Die hilflose Doppelstrategie der alten Energiekonzerne

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Der Verkauf von Solaranlagen im Sommer 2020 ist gegenüber dem Sommer 2019 in Deutschland um ca. 70 Prozent gestiegen.

Im Gegensatz zur Bundesregierung, die dem Bundestag eine sehr schwache Novelle des Erneuerbaren-Energie-Gesetzes (EEG) präsentierte, haben die Hausbesitzer nicht vergessen, dass wir in einer Zeit der Klimaerhitzung leben und dass Solarenergie immer attraktiver wird: sie ist umweltfreundlich, preiswert und schafft Arbeitsplätze.

Auch der Aktien-Index PPVX, in dem die 30 Photovoltaik-Unternehmen mit dem größten Börsenwert gelistet sind, lag Ende Oktober um 95 Prozent höher als am Jahresanfang. Zum Vergleich: In derselben Zeit fielen Erdöl und Erdgas-Papiere um 58 Prozent.

Es ist völlig klar, wem die Zukunft gehört. Weil Sonne und Wind keine Rechnung schicken, sind die erneuerbaren Energiequellen schon heute in den meisten Ländern der Welt die preiswertesten. Und morgen sind sie konkurrenzlos. Denn alle fossil-atomaren Energieträger sind endlich und von daher Auslaufmodelle.

Hinzu kommt: Während Sonne und Wind vor 20 Jahren nur wenig Strom erzeugten, produzierten sie 2019 erstmals mehr Strom als die Atomkraftwerke. Dieser Vorsprung wird immer größer und preiswerter und schafft Millionen Zukunfts-Arbeitsplätze. Weltweit entstanden in den letzten 20 Jahren über elf Millionen neue Jobs durch erneuerbare Energien, hat IRENA errechnet. Bis 2030 können es 25 Millionen sein. Die sozialen Vorteile der solaren Energiewende werden immer deutlicher: Solarstrom ist schon längst Sozialstrom.

Aber: Ohne den Abbau bürokratischer Hürden für erneuerbare Energien, ohne die Verdreifachung der bisherigen ökologischen Ausbauziele der Bundesregierung, ohne die Vermeidung einer sich anbahnenden Stromlücke, ohne raschen Kohleausstieg sind weder die Klima-Ziele der Bundesregierung noch wirklicher Klimaschutz im Sinne des 1,5 Grad-Ziels des Pariser Klimaabkommens zu erreichen.

Die Hoffnungszeichen und ökologischen Lichtblicke, die es in diesen dunklen Corona-Zeiten aber auch gibt:

In den USA haben wir erstmals einen Klima-Präsidenten. Die Sorge um die Klimaerhitzung hat ganz wesentlich die US-Wahl entschieden. Biden und Harris müssen nun liefern. Beide wollen die Führerschaft im Kampf gegen die Klimaerhitzung übernehmen und werden dabei von ihrem Parteifreund Al Gore unterstützt werden. Ab 2021 haben wir die große Chance, Klimapolitik zum primären transatlantischen Thema zu machen.

Doch was machen in dieser Situation die alten deutschen Energieversorger? In ganzseitigen Anzeigen behauptet zum Beispiel RWE, bis 2040 „klimaneutral“ werden zu wollen. Aber mit Kohlekraftwerken, die bis 2038 laufen? Die RWEs und Eons dieser Welt fahren zurzeit eine scheinbare Doppel-Strategie: Mit einem Fuß stehen sie auf der Bremse beim Ausbau der Erneuerbaren und mit dem anderen Fuß geben sie Gas, zum Beispiel beim Ausbau von Offshore-Windmühlen. Autofahrer wissen, dass diese Strategie – bremsen und zugleich Gas geben – sehr Energieaufwendig, sehr teuer und fürs Auto nicht gut ist. Eigentlich ist das gar keine Strategie, es ist eher verzweifelte Taktik und völlig ziellos. Es ist der hilflose Versuch, das alte Geschäftsmodell noch ein wenig in die Zukunft zu retten.

Wirtschaftsminister Altmaier hilft der alten Energiewirtschaft noch dabei – gegen die große Mehrheit der Wählerinnen und Wähler, gegen eine immer stärker werdende Gruppe ökologisch denkender Ökonomen und gegen die komplette Klimawissenschaft.

Der gesamte Nachhaltigkeits-Index läuft schon seit Jahren besser als die alten Wirtschaftssektoren. „It´s the ecology, stupid“. Es gibt keine RWE-Sonne und keinen E-on-Wind. Die Energiewende kann nur als Bürgerenergiewende funktionieren. Ein ehemaliger Umweltminister sollte dies eigentlich wissen.

Alte Gewohnheiten waren noch nie eine sinnvolle Begründung, um an etwas festzuhalten, das eigentlich schon lange ausgedient hat. Peter Altmaier ist ein Politiker auf der Verliererstraße.

— Der Autor Franz Alt ist Journalist, Buchautor und Fernsehmoderator. Er wurde bekannt durch das ARD-Magazin „Report“, das er bis 1992 leitete und moderierte. Bis 2003 leitete er die Zukunftsredaktion „Zeitsprung“ im SWR, seit 1997 das Magazin „Querdenker“ und ab 2000 das Magazin „Grenzenlos“ in 3sat. Die Erstveröffentlichung des Beitrags erfolgte auf www.sonnenseite.com. —

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