EWE-Cloud wird neu aufgelegt – ohne Anschlusskosten

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pv magazine: Die EWE-Cloud gibt es bereits seit Anfang 2018, aber Sie haben sie noch einmal völlig umgestaltet, warum und was ist neu?

Andy Satzer: Nachdem wir die „myEnergyCloud“ im Februar 2018 vorgestellt hatten, haben wir sie erst einmal nur im Heimatmarkt der EWE, also im Nordwesten Deutschlands sowie im Osten, in Berlin und in Brandenburg vertrieben. Außerdem konnte man nur mit bei uns gekauften Speichersystemen teilnehmen. Das war natürlich ein sehr kleines Portfolio, bestehend aus Systemen von E3/DC und Varta. Und als drittes benötigte der Kunde eine Hardware-Komponente, für die er eine sehr hohe Einmal-Investition von 950 Euro in Kauf nehmen musste, um überhaupt an der Cloud teilzunehmen. Wir haben gemerkt, dass diese Einschränkungen sehr hinderlich waren. Jetzt bieten wir unsere Cloudlösung bundesweit an und egal, woher der Speicher kommt, egal, welcher Speicherhersteller, jeder darf teilnehmen. Selbst Speicherbesitzer, die heute schon ihre Photovoltaik-Anlage am Netz haben, können die „myEnergyCloud“ abschließen, sofern das Inbetriebnahmedatum nach März 2012 liegt. Aber das Wesentliche ist, dass wir uns dafür entschieden haben, die Hardware-Komponente nicht mehr einzusetzen.

Andy Satzer, Vertriebsreferent Energiediestleistungen national, EWE Vertrieb

Foto: EWE

Warum können Sie gerade jetzt, wo Sie unterschiedliche Hersteller zulassen, auf die Hardware verzichten?

Das ist eine sehr berechtigte Frage. Das Problem war, dass die Hardware-Komponente irrsinnig viel Platz im Zählerschrank benötigte. Wir hatten hohe Investitionskosten und darüber hinaus einen sehr hohen Installationsaufwand. Deshalb haben wir ein eigenes Produkt entwickelt, das kurz vor der Serienreife steht. Wir greifen mit dieser technischen Lösung direkt auf den bestehenden Zähler zu und können diesen auslesen. Darüber hinaus wird diese Software über die API, also die Anwendungsschnittstellen, der Speicherhersteller kommunizieren und somit auch die Daten des Speichers oder des Wechselrichters auslesen. Wir stehen kurz vor dem Rollout.

Und die neue Lösung muss nicht vor Ort installiert werden?

Das Einzige, was wir brauchen, ist eine Stromversorgung, das heißt, eine ganz normale Schuko-Steckdose. In den bestehenden Zähler kommt ein kleines Gerät, das einfach dort draufgesteckt wird. Dieses Gerät kommuniziert dann via Wlan mit dem Wechselrichter oder dem Speichersystem und greift dort auf die API zu. Wir freuen uns schon sehr drauf, weil es unsere eigene Plug- und Play-Lösung ist und für den Endkunden die früheren Investitionskosten für die Hardware entfallen. Der Schulungsbedarf beim Installateur entfällt damit natürlich auch. Das heißt, es wird für alle Beteiligten wesentlich einfacher und kostengünstiger.

Wenn die Speicher von beliebigen Herstellern gekauft werden können, gibt es Beschränkungen bei der Größe oder im Alter der Speicher?

Es gibt keine Einschränkung. Im Unterschied zu unseren Marktbegleitern, bei denen die Größen oft vorgegeben sind, kann das Handwerksunternehmen die besten Komponenten am Markt passend für den Endkunden zusammenzustellen und dann das Angebot mit der „myEnergyCloud“ veredeln. Er kann sein Lieblingsprodukt einsetzen und mit einer x-beliebigen Photovoltaik-Anlage kombinieren. Dadurch profitiert natürlich der Endkunde, weil er eben nicht an ein spezielles Speicherprodukt oder an eine spezielle Speichergröße gebunden ist. Zusätzlich werden wir das Monitoring vom Speicherhersteller ergänzen. Das gibt normalerweise nur einen Überblick darüber, was gerade produziert wird, welche Autarkie und welchen Eigenverbrauch ich habe. Es sagt aber wenig über das Monetäre aus und auch nicht, ob ich mit meinem Verbrauch gut oder schlecht dastehe. Das greifen wir auf und geben dem Kunden mit der Visualisierung die Orientierung, ob er sich im Soll befindet. Ist sein Verbrauch im Rahmen, geht der Daumen nach oben. Verbraucht er deutlich mehr als prognostiziert, geht der Daumen nach unten.

Von einigen Cloudanbietern werden spezielle Tarife für Wärmepumpen angeboten oder für das Elektroauto. Kann man bei Ihnen auch Wärmepumpenverbräuche, die womöglich über einen anderen Zähler laufen, mit einkalkulieren?

Die Wärmepumpe kann auch über die „myEnergyCloud“ versorgt werden, allerdings nur im Ein-Zähler-Modell und nicht mit einem gesonderten Wärmepumpentarif. Wir beleuchten das Thema Elektromobilität und wir haben eine Tochtergesellschaft, die Waydo GmbH, die sich um Ladesäulen und Ladesäuleninfrastruktur kümmert. Auch das Geschäftsfeld „Wärme“ haben wir im Haus sowie Anbindungsmöglichkeiten an virtuelle Kraftwerke. Mit diesen Unternehmensbereichen sind wir in engem Austausch, um das Produkt weiterzuentwickeln, wenn es die politischen Rahmenbedingungen zulassen und für den Kunden ein tatsächlicher Vorteil entsteht. Stand heute zahlt es sich aber noch nicht positiv aus, dort eine weitere Regeleinheit für die Wärmepumpe einzubauen.

Kommen wir zum Preis, Sie ermitteln ja einen individuellen Festpreis für den Kunden. Wie setzt sich der zusammen?

Wir sehen bewusst davon ab, mit Paketpreisen ins Feld zu gehen. Wenn unsere Marktbegleiter sagen: Du hast einen Reststrombedarf von X, das kostet so und so viel extra, wollen wir das nicht. Deswegen haben wir seit sechs Monaten unseren Konfigurator auf der Internetseite ewe.de/myenergycloud. Dort kann der Installateur, aber auch der Endkunde seinen monatlichen Community-Beitrag individuell kalkulieren. Und dazu brauchen wir nur drei Kenngrößen: die Speichergröße, die Größe der Photovoltaikanlage und den Gesamtverbrauch. Der Festpreis fängt schon ab zehn Euro monatlich an. Und sollte der Kunde mal mehr verbrauchen, ist das nicht schlimm, denn wir erstellen keine Rechnung im Nachhinein, sondern schauen nur nach vorne. Wir haben in unseren Tarifen einen zwanzigprozentigen Reststrompuffer eingebaut. Also sollte der Kunde bis zu zwanzig Prozent mehr oder weniger verbrauchen als prognostiziert, passiert gar nichts. Egal, ob wir ein sonnenreiches Jahr haben oder nicht, das verändert den Cloud-Tarif nicht. Sollte er deutlich über zwanzig Prozent liegen, lassen wir die tatsächlich verbrauchten Kilowattstunden in die neue Kalkulation einfließen. Dann wird der Cloud-Beitrag für das Folgejahr dementsprechend erhöht. Wenn der Kunde wieder weniger verbraucht, geht der Cloud-Preis auch wieder nach unten.

Was passiert mit der Einspeisevergütung bei ihrem Modell?

Die Einspeisevergütung wird an EWE abgetreten. Früher, also vor gut zwei Jahren, war es für die Kunden eine Hürde, die Einspeisevergütung zu hundert Prozent abzutreten. Das hat sich mit zunehmendem Eigenverbrauch und sinkenden Vergütungsätzen für den „überschüssigen“ Strom geändert. Allerdings, wenn man kaum Verbrauch aber eine große Photovoltaik-Anlage hat und daher viel einspeist, stellt sich der Kunde mit einer Cloud-Lösung schlechter. Sofern wir uns aber im normalen Einfamilienhausbereich befinden und beispielsweise eine 8- oder 10-Kilowattpeak-Anlage nehmen, stellt man sich mit der „myEnergyCloud“ besser, alleine schon wegen des 20-Prozent-Reststrompuffers, weil keine zusätzlichen Zahlungen nötig sind.

Wäre es für den Kunden auch eine bürokratische Einsparung, wenn er die Einspeisevergütung an Sie abtritt?

Der Kunde muss mit dem Netzbetreiber nicht mehr kommunizieren. Er bekommt zwar nach wie vor ein Informationsschreiben, wie viele Kilowattstunden eingespeist und an EWE vergütet worden sind, ansonsten ist keine Kommunikation mehr mit dem Netzbetreiber nötig.

Ich habe mir den Konfigurator angeschaut, ein paar typische Konstellationen durchgerechnet und hätte nicht viel gespart. Stattdessen kostet die Cloud oft genauso viel, wie ein normaler Reststrombezug. Warum, sagen Sie, sollte man sich trotzdem für eine Cloud entscheiden?

Vielleicht haben Sie eine ganz konventionelle Anlage ausprobiert, beispielsweise mit zehn Kilowattpeak und einem Speicher mit acht Kilowattstunden, da hätten Sie hohe Investitionskosten. Wenn Sie aber nur einen Speicher mit vier Kilowattstunden und eine acht Kilowattpeak-Anlage wählen und mit unserer Cloud kombinieren, hätten Sie 100 Prozent Autarkie und deutlich weniger Investitionskosten. Das heißt, die Summe aller Teile und die Möglichkeit, dies mit der „myEnergyCloud“ individuell zu kalkulieren und individuell auszugestalten, bringen dem Kunden doch enorme Vorteile.

Aber man ist ja nicht wirklich autark. Man speist den Strom ins Netz ein und bekommt Netzstrom zurück.

Richtig. Aber das Produkt ist auf eine Vision ausgelegt. Wir wollen mit dem Produkt, mit dem Erzeuger – also dem Prosumer – gemeinsam an den Strommärkten von morgen teilnehmen. Und die derzeitige Cloud-Lösung ist der erste Schritt. In den nächsten Monaten und in den nächsten Jahren, werden wir weitergehen, hin zur Elektromobilität, zur zweiten Abnahmestelle, zu Peer-to-Peer- oder Intraday-Handel. Die Produkte werden wie in der Landwirtschaft regional erzeugt und direkt regional vermarktet, das ist unsere Vision. Wenn die politischen Rahmenbedingungen es irgendwann zulassen, dass ich dadurch die EEG-Umlage und andere Kosten sparen kann, wollen wir von Anfang an dabei sein und den Kunden diese Möglichkeiten bieten. Aber auch wenn der Cloudtarif nur einen geringen preislichen Vorteil bietet, hat der Endkunde ein positives Ergebnis und zusätzlich maximale Transparenz durch unsere Visualisierung. Und, das ist noch wichtig zu sagen: Keiner geht ein Risiko ein. Wenn irgendjemand sagen sollte, die „myEnergyCloud“ ist nichts für ihn, dann kann er monatlich kündigen. Das ist noch ein starkes Argument für den Installateur, der kein Beratungsrisiko eingeht.

Sie bezeichnen Ihre Teilnehmer schon jetzt als Strom-Community. Was ist denn heute von der Vision schon Wirklichkeit? Können Sie schon auf die Speicher der Kunden zugreifen und die Speicher tatsächlich ansteuern, befüllen oder leeren?

Nein, das können wir nicht. Dazu müssten wir dem Kunden um die 950 Euro für die Steuerungstechnik aufbürden und das würde sich nicht rechnen.

Ist es für ein virtuelles Kraftwerk nicht ausreichend, wenn der Speicher ein Signal bekommt: Achtung, jetzt laden oder: Achtung, jetzt entladen, und dann wird gezählt, ob geladen oder entladen wird?

Es ist technisch relativ einfach, einen Signalimpuls zu geben, aber einen sicheren technischen Impuls zu geben, das ist doch deutlich schwerer. Denn da gibt es diverse Vorgaben, was Sicherheitsrichtlinien betrifft. Wir dürfen nicht einfach nur ein Signal über den Wlan-Router schicken, sondern benötigen einen  Medienbruch, also eine Verteilung der Daten und Informationen auf verschiedene Informationsmedien, so dass sie nicht durch fremde äußere Einflüsse negativ beeinflusst werden. Denn wir sprechen hier von sicherheitsrelevanter Infrastruktur. Und das macht die Sache kompliziert und die Investition teuer und eben unattraktiv für den Endkunden.

Inwiefern stellen dann Ihre Kunden tatsächlich eine Community dar?

Es ist ein gemeinschaftlicher Wirtschaftskreis. Das heißt, alle Einnahmen und alle Ausgaben, die in diesem Bilanzkreis getätigt werden, stellen für uns eine Community da.

Was machen Sie mit den Daten, die Sie sammeln?

Bei uns werden Daten äußerst sorgfältig behandelt. Das heißt, wenn wir Daten bekommen, werden sie anonymisiert. Wir schauen uns aber bewusst die Verbräuche und die Profile an und lernen daraus. Das heißt, je mehr Community-Teilnehmer im Pool sind, desto besser verstehen wir den Kunden und desto besser können wir Prognosen erstellen. Aber dahinter stehen keine Namen, dahinter stehen keine Personen, sondern anonymisierte Verbrauchs-, Erzeugungs- und Lastprofile.

Wie sehen Sie die Cloud in der Zukunft? Wird es auch bald Optionen für Anlagen geben, die aus der EEG-Vergütung auslaufen? Wie könnte ein solches Angebot bei Ihnen aussehen?

Auch hier haben wir natürlich immer noch die Situation, dass es für den Kunden auch sinnvoll erscheinen muss. Und gerade für die auslaufenden Anlagen haben wir unterschiedlichste Optionen geprüft und kommen teilweise zu unterschiedlichen Ergebnissen. Also letztendlich könnte man sagen, der Kunde schließt seinen Wechselrichter beziehungsweise seine Zählerverschaltung um und geht aus der Volleinspeisung in die Überschusseinspeisung. Und dann könnte man sagen, wir treten als sonstiger Direktvermarkter auf und bieten ihm einen Cloud-Tarif an. Das ist relativ einfach. Allerdings steckt der Teufel im Detail. In dem Moment, wo ich einen wesentlichen Eingriff in die Zähleranlage tätige, muss ich den Zählerschrank komplett erneuern und die neuen technischen Anschlussbedingungen des Netzbetreibers berücksichtigen. Und dann kommen Investitionen von rund 2000 Euro nur für den Zählerschrank auf den Kunden zu. Darüber hinaus muss der Wechselrichter auch mit der Direktvermarkter-Schnittstelle kommunizieren, also wäre dann wahrscheinlich ein neuer Wechselrichter vonnöten. Dann brauchen wir natürlich ein Speichersystem, um an der Cloud teilzunehmen. Das sind dann noch einmal Investitionskosten. Und dann stellt sich ja schon fast wieder die Frage über die Sinnhaftigkeit des Weiterbetriebs der gesamten Photovoltaikanlage. Sofern wir also auch hier keine sauberen politischen Rahmenbedingungen haben, fällt es uns an der Stelle schwer, eine konkrete Aussage zu treffen. Aber das Schlimmste, was uns passieren kann, ist, wenn der Kunde sagt, der gesamte Weiterbetrieb rechnet sich nicht und er demontiert seine Photovoltaikanlage. Das wäre für uns alle eine mittelschwere Katastrophe, also für die, die die Energiewende vorantreiben wollen.

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