Gibt es eine Alternative zu Made in China?

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Die aktuell sehr hohen Transportkosten für Containertransporte sind maßgeblich dafür verantwortlich, dass die Modulpreise auf einem Niveau sind, wie wir es seit dem Herbst letzten Jahres nicht mehr gesehen haben. Diese Erkenntnis hatte ich in meinem letzten Kommentar vor einem Monat bereits verbreitet. Ob und wie die Stärkung der lokalen Wertschöpfung in Form einer europäischen Zell- und Modulproduktion zu einem ein Ende der Abhängigkeit von Asien und zu einem Ausbrechen aus der nach oben zeigenden Kostenspirale führen könnte, darauf möchte ich in diesem Monat eingehen. Zunächst aber ein Blick auf die aktuelle Preisentwicklung.

Die Modulpreise haben sich in den vergangenen Wochen stabilisiert, bei den meisten Technologien sogar etwas nachgegeben. Dies führe ich einerseits auf einen sommerferienbedingten Nachfragerückgang, andererseits auf das nahende Quartalsende zurück. In den letzten Tagen wurden einige größere Modulkontingente auf den Markt geworfen, so dass die Verfügbarkeit momentan als gut zu bezeichnen ist und die Preise dadurch allgemein etwas unter Druck geraten. Da es sich hier um Lagerbereinigung und damit einen kurzzeitigen Effekt handelt, rechne ich in den Folgemonaten mit einer Korrektur nach oben. Damit bleibt es wohl nicht bei einem Preisanstieg von etwa 6 bis 9 Prozent seit Jahresanfang, wie wir ihn bei den meisten Indexwerten noch sehen. Allein die Höhe der Preise für Minderleistungsmodule, B-Ware oder Gebrauchtmodule (Low Cost) hat sich seit Januar im Durchschnitt nicht verändert, da es sich hier in der Regel um lokale Angebote handelt, die von Containertransporten aus Asien weitgehend unabhängig sind.

Übersicht der nach Technologie unterschiedenen Preispunkte im September2021 inklusive der Veränderungen zum Vormonat (Stand 13.09.2021)

Grafik: www.pvxchange.com

Wie aber können wir uns auch bei den anderen Produktgruppen von den großen Herstellern in China emanzipieren und uns damit vom Preisdiktat der Reedereien und Speditionen lösen?

Seit asiatische Hersteller vor mehr als einem Jahrzehnt den Siegeszug in Europa angetreten haben, sind alle bisherigen Versuche lokaler Produzenten gescheitert, ein konkurrenzfähiges Solarmodul für den Massenmarkt zu präsentieren und zu etablieren. Selbst protektionistische Maßnahmen durch die EU-Kommission, durch die der Import von Zellen und Modulen aus China in den Jahren 2013 bis 2018 stark reglementiert war, konnten die einheimische Industrie nicht retten. Heute gibt es keine ernstzunehmenden Produktionskapazitäten mehr in der EU, die über die Endfertigung von Modulen hinausgehen. Silizium, Wafer, Zellen, Gläser, Folien, Rahmenprofile, Kabel und Anschlussdosen – die meisten Vorprodukte müssen mittlerweile aus Asien beziehungsweise von außerhalb der EU bezogen werden, wenn das Endprodukt erschwinglich bleiben soll. Manche ehemals renommierte deutsche Marke beschränkt sich auf den Zusatz „Engineered in Germany“ oder „Deutsche Garantie“ in ihren Datenblättern, da das komplette Modul oder zumindest das fertige Laminat aus Asien kommt und im Inland nur noch der Rahmen aufgepresst wird.

Solche Produkte sind nicht viel teurer als reine chinesische Module, haben aber auch keinen Transportkostenvorteil gegenüber diesen, weil ja das gesamte Material aus Asien herüber geschafft werden muss. Nicht viel besser sieht es für lokale Modulhersteller aus, die zumindest das Laminieren noch selbst durchführen – auch sie müssen fast alle Vorprodukte aus Asien einführen. Eine Modulproduktion selbst ist heute weitestgehend automatisiert, so dass Personalkosten hier nicht groß ins Gewicht fallen. Allenfalls bei den Energiekosten und den Umweltauflagen ergeben sich noch Nachteile gegenüber einer chinesischen Produktion. Diese lassen sich aber mit etwas Aufwand und Innovation ebenfalls beseitigen. Unlösbar ist – zumindest kurz- bis mittelfristig – das Beschaffungsproblem für Vorprodukte. Eine vertikale Integration einer Vielzahl von Fertigungsschritten möglichst an einem Standort ist der Königsweg, sowie eine entsprechend hohe Produktionskapazität, um Skaleneffekte zu erzielen. Genau hier liegt aber das entscheidende Problem, weshalb alle europäischen Player auf der Strecke geblieben sind oder den Manufakturstatus nie verlassen haben.

Ob Meyer-Burger, dem neuesten Kandidaten im Rennen um einen relevanten Platz in der ansonsten asiatisch dominierten Herstellerriege das scheinbar Unmögliche gelingt, bleibt äußerst fraglich. Zumindest kann sich momentan kaum ein Akteur in der Branche, mit dem ich in den letzten Wochen gesprochen habe, vorstellen, dass es den Schweizern mit ihrem aktuellen Setup und der eingeführten Preisstruktur gelingen wird, einen relevanten Marktanteil zu erobern. Aktuell kämpft der Hersteller nämlich auch mit der Verfügbarkeit und den Kosten seiner Rohstoffe, was zu verzögerter Auslieferung bereits vor vielen Monaten bestellter Modulmengen und zu Verkaufspreisen führt, die fast einhundert Prozent über denen der großen Tier-1-Hersteller liegen. Auch die nach eigenen Angaben bessere Modulqualität und die durch die eingesetzte Heterojunktion-Technologie etwas höheren Erträge, sowie der Lokalproduzenten-Bonus reichen meiner Meinung nicht aus, um die so viel höheren Modulkosten zu rechtfertigen.

So bleibt es vielleicht eine Wette auf das Wahlergebnis bei der im September stattfindenden Bundestagswahl in Deutschland und einen damit verbundenen Regierungswechsel, der vermeintlich zu sehr viel besseren Ausgangsbedingungen für einheimische, hochpreisige Produkte führt. Ein zukünftig sehr viel höherer CO2-Preis könnte beispielsweise einer der Game Changer werden. Auch müssten die Investitionsbedingungen für Infrastrukturprojekte im Bereich der Regenerativen Energien sehr viel besser werden, damit wieder Großindustrie für eine Silizium- und Waferproduktion angesiedelt werden kann. Ein deutscher Alleingang ist hier jedoch nicht unbedingt zu erwarten und ob ein Regierungswechsel in Deutschland einen so großen Impact auf die Europäische Industrie- und Energiepolitik hat, dass Meyer-Burger und andere Firmen dadurch eine bessere Überlebenschance bekommen, ist fraglich. Ein sehr langes Durchhaltevermögen ist hier sicherlich von Vorteil und eine Handvoll pfiffigereKonzepte, als wir sie in Europa bisher gesehen haben. Ansonsten wird China die lokale Solarszene mit seinen Produkten weiterhin übermächtig dominieren.

Martin Schachinger
pvXchange.com

— Der Autor Martin Schachinger ist studierter Elektroingenieur und seit über 20 Jahren im Bereich Photovoltaik und regenerative Energien aktiv. 2004 machte er sich selbständig und gründete die international bekannte Online-Handelsplattform pvXchange.com, über die Großhändler, Installateure und Servicefirmen neben Standardkomponenten auch Solarmodule und –wechselrichter beziehen können, welche nicht mehr hergestellt werden, aber für die Instandsetzung defekter Photovoltaik-Anlagen dringend benötigt werden.

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