EU-Taxonomie und Offenlegungspflicht wirken sich auch auf die Solarindustrie aus

Teilen

Die EU führt seit einigen Jahren mit Ihrer „Sustainable Finance“-Initiative Verordnungen ein, die für Finanzmarkteilnehmer etliche neue Pflichten bedeuten, die Finanzströme zu nachhaltigeren Investitionen leiten sollen. Für die Solarwirtschaft bedeutet das einerseits eine Chance, weil mehr Geld zur Verfügung stehen dürfte, um die Wirtschaft zu dekarbonisieren. Doch andererseits führen die Verordnungen auch zu neuen Anforderungen. Für die betroffenen Asset Manager und Projektentwickler ist jedoch ziemlich verwirrend, was sie nun tun müssen, da mehrere Verordnungen und Regularien mit zusammen über 350 Seiten Paragraphen ineinandergreifen.

Für die letzte Magazinausgabe haben wir mit Asset Managern darüber gesprochen, wie sie vorgehen (pv magazine März 2021, Seite 12). Für diesen Artikel haben wir mit Carsten Auel, Senior Manager bei Deloitte in Frankfurt und Yvonne Fehrenbach, Director bei Deloitte in Berlin geredet, um die Zusammenhänge genauer aufzudröseln. Beide sind Mitglied der Deloitte Sustainable Finance Initiative und betreuen Projekte im Bereich Nachhaltigkeit.

Yvonne Fehrenbach, Director bei Deloitte in Berlin

Foto: Deloitte

Am 21. April will die EU-Kommission nun eine weitere Entscheidung treffen, mit denen Details festgelegt werden, die jedoch zu einem großen Teil schon bekannt sind. Anlässlich dessen geben wir einen Ausblick auf die Tragweite, die die neuen Beschlüsse haben werden und wie sie sich in das Regelwerk einordnen (Alle Links zu den verschiedenen Regelwerken im Überblick am Ende des Artikels).

Offenlegungsverordnung definiert Pflichten

Die eine Verordnung, die in diesem Zusammenhang relevant ist, ist die „Offenlegungsverordnung“ mit dem Kürzel 2019/2088, die das EU-Parlament am 27. November 2019 verabschiedet hat. Sie legt fest, welche Veröffentlichungspflichten Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater für sich und ihre Produkte haben und enthält als einen Stichtag den besagten 10. März 2021.

Die Anforderungen gelten für eine ganze Reihe von Finanzprodukten und Finanzdienstleistungen und für die Unternehmen selbst, die diese anbieten. Zu den betroffenen Produkten und Dienstleistungen gehören unter anderem Publikumsfonds, Spezialfonds und Kapital-Lebensversicherungen, Vermögensverwaltung und Anlageberatung. Wenn Solaranlagen über von der Verordnung betroffene Produkte finanziert werden, sind diese also indirekt von den Kriterien betroffen. Für von Family Offices finanzierte Solaranlagen gibt es keine generelle Antwort. Es hängt dann davon ab, ob das Vertragsverhältnis mit dem Kunden von der Offenlegungs-Verordnung betroffen ist. Bei privaten Investorengruppen ist es dagegen einfach. Diese sind davon nicht betroffen.

Carsten Auel, Senior Manager bei Deloitte in Frankfurt

Foto: Deloitte

Die Offenlegungsverordnung unterscheidet drei Produktarten: sonstige Finanzprodukte ohne Nachhaltigkeitsbezug, „hellgrüne“ Produkte, die kein ausgesprochenes Nachhaltigkeitsziel haben aber mit Nachhaltigkeitseffekten werben (festgelegt in Artikel 8 der Verordnung), und „dunkelgrüne“ Produkte, die ein explizites Nachhaltigkeitsziel verfolgen (festgelegt in Artikel 9 der Verordnung). Zusätzlich müssen die „negativen Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren“ transparent gemacht werden. Diese werden oft als „PAI“ bezeichnet. Das ist die Abkürzung des englischen Ausdrucks „Principle Adverse Impact“. Diese Berichtspflicht zum Umgang mit negativen Auswirkungen gilt nicht nur für die Produkte, sondern auch für die Unternehmen selbst. Das ist in Artikel 4 festgelegt.

Wie genau vorzugehen ist, wird in einem technischen Standard (Regulatory Technical Standard RTS) zur Offenlegungsverordnung festgelegt. Er beschreibt unter anderem, was und wie in den „vorvertraglichen Veröffentlichungen“ zu Produkten, also etwa den Verkaufsprospekten, und was auf den Webseiten und in den regelmäßigen Berichten veröffentlicht werden muss. Einen finalen Entwurf für den technischen Standard haben Experten unter Federführung der „Europäischen Aufsichtsbehörden“ (ESA) bereits am 4. Februar veröffentlicht. Zu den Aufsichtsbehörden zählen die Bankaufsicht (EBA), die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA) und die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA).  Sie raten dazu, sich auf diesen Entwurf zu beziehen, solange die Europäische Kommission noch keine finale Fassung verabschiedet hat.

Taxonomieverordnung definiert Nachhaltigkeits-Kriterien

Die zweite Verordnung, die in diesem Zusammenhang relevant ist, ist die „Taxonomieverordnung“ (2020/852). Diese hat das EU-Parlament am 18. Juni 2020 verabschiedet. Sie „enthält Kriterien zur Bestimmung, ob eine Wirtschaftstätigkeit als ökologisch nachhaltig einzustufen ist, um damit den Grad der ökologischen Nachhaltigkeit einer Investition ermitteln zu können“ und gilt für alle, für die auch die Offenlegungsverordnung gilt, und für alle, für die die Richtlinien zu nicht-finanzieller Berichterstattung gelten (2014/95/EU), mit der die jährliche Berichtspflicht von Unternehmen auf Nachhaltigkeitskriterien erweitert wird.

Auch zur Taxonomie-Verordnung sind technische Standards (RTS) zu den sechs darin genannten Umweltzielen geplant. Diese sollen am Ende die Screening-Kriterien definieren. Außerdem enthalten sie die so genannten „Do No Significant Harm, also „Verursache keinen signifikanten Schaden“-Kriterien. Sie werden gerne als DNSH abgekürzt und erfüllen einen ähnlichen Effekt wie die PAIs der Offenlegungsverordnung – es soll sichergestellt werden, dass die Erreichung eines Umweltziels nicht auf Kosten anderer Umweltziele erreicht wird.

Die Standards zu den Umweltzielen 1 und 2, das sind Klimaschutz und Klimaanpassung, wollte die EU-Kommission bis Ende 2020 verabschieden, so dass sie zum 1. Januar 2022 hätten in Kraft treten können. „Das ist nicht geschehen, da es insgesamt über 40.000 Kommentare gab“, sagt Deloitte-Experte Carsten Auel. Der aktuelle Entwurf stammt aus dem November 2020.

pv magazine Roundtables am 9. Juni zum ESG-Thema

Am 9. und 10. Juni finden die pv magazine Roundtables Europe „Cornerstones for the solar energy revolution“ statt. In der zweiten Session Asset Management wird es unter anderem darum gehen, welche Auswirkungen die ESG-Regulierungen für Asset Manager und Projektwentwickler haben.

Zur Roundtables-Seite und zur kostenfreien Registrierung

Wenn Sie spezielle Fragen zum ESG-Thema haben, die Sie besonders interessieren, bitte schicken Sie diese an michael.fuhs@pv-magazine.com

Diese Standards wird die Kommission nun vermutlich am 21. April veröffentlichen. Ein großer Streitpunkt unter den EU-Mitgliedsstaaten ist der Umgang mit Erdgas und Atomkraft in Bezug auf diese Umweltziele, so dass in dieser Hinsicht Kriterien aufgeweicht oder Entscheidungen vertagt werden könnten, wie in der Berichterstattung zu lesen ist.

Bezüglich der Umweltziele 3 bis 6 (nachhaltige Nutzung und Schutz der Wasser- und Meeresressourcen, Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, Vermeidung und Verringerung von Umweltverschmutzung, Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme) existiert noch kein offizieller Entwurf. Doch auch dazu gibt es klare Ziele. Die Standards dafür will die Kommission bis zum 31. Dezember 2021 verabschieden. Sie sollen zum 1. Januar 2023 in Kraft treten.

Zusammenspiel der beiden Verordnungen

Die Taxonomie-Verordnung ergänzt die Offenlegungsverordnung. Immer wenn es im Rahmen der Offenlegungsverordnung um ökologische Nachhaltigkeit geht, muss man sich in der Offenlegung und Argumentation auf jene beziehen.

Wenn eine Kapitalverwaltungsgesellschaft also einen Fonds aufsetzt, der das Nachhaltigkeitsziel „CO2-Reduktion durch Aufbau von Photovoltaikanlagen“ verfolgt und damit unter Artikel 9 der Offenlegungsverordnung fällt, dann kann sie das CO2-Reduktionsziel selber festlegen und muss nach den technischen Standards zur Offenlegungsverordnung nur nachweisen, wie sie das selbst gesetzte Ziel durch die Investition erreicht und inwiefern sie in Konflikt mit anderen Nachhaltigkeitszielen steht. Gleichzeitig hat die Kapitalverwaltungsgesellschaft im Rahmen der Taxonomie-Verordnung und entsprechend der Screening Kriterien der technischen Standards dazu anzugeben, ob die Solaranlage die Anforderungen der Taxonomie erfüllt. Das heißt, wenn darin Bedingungen festgelegt sind, die eine Investition erfüllen muss, um als nachhaltig zu gelten, müssen diese eingehalten werden, unabhängig von den selbst gesetzten Zielen.

Im ersten Entwurf der Technischen Standards zur Taxonomie aus März 2020 befand sich in Kapitel 4.1 zu Solaranlagen noch ein Passus, nach dem über den gesamten Lebenszyklus gerechnet der CO2-Fußabdruck unter 100 Gramm CO2-Äquivalente pro Kilowattstunde betragen dürfe und dieser bis 2050 auf Null sinken müsse. Die Fassung vom November 2020 stellt jedoch lapidar fest, dass es ausreicht, um einen substanziellen Beitrag zur Minderung des Klimawandels leiste, wenn „Elektrizität mithilfe photovoltaischer Technologie“ erzeugt werde. Allerdings muss man nachweisen, dass die „Aktivität“ evaluiert wird, ob beispielsweise langlebige Komponenten genutzt und auf die Recyclingfähigkeit geachtet wird. Außerdem muss man negative Auswirkungen auf die Biodiversität geringhalten.

Auch Energiespeicherung ist als nachhaltige Aktivität gelistet, in Kapitel 4.10. Dort wird lediglich ein Plan zur Entsorgung und zum Recycling gefordert, der gewissen Standards entspricht. Für Investitionen in Netzinfrastruktur sind dagegen eher enge Grenzen gesetzt. Man muss diese nach einem längeren Kriterienkatalog in Kapitel 4.9 überprüfen, damit eine solche Aktivität als nachhaltig gilt. So darf die Ausstattung, um die es geht, nur zum Anschluss von Erzeugern genutzt werden, die einen CO2-Fußabdruck von unter 100 Gramm CO2 Äquivalente pro Kilowattstunden haben.

Die Offenlegungsverordnung geht aber zumindest in einem Punkt über die Taxonomieverordnung hinaus. Während in der Taxonomie nur Umweltziele definiert sind, können durch die Offenlegungs-Verordnung auch soziale Nachhaltigkeitsziele angestrebt werden, um Artikel 8 oder 9 gerecht zu werden. Allerdings erweitert die Taxonomie das Do-no-significant-harm-Prinzip nach Artikel 18 auch auf soziale Kriterien. Dieser Artikel bezieht sich auf die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen und die Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte. Damit eine Investition im Sinne der Taxonomie als nachhaltig gilt, muss also sichergestellt und dokumentiert werden, dass diese dem Artikel 18 der Taxonomieverordnung entsprechen. Wie weit die Bedingungen entlang der Wertschöpfungskette zurückverfolgt werden müssen und wie weit die Sorgfaltspflicht diesbezüglich gilt, ist jedoch nicht klar definiert.

Mehr Aufwand, mehr Chancen

Die neuen Verordnungen erhöhen zunächst zwar auch für die Solarwirtschaft den Aufwand, da für Investoren noch mehr Informationen bereitgestellt werden müssen, noch mehr dokumentiert und beachtet werden muss. Doch andererseits führen sie auch dazu, dass große Investoren ihre Portfolien nachhaltiger machen und dadurch mehr Geld in den Aufbau von erneuerbaren Energien fließen könnte.

Die Offenlegungsverordnung verlangt etwa für ökologisch nachhaltige Investmentfonds grundsätzlich anzugeben, wie viel Prozent des Portfolios Taxonomie-konform sind. Die Richtlinien zu nicht-finanzieller Berichterstattung verlangen dasselbe für ganze Unternehmen ab einer bestimmten Größe. Damit soll verhindert werden, dass man sich ein kleines grünes Aushängeschild verpasst, aber einen Großteil der Rendite nicht-grünen Produkten verdient. „Die Investition in Solaranlagen ist sehr gut für das Portfolio, weil sie bei Einhaltung der Do-no-significant-harm-Kriterien und der sozialen Mindeststandards zu 100 Prozent konform ist“, sagt Auel. Wertpapiere liefern dazu in der Regel einen geringeren Beitrag, da Emittenten meist nicht zu 100 Prozent konform sind.

Außerdem müssen Finanzmarktteilnehmer mit mehr als 500 Mitarbeitern auf Konzernebene nach Artikel 4(3) ab dem 30. Juni 2021 erklären, wie sie ihre Sorgfaltspflicht im Zusammenhang mit möglichen nachteiligen Auswirkungen von Investitionsentscheidungen, den schon genannten PAIs, erfüllen und zu diesen gehört auch die Emission von Treibhausgasen. Die Unternehmen mit weniger Mitarbeitern sind zwar von dem Zwang befreit. Wenn sie diesbezüglich keine Strategien haben, müssen sie das jedoch öffentlich erklären. Auch das dürfte Druck entfalten, solche Ziele zu entwickeln, die wiederum zu Investitionen in erneuerbare Energien führen könnten. „Generell gibt es eine deutliche Tendenz hin zu einer stärkeren Berücksichtigung von Nachhaltigkeit im Finanzsektor, der sich in Zukunft weiter verstärken wird“, ist sich Auel sicher.

Dieser Inhalt ist urheberrechtlich geschützt und darf nicht kopiert werden. Wenn Sie mit uns kooperieren und Inhalte von uns teilweise nutzen wollen, nehmen Sie bitte Kontakt auf: redaktion@pv-magazine.com.