An diesem Wochenende findet der 1. Ordentliche Länderrat von Bündnis 90/Die Grünen online statt. Völlig richtig ist die Intention der Parteiführung, die durch Corona verursachte Wirtschaftskrise mit dem Kampf gegen die Klimakrise zu verbinden.
In einer Passage des Leitantrages des Bundesvorstandes für den Bundesparteitag ist jedoch ein unzureichend durchdachter Vorschlag, der für den Ausbau der Erneuerbaren Energien gravierende Folgen hätte und im Prinzip gar nicht ausführbar ist.
Die Passage lautet:
„Wir wollen für die Bürger und insbesondere mittelständische Unternehmen den Strompreis senken, indem die EEG-Umlage ab dem 1. Juli 2020 um fünf Cent je Kilowattstunde reduziert wird. Das setzt langfristigökologisch richtige Anreize, denn wir brauchen die Elektrifizierung weiterer Sektoren. Bis Ende 2021 kann damit zudem ein Kaufkraft-Effekt von 22 Milliarden Euro erreicht werden. Mittelfristig finanziert sich die Maßnahme durch die Einnahmen aus dem CO2-Preis.“ (https://antraege.gruene.de/
1LR20/Eindaemmung_Erholung_und_Erneuerung-4466)
Zur Erinnerung: Heute beträgt die EEG-Umlage knapp 7 Cent. Die vorgeschlagene Senkung der EEG-Umlage ab 1. Juli 2020 um 5 Cent würde dazu führen, dass dem EEG-Konto in 2020 schon circa 10 Milliarden Euro fehlen würde. Im kommenden Jahr und den Folgejahren nochmal jeweils weitere 20 Milliarden. Eine kurzfristige Kompensation schlägt der Bundesvorstand der Grünen aber nicht vor.
Damit wird das EEG-Konto eine massive Unterdeckung von gut 2/3 haben, weshalb die gesetzlich garantierten Vergütungen sowohl für Bestand- wie auch für neue Anlagen nicht mehr ausgezahlt werden könnten. Die fehlende Auszahlung der Vergütung an die Anlagenbetreiber würde viele von ihnen schnell in die Insolvenz führen und damit die Erzeugung von Ökostrom massiv einbrechen lassen. Dies wäre ein grundgesetzlich rechtswidriger Eingriff in das Eigentum der Anlagenbesitzer.
Die vorgeschlagene Gegenfinanzierung mittelfristig über die CO2-Steuer kann die Einnahmeausfälle nicht kompensieren. Denn die Bundesregierung erwartet durch die CO2-Steuer Einnahmen von jährlich 3 bis 8 Milliarden Euro, also weitaus weniger als das Defizit des EEG-Kontos betragen würde. (https://www.waz.de/politik/co2-steuer-mit-klimapaket-beschlossen-so-viel-geld-bringt-sie-ein-id227245599.html)
Insgesamt ist der Vorschlag einer Senkung der EEG-Umlage in sich nicht ausführbar, da er die Finanzierungsgrundlage für die Auszahlung der Vergütungen an die Anlagenbesitzer weitgehend entzieht.
Selbst wenn die Einnahmen aus der CO2-Steuer schneller und in einer Größenordnung von 20 Milliarden Euro zur Verfügung stünden, würde damit auch ein sehr großer politischer Schaden geschaffen. Jede Steuerfinanzierung der Vergütungssätze im EEG-Konto macht das EEG wieder zu einer Beihilfe nach EU-Recht. Dabei hatte der Europäische Gerichtshof Recht gesprochen, dass das EEG keine Beihilfe ist.
Mit der Steuerfinanzierung aus der CO2-Steuer aber würde dann die EU-Kommission wieder die Ausgestaltung des EEGs kontrollieren können, so wie es im letzten Jahrzehnt geschah. Die EU-Kommission muss sich an den EURATOM-Vertrag halten und damit den Ausbau der Atomenergie in der EU befördern, sie unterstützt die Konzerninteressen der Kohle- und Erdgaswirtschaft. Da haben erneuerbare Energien kaum einen Platz und werden deshalb im Ausbau von ihr behindert. Die im letzten Jahrzehnt verordnete Umstellung auf Ausschreibungen statt fester Einspeisevergütung war auf Betreiben der EU-Kommission eingeführt und hat nicht nur in Deutschland einen verheerenden Einbruch des Ausbaus der Erneuerbaren Energien beschert. Die vom Bundesvorstand vorgeschlagene Steuerfinanzierung würde der EU-Kommission genau solche Einflussmöglichkeiten wieder bereiten.
Zudem laufen wir wegen der Corona-Wirtschaftskrise in eine extrem hohe Staatsverschuldung hinein. Jede Finanzminister wird versuchen, überall den Rotstift anzusetzen, auch bei den Steuermitteln, die die Vergütungen für die Ökostromanlagen finanzieren sollen. Der Druck auf einen verminderten Ausbau der Erneuerbare Energien wäre damit vorprogrammiert.
Die vom Grünen-Bundesvorstand angestrebte Senkung der Strompreise würde hingegen tatsächlich einen ökologischen Effekt hervorrufen, da dadurch die Ablösung der klimaschädlichen Erdölantriebe durch ökostrombetriebene E-Mobile im Verkehr unterstützt würde, genauso wie die Umstellung von Erdöl- und Erdgasheizungen auf mit Ökostrom betriebene Wärmepumpen.
So könnte zum Beispiel das Industriestromprivileg zur Befreiung aus der EEG-Umlage gestrichen werden und diese als direkte Subvention aus dem Steuerhaushalt gegenfinanziert werden. Dies wäre unschädlich in der Beihilfe-Frage und würde etwa die EE-Umlage um 1,5 Cent pro Kilowattstunde senken können. Auch eine Steuerbefreiung für den Ökostrom würde die Strompreise um einen weiteren Cent senken können.
Es gibt also durchaus sinnvolle Maßnahmen, die dem richtigen Vorstoß zur Senkung der Strompreise gerecht werden können. Die vom Grünen-Bundesvorstand vorgelegte Senkung der EEG-Umlage um 5 Cent pro Kilowattstunde, mit mittelfristiger Gegenfinanzierung aus der CO2-Steuer ist aber kurzfristig undurchführbar und mittelfristig massiv schädlich für den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien.
Ich appelliere an alle Delegierten des Länderrates, die oben zitierte Passage aus dem Antrag heraus zu streichen.
— Der Autor Hans-Josef Fell saß für die Grünen von 1998 bis 2013 im Deutschen Bundestag. Der Energieexperte war im Jahr 2000 Mitautor des EEG. Nun ist er Präsident der Energy Watch Group (EWG). Mehr zu seiner Arbeit finden Sie unter www.hans-josef-fell.de. —
Die Blogbeiträge und Kommentare auf www.pv-magazine.de geben nicht zwangsläufig die Meinung und Haltung der Redaktion und der pv magazine group wieder. Unsere Webseite ist eine offene Plattform für den Austausch der Industrie und Politik. Wenn Sie auch in eigenen Beiträgen Kommentare einreichen wollen, schreiben Sie bitte an redaktion(at)pv-magazine.com
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„Eine kurzfristige Kompensation schlägt der Bundesvorstand der Grünen aber nicht vor.“
Es ist ja interessant, für wie dämlich Herr Fell die Antragsteller hält. Schließt er da von sich auf andere? Zur Erläuterung: Die Antragsteller wissen es, dass die wegfallenden Einnahmen aus der Ermäßigungn der EEG-Umlage aus Steuermitteln ersetzt werden müssten.
Der Hinweis auf die bisherige Förderpolitik der EU (Euratom-Vertrag und Förderung von Kohle, Öl und Gas) ist wichtig. Hier wäre es angebracht, die neue EU-Kommission mal dazu zu bringen, Farbe zu bekennen, insbesondere den Euroatom-Vertrag so weiterzuentwickeln, dass den Erneuerbaren eindeutig Vorrang eingeräumt wird. Mehr wird in Europa, wo es auch Staaten gibt, die die Kernkraft noch für etwas sehr sinnvolles halten, nicht zu erreichen sein. Sonst bleibt der so großartig verkündete Green Deal ein wohlfeiles Lippenbekenntnis.
Die Behauptung, dass die Ausschreibungen zu einem Einbruch beim Ausbau der Erneuerbaren geführt hätten, ist zu undifferenziert. Für die Windkraft ist sie richtig, bei der PV sind die Ausschreibungen aber sehr erfolgreich. Ein Kampf dagegen wird den Kämpfer zu einem Ritter von der traurigen Gestalt machen. Bei der Windkraft sollte man kurzfristig zum alten System der garantierten Einspeisevergütung zurückkehren. Wenn man langfristig wieder einen neuen Versuch mit Ausschreibungen machen will, weil damit die Mengensteuerung leichter zu bewerkstelligen ist, und man sich günstigere Strompreise erhofft, dann sollten die Ausschreibungsregeln besser an die besonderen Erfordernisse durch die langen Planungszeiten und hohen Planungskosten angepasst werden.
Die Befürchtung, dass der Finanzminister den Ausbau der Erneuerbaren bremsen wollen könnte, um damit seinen steuerfinanzierten Anteil an der EEG-Umlage klein zu halten, ist ziemlich an den Haaren herbeigezogen. Neuanlagen belasten den EEG-Fonds ja nur noch minimal. Die vorgeschlagene Übernahme der EEG-Umlage durch den Staat bezieht sich auf die Kosten für Anlagen, die in der Vergangenheit errichtet wurden. An diesen Kosten lässt sich nichts mehr ändern. Zum Glück fallen sie mit der Zeit weg.
Im übrigen möchte ich noch auf meinen Kommentar zum Beitrag von Herrn Schrag vom 29.4.20 verweisen. Da ist alles zur sinnvollen Kostenstruktur gesagt.
Ich verstehe ja auch nicht, wo der H.J. Fell da eine Unterdeckung des EEG Konto sieht.
Die Grünen wollen doch nur für die Verbraucher die Umlage kürzen, in dem der Staat die 5 Cent übernehmen soll. Deshalb geht doch auf dem EEG Konto nicht weniger ein.
keilenANALYTICS
Die Höhe des Strompreises entscheidet darüber, ob in Stromeinsparung, Effizienz und in Fotovoltaik (Verdrängung von Strombezug durch Eigenverbrauch Solarstrom) investiert wird oder nicht. Es gibt hierzu im Grundsatz in jedem Haushalt und in jedem Unternehmen relevante wirtschaftliche Potenziale.
„Entscheidend sind nicht die Kosten pro Kilowattstunde. Entscheidend ist am Monatsende die Höhe der Stromrechnung.“, das war immer die Sichtweise der früheren rheinland-pfälzischen Energie- und Verbraucherschutzministerin Margit Conrad.
Politisch beklagt man die Höhe der Strompreise. Dabei stellt man bei Nachfragen fest, dass viele Haushalte nicht einmal die Höhe ihrer Strompreise bzw. Stromrechnung kennen. das heißt: So bedeutsam kann dieses Problem für die meisten nicht sein.
Aus meiner Sicht sollte man weder an der Stromsteuer noch an der EEG-Umlage rütteln. Sie treiben Stromeinsparung und -effizienz sowie Fotovoltaikausbau und Investition in Stromspeicher. Der Bundeshaushalt wird nach Corona massiv belastet sein, das Steuergeld für andere Zwecke dringend benötigt werden. Insoweit sollte man sich bezüglich des EEG darauf konzentrieren, dass Hemmnisse und Bürokratie beseitigt und der Ausbau der Erneuerbaren endlich „entfesselt“ wird.
Die Begünstigung der energieintensiven Industrie bezüglich der Höhe der EEG-Umlage – wie sie mit der „Besonderen Ausgleichsregelung“ im EEG gegeben ist – sollte nicht in Frage gestellt werden. Denn diese Industrie muss im internationalen Wettbewerb bestehen und ist die Basis für Deutschland als Wirtschaftsstandort.
Der Wegfall der EEG-Umlage würde aus meiner Sicht dem Klimaschutz mehr schaden als nutzen. E-Mobilität, aber auch Heizen mit elektrischen Wärmepumpen ist auch mit EEG-Umlage wirtschaftlich attraktiv, zumal mit der CO2-Bepreisung Benzin, Diesel, Heizöl und Erdgas ab 2021 Jahr um Jahr teurer, damit hocheffiziente Stromanwendungen immer günstiger werden.
Prof. Dr. Karl Keilen sagt.
Politisch beklagt man die Höhe der Strompreise. Dabei stellt man bei Nachfragen fest, dass viele Haushalte nicht einmal die Höhe ihrer Strompreise bzw. Stromrechnung kennen. das heißt: So bedeutsam kann dieses Problem für die meisten nicht sein.
@ Herr Keilen.
Das stimmt, die meisten Verbraucher wüssten gar nicht was sie für ihren Strom bezahlen, wenn ihnen die einschlägigen Medien nicht gebetsmühlenartig erzählen würden, dass er der teuerste in Europa ist, und die Energiewende daran schuld ist. Das ist das Problem, weil nachweislich falsch..
Siehe hier: https://www.youtube.com/watch?v=VjN_J3QA3RI
Die Kosten für die Energiewende haben sich gerade mal verdoppelt, wogegen sich die EEG Umlage verfünffacht hat.
Das übrige Geld stecken die Leute in die Taschen die den Strom bereit stellen sagt der Prof. so ab Minute 3. Die Umlage könnten bei einem Kosten/Nutzen System, wenn überhaupt allenfalls eine 3 vorm Komma haben.
Das was man politisch beklagt, wollen die Grünen leider mit dem falschen Mittel beheben, in dem man staatliche Beihilfe fordert.
Und genau diese … „Nicht“…staatliche Beihilfe war in der Vergangenheit, das Schutzschild gegen mehrere Klagen.
Siehe hier: https://www.manager-magazin.de/unternehmen/artikel/a-122421.html
Zitat:….Laut den Richtern sind nur solche Vergünstigungen als staatliche Beihilfen anzusehen, die aus öffentlichen Mitteln kommen. Die Abnahmepflicht beispielsweise für Windenergie werde aber ausschließlich durch private Mittel finanziert.
Zu :Franz-Josef- Fell bzw. Prof. Dr. Karl Keilen
„Die Begünstigung der energieintensiven Industrie bezüglich der Höhe der EEG-Umlage – wie sie mit der „Besonderen Ausgleichsregelung“ im EEG gegeben ist – sollte nicht in Frage gestellt werden. Denn diese Industrie muss im internationalen Wettbewerb bestehen und ist die Basis für Deutschland als Wirtschaftsstandort.“
Es war vermutlich richtig diese Freistellung bei der Einführung der EEG-Umlage einzubauen, ABER sie sollte in den nächsten 5+x Jahren abgebaut werden. Sonst hat die Industrie, Golfbetriebe usw überhaupt keinen Grund Energie zu sparen und sich technologisch weiterzuentwickeln.
„Umstellung auf Ausschreibungen statt fester Einspeisevergütung “ bzw „Die im letzten Jahrzehnt verordnete Umstellung auf Ausschreibungen statt fester Einspeisevergütung war auf Betreiben der EU-Kommission eingeführt und hat nicht nur in Deutschland einen verheerenden Einbruch des Ausbaus der Erneuerbaren Energien beschert“.
Warum, Herr Fell, lassen Sie diese undifferenzierte Polemik nicht endlich? Feste Einspeisetarife mögen bequem und schön sein für die EE, aber nur die Ausschreibung (bei gedeckeltem Höchstpreis bzw genügend Angebot von Projekten) schafft Wettbewerb und damit erst eine seriöse Zukunft für die EE. Warum blicken Sie diese wirtschaftlichen Grundlagen nicht??
@ Stefan Baschel.
Und wer gewinnt diese Ausschreibungen ??
Doch keine Bürgergenossenschaften, wie das H.J. Fell als Mitautor des EEG mal vorgesehen hatte..
Wertschöpfung verteilt an Viele, hieß mal der Leitspruch der Energieqwende. Wenn er den nun in Gefahr sieht, ist das doch keine Polemik
Es ist ein Gewurschtel mit dem Strompreis, was man Otto-Normalverbraucher auch nicht mehr einfach vermitteln kann.
Umfragen über die Unwissenheit der Zusammensetzung des eigenen Strompreises belegen dieses!
Ja, energieintensive Betriebe sollten endlich an dem Umbau der Energieversorgung beteiligt werden. Konkurenz Hin oder Her; 20 Jahre sind doch genug für eine Anpassung der eigenen Anlagentechnik im Sinne der Recoucenschonung und geringerem Energieverbrauches; Getan hat sich offensichtlich hier nicht sonderlich Viel..
Post EEG Anlagen, bei denen die gesicherte Vergütung zur Einspeisung in nächster Zeit enden wird oder bereits geeendet hat, bedürfen einer verbindlichen und strukturierten Anschlussvereinbarung oder rigerosen Abschaltung.
Jedes Versicherungsunternehmen würde bei Auslaufen von vereinbarten Konditionen anderst reagieren um den Kunden möglichst zu halten!
Dringender Handlungsbedarf, bitte noch vor der üblichen Sommerpause!
Wie blöd muss ein Gesetzgeber sein, der 20 Jahre darauf hinarbeitet, die Erneuerbaren insgesammt zu einer tragfähigen Lösung zu bringen und dann, bei Auslaufen der vereinbarten Konditionen die laufenden Kontingente und Volumina einfach zu vergessen?
Eine Legislatur dauert in D halt auch nur vier Jahre.
Es wäre eventuell hilfreich, wenn hier von Seiten des Diskussionsforums mal die Fakten dagestellt werden könnten, mit welcher Entwicklung im Bereich des EEG zu rechnen wäre.
Excell scheit mir da ein gebotenes Mittel.
Eine Senkung der Umlage wäre der erste logische Schritt.