudem müssen die Ausschreibungsvolumina der Innovationsausschreibungen schon in diesem Jahr auf 450 Megawatt und bei Überzeichnung der Ausschreibungen bis auf 1000 Megawatt jährlich angehoben werden. Und es wäre sinnvoll, die Grenze für die maximale Leistung der Gebote in der Ausschreibung auf 30 Megawatt anzuheben. Auch bei den Flächen gibt es noch Optimierungspotenzial: Die vorgesehene Flächenkulisse für die Agri-Photovoltaik kann deutlich ausgeweitet werden. Einen Ausschluss der Nutzung von Grünland oder gar ein pauschaler Ausschluss sämtlicher Schutzgebiete sehen wir kritisch. Derzeit wird die Errichtung von Photovoltaik-Anlagen häufig auf Länderebene pauschal ausgeschlossen, beispielsweise in Landschaftsschutzgebieten, in Special Protected Areas (SPA) zum Vogelschutz und in Fauna-Flora-Habitat-Gebieten. Dieser europarechtlich nicht geforderte, pauschale Ausschluss muss begrenzt werden.

Für Parkplätze und gewerbliche Neubauten gibt es ja in manchen Bundesländern bereits eine Photovoltaik-Pflicht. Ist das aus Ihrer Sicht zielführend und sollte diese Vorschrift bundesweit eingeführt werden, was ja zumindest für gewerbliche Neubauten im Koalitionsvertrag vorgesehen ist? Sie plädieren auch für bundesweit einheitliche Standards für Photovoltaik. Wie sollten diese aussehen und was sollten sie beinhalten?

Wir beobachten eine zunehmende Zahl von Bundesländern, die unterschiedliche Vorgaben für den Ausbau von Photovoltaik-Dachanlagen einführen. Um einem regulatorischen Flickenteppich entgegenzuwirken und bundesweit den Photovoltaik-Ausbau auf Dächern anzuregen, setzen wir uns für bundesweit einheitliche Mindeststandards ein, von denen die Bundesländer nach oben abweichen können. Die im Koalitionsvertrag angekündigte Solarpflicht für gewerbliche Gebäude ist ein Beispiel dafür. Wir würden aber noch darüber hinausgehen und auch die Träger öffentlicher Gebäude in die Pflicht nehmen. Photovoltaik-Standards für öffentliche Gebäude und für Gewerbegebäude mit Dachflächen größer 75 Quadratmeter sollten eingeführt und gleichzeitig Vorgaben im Planungsrecht verankert werden, die neue Wohngebäude „PV-ready“ machen. Damit wir die Potenziale auf den Dächern vollständig heben, muss bei der Ausgestaltung der von der Bundesregierung angestrebten Solarpflicht darauf geachtet werden, dass sie nicht zu einer Teilbelegung der Dächer führt, zum Beispiel durch passende Prosumingregeln und bessere Vergütungen. Wir halten es außerdem für sinnvoll, auch bei größeren neuen Parkplätzen Photovoltaik-Standards vorzusehen, wie es Baden-Württemberg schon vorgegeben hat. Es muss aber klar sein, dass hiermit vor allem ein Photovoltaik-Ausbau bei Neubauten erreicht werden kann. Um die großen Bestandsgebäude und Gebäude außerhalb der Regelungen zu erreichen, müssen die Förderbedingungen weiter verbessert werden. So ist unter anderem darauf zu achten, dass durch eine Solarpflicht gewisse Fördermechanismen wie beispielsweise Investitionszuschüsse nicht außer Kraft gesetzt werden.

Oft wird auch die Bürokratie beim Bau und Anschluss von Photovoltaik-Anlagen kritisiert. Was ist hier aus Ihrer Sicht der wichtigste Hebel, der sofort angegangen werden muss?

Gerade für kleine Photovoltaik-Dachanlagen behindern hohe bürokratische Hürden den Ausbau. Durch die geplante Umstellung der EEG-Umlage auf einen haushaltsbasierten Mechanismus zum 1. Juli 2022 werden die erforderlichen Messkonzepte in vielen Fällen bereits wesentlich vereinfacht. Gleichzeitig müssen jetzt aber weitere Hemmnisse abgebaut werden, die durch stromsteuerrechtliche Anforderungen und die Lieferanteneigenschaft nach dem EnWG entstehen. Dazu müssen sämtliche Prozesse der Anmeldung und Informationsbereitstellung künftig von allen Marktpartnern papierlos digital möglich sein. Auch sollte eine „One-Stop“-Anmeldung beim Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur eingeführt werden, die sämtliche weitere Anmeldungen ersetzt. Dies wurde bereits im Rahmen der EEG-Novelle 2020 avisiert, bislang aber nicht umgesetzt.

Sind Sie zuversichtlich, dass im weiteren parlamentarischen Prozess, die von Ihnen vorgeschlagenen Änderungen noch im EEG aufgenommen werden?

Wir setzen natürlich darauf, dass unsere zentralen Punkte im parlamentarischen Verfahren noch aufgegriffen werden und bringen diese in Gesprächen und in der anstehenden Anhörung zum Osterpaket am 16. Mai aktiv ein. Klar ist aber auch, dass es weiterer Gesetzesinitiativen bedarf. So ist zum Beispiel das Thema der bundesweiten Solarstandards nicht Gegenstand des Osterpakets. Und auch die Frage der Flächenverfügbarkeit für Photovoltaik und die notwendigen Netzinfrastrukturmaßnahmen sind noch nicht umfänglich adressiert. Wir erwarten, dass bereits im angekündigten Sommerpaket weitere Maßnahmen enthalten sein werden, die den Photovoltaik-Ausbau massiv voranbringen.

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