Die Branche zum Koalitionsvertrag: Ambitioniert in den Zielen, vage im Weg dahin

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Seit Mittwochnachmittag ist der Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP bekannt. Auf 177 Seiten skizzieren die Koalitionäre dort ihre Vorstellungen und den Fahrplan für die kommenden Jahre. Dass die Themen Klima und Energie noch mal einen besonderen Schub bekommen, zeichnete sich bereits im Wahlkampf ab. Wir haben bereits eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Inhalte für die Photovoltaik-Branche veröffentlicht und sammelten die Stellungnahmen der Industrieverbände, Denkfabriken und zivilgesellschaftlichen Organisationen. Doch auch die Unternehmen der Photovoltaik- und Speicherbranche selbst haben sich zu dem Koalitionsvertrag geäußert. Schlussendlich liegt es an den Unternehmen, die Pläne der kommenden Bundesregierung auch in Tat umzusetzen.

Auch die Industrie erkennt zunächst die ehrgeizigen Ausbauziele für Erneuerbare an, mahnt jedoch auch dazu, mit entschiedenem Handeln die Ziele zu verfolgen. So merkt Detlef Neuhaus, Geschäftsführer von Solarwatt, an, dass der notwendige Ausbau von Wind- und Solarkraft nur gelingen kann, wenn die Planungs- und Genehmigungsverfahren deutlich schneller gestaltet werden. Außerdem müsse die Maßnahme durch den Ausbau digitaler Netze und der Einrichtung lokaler Wertschöpfungsketten flankiert werden.

Stromanbieter fordern mehr Klarheit

Grünstrom-Anbieter Tibber knüpft bei dem Thema an und hält fest, dass die Ausbauziele, wie sie im Koalitionsvertrag stehen, grundsätzlich zu begrüßen wären, es jedoch an Konkretisierungen bei den begleitenden Maßnahmen mangelt. So würde das Koalitionspapier zum Beispiel nur fordern, dass der Smart-Meter Rollout schneller vonstattengehen solle, aber sonst eher vage bleiben. „Um das im Vertrag festgelegte Ziel von 80 Prozent des Bruttostrombedarfs aus grünen Energiequellen zu erreichen, ist der flächendeckende Rollout von Smart Metern aber auch zwingend Voraussetzung“, sagt die Deutschlandchefin des Ökostromanbieters, Marion Nöldgen. „Leider wurden hier aber keine konkreten Ziele festgelegt, – anders als in vielen anderen Bereichen wie beim Ausbau der Solarenergie”

Das Thema Bürokratieabbau beschäftigt die Branche auch weiterhin. Die ambitionierten Ausbauziele von Photovoltaik, aber auch von Ladeinfrastruktur würden nur ihre Wirkung zeigen, wenn dies auch zeitnahe umgesetzt würde. „Der Koalitionsvertrag erkennt: Die Energiewende findet nicht zuletzt bei den Bürgern statt“, heißt es vom Heimspeicher-Anbieter Sonnen. „Schlüsseltechnologien dafür sind Solaranlage, Speicher und Ladepunkt. Wenn die dafür notwendige Bürokratie abgebaut wird, dann können alle zufrieden sein. Das sieht der Koalitionsvertrag jetzt vor. Jeder sollte die Energiewende mit wenigen Klicks selber in die Hand nehmen können. Das müssen Politik und Branche jetzt gemeinsam umsetzten!“

Des Weiteren vermisst die Branche CO2-Preise. Als Instrument, um fossile Brennstoffe aus dem Markt zu drängen, seien diese unerlässlich. Zwar finden sich einige Bekenntnisse zu europäischen Vereinbarung zum CO2-Preis und das dieser nicht unter 60 Euro pro Tonne fallen solle, „dass allerdings gleichzeitig der Preispfad im nationalen Handelssystem für Wärme und Verkehr nicht weiter angepasst wurde, ist angesichts des bisherigen langen Stillstands in diesen Sektoren ein unverständliches Versäumnis“, sagt Thomas Banning, Vorstandsvorsitzender der Naturstrom AG. „Nicht zuletzt, da ein progressiver CO2-Preis gleichzeitig auch kurzfristig Spielräume vergrößert hätte für ein soziales Ausgleichsinstrument.“

Weniger Graustrom im Verkehr

Zwar bleiben die klaren Formulierungen beim CO2-Preis im Verkehr aus, doch ein paar Bewegungen im Mobilitätssektor gibt es trotzdem. So haben die Koalitionäre sich darauf geeinigt, bis 2030 eine Million Ladesäulen in Betrieb zu nehmen. Zurzeit lassen hierzulande sich knapp 50.000 Ladesäulen finden. Eine Zielsetzung die natürlich besonders von den Herstellern und Betreibern der Ladesäulen begrüßt wurde. „Endlich, die Weichen für die Zukunft sind gestellt. Damit die Elektromobilität jedoch weiter durchstarten kann, müssen auf Worte auch schnell Taten folgen“, kommentiert Georg Griesemann, Co-CEO von Compleo, den Koalitionsvertrag der künftigen Regierungsparteien. „Das Vorhaben, die Ausbauziele für die Elektromobilität deutlich zu erhöhen, wird der Branche nochmals wirtschaftliche Schubkraft geben“, so Griesemann. Dem Koalitionsvertrag sei auch zu entnehmen, dass die Genehmigungsverfahren für den Bau von Ladeinfrastruktur verschlankt werden sollen, wie es in der Meldung von Compleo heißt.

Dem Koalitionsvertrag zufolge würden die meisten Ladestationen durch private Investoren bezahlt. Somit läge der Fokus beim Ausbau der Ladeinfrastruktur eher im öffentlichen Raum und das könnte dazu eine Chance im Heim-Segment zu nutzen. „Wir empfehlen einen viel stärkeren Fokus auf privates Laden, wie beispielsweise die Überarbeitung der viel zu wenig ambitionierten Gebäude-Vorschriften“, sagt Tina Zierul, Senior Director Public Policy, beim Ladepunkt-Unternehmen Chargepoint. „Bisher soll dies lediglich dort geschehen, wo es baulich möglich ist. Wir setzen unsere Hoffnungen auf die Überarbeitung des „Masterplan Ladeinfrastruktur“. Drüber hinaus empfehlen wir einen deutlicheren Fokus auf Programme wie das gerade gestartete KfW-Programm zum gewerblichen Laden.“

Um das zu erreichen, würde Zierul den Handel mit Treibhausgasminderungsquoten auch auf private Ladestationen ausweiten. Bisher können private Ladestationen nur einen Pauschalbetrag abrechnen. „Wir sollten auch zulassen, dass grüner Strom beispielsweise aus zugekauften Grünstromverträgen abseits der EEG-Förderung stärker angerechnet wird als grauer Strom – für einen schnelleren grünen Verkehr in Deutschland“, fügt Zierul hinzu.

Angesichts des geplanten Markhochlaufs von Elektroautos von heute einer halben Million Fahrzeugen auf 15 Millionen Fahrzeuge in neun Jahren wird die maximale Nutzung von erneuerbarer Energie an Bedeutung gewinnen. Werden all diese Fahrzeuge mit Graustrom geladen würde das auch nicht die erhoffte CO2-Minderung herbeiführen. „Die Bundesregierung muss dafür die Weichen stellen, dass diese Fahrzeuge möglichst mit selbst erzeugtem Strom geladen werden“, sagt Detlef Neuhaus von Solarwatt. „Dies würde dann wirklich zu einer massiven CO2-Reduktion führen und das Stromnetz entlasten. Wir unterstützen die Politik gern auf diesem Weg, der für uns alle so wichtig ist.“

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