pv magazine highlight top business model: Solarstrom für Windräder

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Irgendwann im Jahr 2018 brainstormten Daniel Saage und Johannes Lackmann von Westfalen Wind darüber, was sie als „politisch aktives Unternehmen“ noch tun könnten, als mal wieder die Diskussion darauf kam, ob Ackerflächen nur für Landwirtschaft oder auch für Photovoltaik genutzt werden sollten. „Lasst uns doch endlich die Flächen nutzen, auf denen bei der Errichtung der Windkraftanlagen der Kran steht“, sagte Lackmann. Diese geschotterte Fläche, nach der Bauphase unbenutzt und verschwendet, gibt es neben jeder Windkraftanlage. Es kann nichts gepflanzt werden, es kommt auch nie jemand hin. Sie war sogar schon Teil der Baugenehmigung, da man sie bei der Errichtung der Windkraftanlage benötigt.

Gesagt, getan, Westfalen Wind baute im Mai 2019 die erste dieser Photovoltaik-Anlagen in der Nähe von Paderborn mit einem vormontierten Montagesystem von Smartvolt. Sie rechneten nicht damit, dass die Baubehörde des Kreises Paderborn dafür eine zusätzliche Baugenehmigung für notwendig hielten. Als Saage die Genehmigung daraufhin beantragt hat, habe die Behörde diese aber mit der Begründung abgelehnt, dass eine Photovoltaik-Anlage auf diesen Flächen für den „ästhetisch empfindsamen Betrachter“ störend sei. Erst nachdem er den Wirtschaftsminister und die Landesbauministerin eingeschaltet habe, sei es gelaufen, so Saages Version der Geschichte.

Manchmal ist einfach langer Atem notwendig, wenn man neue Flächen erschließen will. Inzwischen hat Saage bereits die dritte Photovoltaik-Anlage auf einem Windpark-Kranstellplatz errichtet und plant zwölf weitere. Auch ein Mitarbeiter sei bereits neu eingestellt. Die Jury der pv magazine highlights überzeugte das Konzept, Flächen doppelt zu nutzen, und zeichnet Smartvolt und Westfalen Wind mit dem pv magazine highlight top business model aus.

100 Kilowatt mit vormontiertem System

Die Anlagen haben jeweils rund 100 Kilowatt. Sie können nur errichtet werden, weil das Montagesystem vormontiert ist und nicht nur schnell auf-, sondern fast so schnell abgebaut werden kann, falls doch noch einmal ein Kran zur Windkraft­anlage muss. „In der Regel ist dies aber nur einmal in 20 Jahren erforderlich“, sagt Saage. Im Montagevideo ist zu sehen, wie ein Trecker mit Gabelstaplergabel jeweils ein Paket vom Lastwagen nimmt. Es besteht aus vier aneinandergeklappten Solarmodulen. Wenn er es absetzt, faltet es sich zu einem typischen dachförmigen Ost-West-System auf. Die Installateure müssen nur noch die Kabel zusammenstecken und natürlich dann den Wechselrichter und den Netzanschluss einbauen.

highlights und spotlights

 

Preis für gute Ideen:

In der März-Runde zeichnet pv magazine zwei Einreichungen als highlight aus. Ein spotlight ist dieses Mal nicht dabei.

Das sagt die Jury:

Smartvolt und Westfalen Wind – Solarstrom für Windräder

Auf der Suche nach neuen Flächen fiel den Projektentwicklern von Westfalen Wind auf, dass es ungenutzte Areale bei Windkraftanlagen gibt. Die Kranstellflächen lassen sich für Photovoltaik erschließen, weil Smartvolt eine vormontierte Unterkonstruktion entwickelt hat, mit der sich eine Anlage nicht nur schnell aufbauen, sondern auch schnell abbauen lässt. Damit ist es möglich, die Anlage kurzfristig beiseite zu räumen, falls es im Laufe der Lebensdauer notwendig wird. Konservativ geschätzt lassen sich so auf doppelt genutzten Flächen in Deutschland 300 Megawatt mit rentablen Anlagen errichten. Dafür verleiht die Jury ein „pv magazine top business model“.

Die Juroren

Volker Quaschning ist Professor für regenerative Energiesysteme an der HTW Berlin. Hans Urban, Experte für Photovoltaik, Speicher und E-Mobilität, berät Schletter, Maxsolar und Smart Power. Winfried Wahl leitet das Produktmanagement bei Longi Solar in Deutschland.

Mehr Infos, bisherige Preisträger und alles zur Bewerbung unter: www.pv-magazine.de/highlights
Einsendeschluss für die nächste Runde: 30. April 2021

„Es dauert acht Stunden, die 352 Module aufzustellen“, sagt Werner Palm, der den Vertrieb des Montagesystems in Deutschland übernommen hat. Smartvolt kommt aus der Schweiz. Dort wird es auf Flachdächern eingesetzt, mit den Kranstellflächen kommt nun ein weiteres Anwendungsfeld hinzu. Auch das Abbauen geht schnell. Palm veranschlagt dafür bei einer 100-Kilowatt-Anlage auch nur 16 Stunden.

Die reinen Kosten für eine 100-Kilowatt-Anlage liegen nach Saages Angaben bei rund 600 Euro pro Kilowatt. Hinzu kommen Baugenehmigungsgebühren und Ausgleichszahlungen sowie Rückbaugelder von 50 Euro pro Kilowatt sowie nochmals 50 Euro pro Kilowatt an Zertifikatskosten. Der Jahres­ertrag der Photovoltaik-Anlage liegt bei rund 85.000 Kilowattstunden. Damit können bilanziell 85 Prozent des Eigenbedarfs einer Drei-Megawatt-Windkraftanlage im Jahr gedeckt werden.

Dies ist auch für die Baugenehmigung wichtig, die als „mitgezogene Privilegierung“ möglich sei, da die Photovoltaik-Anlage als Stromversorger der bereits genehmigten Windkraftanlage dient. Dafür müssen aber mindestens zwei Drittel der Photovoltaik-Erzeugung im Windkraft-Eigenbedarf aufgehen. Der Netzbetreiber wiederum akzeptiert bisher nicht, dass die Photovoltaik-Anlage den Eigenverbrauch der Windkraftanlage deckt, solange sie selber Strom erzeugt. Daher muss diese meist sich selbst versorgen und die Solaranlage muss einspeisen.

Das Konzept eignet sich nicht für alle Windkraftanlagen, sondern nur dann, wenn der Turm den Aufstellplatz nicht verschattet, vermutlich sei das bei jeder fünften bis achten der Fall. „Ich schätze das Potenzial pessimistisch auf etwa 300 Megawatt bundesweit – also etwa jede zehnte Kranstellfläche mit je 100 Kilowatt bebaut“, sagt Saage. Vermutlich geht auch deutlich mehr.

Daniel Saage schätzt das Potenzial für das Geschäftsmodell auf Photovoltaik-Anlagen mit zusammen rund 300 Megawatt Leistung, unter konservativen Annahmen.

Foto: Westfalen Wind

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